Beim Berliner Dyke March überwog der Hass auf Israel alle lesbischen Themen

Berliner Lesben befreien Palästina

Der Dyke March Berlin, die traditionelle Lesbendemonstration, begnügte sich damit, Israel zu dämonisieren, anstatt gegen lesbenfeindliche Gewalt zu protestieren. Am Abend wurde ein Journalist mit einem Messer bedroht.

Traditionell gehen beim Berliner Dyke March queere Frauen für ihre Rechte und gegen das Patriarchat auf die Straße. Nicht so in diesem Jahr. Brüllende Männer und ihre Kufiya tragenden Schwestern skandierten bereits »Free Palestine« und »Yallah, yallah Intifada, von Berlin bis nach Gaza«, bevor die Demonstration, an der nach Polizeiangaben 7.500 Personen teilnahmen, in Berlin-Neukölln überhaupt losgegangen war.

Es störte offenbar niemanden, als Teilnehmerinnen von Männern am Rande der Demonstration mit »Arschloch«, »Schwuchtel« oder »Lass dich in den Arsch ficken« beleidigt wurden.

Die Reihung der Demonstrationsblöcke ließ keinen Zweifel daran, dass das insgesamt die politische Stoßrichtung bestimmen sollte. Denn die Israelhasser hatten sogar ihren eigenen Block, der ganz vorne beim Lautsprecherwagen hinter dem Frontbanner »Love Dykes* – Fight Fascism« laufen durfte. Ganz weit hinten hingegen musste sich eine 30köpfige Gruppe einreihen, die sich dem Antisemitismus und dem Hass auf Israel in den eigenen Reihen widersetzen wollte. Anlass für den antisemitismuskritischen Block war unter anderem das aggressive Vorgehen einiger Besucherinnen eines Fundraising-Abends für die Demonstra­tion gegen fünf Frauen, die an diesem Abend ihre Solidarität mit Jüdinnen und Israelinnen hatten zeigen wollen.

Mit einer riesigen Regenbogenfahne mit Davidstern durch Neukölln und Kreuzberg zu laufen, erfordert Mut und starke Nerven. Zahlreiche Demonstra­tionsteilnehmerinnen und Passanten fühlten sich von dem jüdischen Symbol so provoziert, dass sie die Gruppe permanent beleidigten, bedrohten und »Fascholesben raus aus der Demo« skandierten.

Präsenz lautstarker bärtiger Männer

Dem Organisationsteam zufolge waren Nationalfahnen zwar »wie in jedem Jahr« unerwünscht – zumindest teilte man das der Siegessäule im Interview mit. Das galt offenbar aber nicht für alle. Palästina-Flaggen wurden geduldet; ebenso wie die Präsenz lautstarker bärtiger Männer und homophobe Beleidigungen.

So störte es offenbar abgesehen von den Betroffenen niemanden, als Teilnehmerinnen von Männern am Rande der Demonstration mit »Arschloch«, »Schwuchtel« oder »Lass dich in den Arsch ficken« beleidigt wurden; zumindest gab es keine Widerrede.

Es ging ja sowieso nicht mehr um Lesben, deren Rechte oder die wachsende Gewalt gegen sie. Die ­Beratungsstelle L-Support hat einen starken Anstieg von Übergriffen auf Lesben im Vergleich zum Vorjahr registriert. Von 40 auf 80 sei die Fallzahl gestiegen, teilte die Beratungsstelle dem Tagesspiegel mit.

»Flintifada« und »No Pride in Genocide«

Die »Befreiung Palästinas« hatte auf dem Dyke March dennoch Vorrang. Plakate mit Aufschriften wie »Flintifada« und »No Pride in Genocide« bestimmten das Bild der Demonstration. Zu Beginn der Demonstration untersagte Manuela Kay vom Organisationsteam zwar das Skandieren des Spruchs »From the river to sea, Palestine will be free« – aber: »Das sind nicht unsere Regeln, das verlangt die Polizei«, ergänzte sie ihre Lautsprecherdurchsage.

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union berichtete von drei Angriffen auf Pressevertreter am Rande des Dyke March. Demnach wurde eine Journalistin an den Haaren gezogen, einem Journalisten in den Bauch getreten und andere wurden mit Flaschen beworfen. 28 Personen wurden im Laufe der Demonstration vorübergehend festgenommen. Viele Demonstrationsteilnehmerinnen reagierten verwundert und entsetzt über das Ausmaß der Gewalt, so dass einige, vor allem Regenbogenfamilien mit Kindern, die Demonstration enttäuscht verließen.

Nicht minder verwundert zeigten sich einige über die thematische Dominanz des Israel-Gaza-Kriegs. »So eine Spaltung gab es früher gar nicht«, teilte eine Teilnehmerin der Jungle World mit. »Was hat das denn mit uns Lesben zu tun? Für mich gehört das Thema gar nicht hierher.« Andere schienen all das entweder nicht zu bemerken oder einfach zu ignorieren und tanzten fröhlich in den Kreuzberger Sonnenuntergang. Dass die israelsolidarischen Demonstrantinnen nur noch unter Polizeischutz sicher die Demonstration verlassen konnten, schien die meisten nicht zu kümmern.

Keshet Deutschland feierte »Pride Shabbat« 

Vorab hatte das Organisationsteam im Gespräch mit der Jungle World noch bekundet, dass man sich nicht spalten lassen wolle. Für die Spaltung sorgte es dann jedoch höchstselbst mit verschiedenen Stellungnahmen und Kommentaren. Zum Beispiel hatte das Organisationsteam angekündigt, der Dyke March richte sich »gegen Islamophobie, Siedlerkolonialismus, Genozid und Apartheid«. Und die fünf Frauen, die von ­einem Mob am Fundraising-Abend niedergebrüllt worden waren, dichtete es zu den eigentlichen Aggressorinnen um.

Das war einigen zuwider: Keshet Deutschland, der Verein jüdischer LGBT-Personen, feierte gleichzeitig und unweit der Demonstration ­einen »Pride Shabbat« in der Synagoge am Fraenkelufer, in Berlin-Schöneberg demonstrierten die »Lesben gegen rechts« ihre Solidarität mit jüdischem Leben in Deutschland.

Der mutmaßliche Messerangreifer wurde am nächsten Tag festgenommen – auf einem weiteren Event für queere Israelhasser, dem »Internationalistischen Queer ­Pride«.

Seinen traurigen Höhepunkt erreichte der Tag des Dyke March, als der Journalist Iman Sefati, der regelmäßig kritisch über antiisraelische Proteste und Islamisten berichtet, vor seiner Wohnung mit einem Messer bedroht wurde. Bereits auf dem Dyke March habe er bemerkt, dass er verfolgt werde, sagte er der Jüdischen Allgemeinen. Weil er derlei jedoch kennt, habe er sich nichts weiter dabei gedacht und sich auf den Nachhauseweg gemacht. Offenbar folgten ihm sein späterer Angreifer und eine weitere Person auch weiter. Augenzeugen berichteten, die beiden hätten Sefatis Wohnhaus ausgespäht.

Der Angreifer konnte in die Flucht geschlagen werden, ohne dass der Journalist verletzt wurde. Am darauffolgenden Tag wurde der mutmaßliche Täter festgenommen – auf einem weiteren Event für queere Israelhasser; nämlich dem »Internationalistischen Queer ­Pride«.