Die Kritik am neuen Trikot der deutschen Fußballnationalmannschaft der Männer

Sodom ist pink

Zwischen Blau, Violett und Magenta oszillierend - in diesen Farbtönen ist das neue Trikot der deutschen Fußballnationalmannschaft für Auswärtsspiele gehalten, dessen öffentliche Vorstellung dem DFB und dem Hersteller Adidas heftige Kritik eintrug. Homophobe Nationalist:innen identifizieren das Pink als etwas Schwules, Weibisches, also Undeutsches.
Was kümmert mich der Dax Von

Vielleicht sind manche Probleme der Farbwahrnehmung ja eine Folge der patriotischen Konditionierung. »Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold«, legt Artikel 22 des Grundgesetzes fest, und Patriot:innen sind angehalten, Gold zu sehen, obwohl das offizielle Corporate Design der Bundesrepublik für den un­teren Fahnenstreifen bei Stoffen Melonengelb (RAL 1028) und bei Druckerzeugnissen Rapsgelb (RAL 1021) vorschreibt. Allerdings ist das noch keine zufriedenstellende Erklärung dafür, dass zahlreiche Rechte schwul sehen, wenn sie zwischen Blau, Violett und Magenta oszillierende Farbtöne erblicken.

Für die Ablehnung mag es in manchen Fällen verständliche emotionale Gründe geben, immerhin erinnert Magenta an Zumutungen wie Telekom und FDP.

In diesen Farbtönen ist das neue Trikot der deutschen Fußballnationalmannschaft der Männer für Auswärtsspiele gehalten, dessen öffentliche Vorstellung dem DFB und dem Hersteller Adidas heftige Kritik eintrug. Einer Civey-Umfrage unter 1.500 Fußballfans für T-online zufolge gefällt das Trikot 57 Prozent nicht, nur 28 Prozent finden die Farbwahl gut. Für die Ablehnung mag es in manchen Fällen verständliche emotionale Gründe geben, immerhin erinnert Magenta an Zumutungen wie Telekom und FDP.

Doch dürfte Daniel Wald, Landtagsabgeordneter der AfD in Sachsen-Anhalt, repräsentativ für die Mehrheit der Kriti­ke­r:in­nen sein: »Das pink-lilane Trikot soll für die ›neue Generation‹ der Vielgeschlechtlichkeit à la Sodom & Gomorrha an, die Weltoffenheit und Vielfalt von ›Deutschland‹ stehen.« Dazu verbreiten er und andere Memes, die Nationalspieler mit dem neuen Trikot und regenbogenfarbenen Röckchen zeigen.

Wer mit der christlich-abendländischen Tradition besser vertraut ist als Wald, weiß, dass die katholische Kirche einen erheblichen Teil ihrer Mannschaft, die Bischöfe, in violette Soutanen kleidet, ohne dass dies bislang nennenswerte Auswirkungen auf deren Haltung zu Gender-Fragen gehabt hätte. Man kann in der Farbwahl auch eine unfreiwillig ironische Note erkennen, denn Violett ist die christliche Farbe der Buße und der Umkehr – die Fans der deutschen Mannschaft wegen derer dürftigen sportlichen Leistungen wünschenswert erscheinen mag.

Doch mit eisernem Willen machen homophobe Nationalist:innen beim Pink aus und identifizieren es als etwas Schwules, Weibisches, also Undeutsches. Der Furor ist so groß, dass den Rechten etwas anderes entgangen zu sein scheint: Es handelt sich nicht um Trikots »Made in Germany«. Sie werden auswärts genäht.

Dagegen ist aus kosmopolitischer Sicht grundsätzlich nichts einzuwenden, doch gibt es im Herstellungsland Vietnam keine Gewerkschaftsfreiheit und Die Zeit stellte 2017 fest, dass vom damaligen Verkaufspreis der Trikots nur knapp zehn Prozent auf Herstellung und Transport entfielen – man ahnt, was da für die nähenden Lohnabhängigen übrig blieb. Aber auch beim DFB beziehungsweise bei Adidas findet der Wille zu Neuerungen offenbar weiterhin eine Grenze, wenn es um Profitmaximierung geht.