Freitag, 31.03.2017 / 09:56 Uhr

Atheist in Ägypten

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Seit längerem schon melden sie sich immer öfter zu Wort, auch wenn ihnen Verfolgung, Inhaftierung, gar die Todesstrafe droht, oder, wie im Falle des saudischen Bloggers Raif Badawi, sogar wöchentliche Peitschenhiebe: Die Atheisten und Agnostiker in Nordafrika und dem Nahen Osten.

Arab atheists are becoming more visible, largely due to social media. There is also a perception that their numbers are growing. In 2012 a poll by WIN/Gallup International that looked at religion in 57 countries caused particular alarm in Saudi Arabia, which, as the birthplace of Islam, claims to be the holiest of the Arab countries. Of those interviewed there, 19 per cent said they were not religious and 5 per cent described themselves as convinced atheists.

Einer, der aus seiner Überzeugung kein Hehl macht ist der Ägypter Sherif Gaber und deshalb muss er sich vor den Behörden auch verstecken, denn auch in Ägypten gilt Atheismus als Verbrechen.

Das Magazin Cairo Scene hat ihn kürzlich interviewt und Mena-Watch hat Teile des Interviews übersetzt:

'Wie bist Du zum Atheisten geworden? War das eine plötzliche Entscheidung oder ein langsamer Prozess?'

'Ich glaube, alles begann, als ich ein Video sah, in dem eine iranische Frau wegen ihrer Beziehung zu einem Christen zu Tode gesteinigt wurde. Das hat mein Leben auf den Kopf gestellt. Mir wurde allmählich klar, wie gefährlich Religionen sein können und wie sie das Töten und Foltern in verschiedenerlei Form im Namen Gottes rechtfertigen. Damals habe ich noch gebetet und ich habe beim Beten geweint, weil ich in meinem tiefsten Innern spürte, dass es niemanden gibt, der mich hört. Ich wollte so sehr, dass eine immaterielle Kraft mir diese Last von den Schultern nimmt. Ich war ‚ben narein‘, gefangen zwischen zwei Welten, und wusste nicht, wohin ich mich wenden sollte. Doch allmählich gab ich diese Hoffnung auf und beschloss, mich anständig zu verhalten und der beste Mensch zu sein, der ich auf eigene Faust sein kann, im Interesse nicht einer höheren Macht, sondern der Menschheit. Wer weiß, was danach kommt. (…)

"Als ich verhaftet wurde, setzten sie mich mit fünf Beamten in ein Zimmer, die mich andauernd dafür verfluchten, dass ich nicht an Gott glaube."  Sherif Gaber, ägyptischer Atheist

Sie fürchten sich nicht nur vor dem Atheismus, sondern vor jedem Gedanken, der von ihren abweicht. Aber ja, den Atheismus fürchten sie besonders. Als ich verhaftet wurde, setzten sie mich mit fünf Beamten in ein Zimmer, die mich andauernd dafür verfluchten, dass ich nicht an Gott glaube. Ich habe nie jemanden beleidigt, weil er oder sie religiös ist, also warum sollten die mich beleidigen? Ich kritisiere lediglich bestimmte Ideen, ich verweigere ihnen niemals den Respekt – und das, obwohl ich noch nicht einmal religiös bin. Insofern verwundert es schon, wenn religiöse Personen, die sich für bessere Menschen halten, so reagieren. Religion ist wie Heroin. Sie stiftet ein falsches Gefühl der Macht. Religiöse Menschen meinen, sie hätten das Recht, Menschen auf jede Weise, die ihnen angemessen erscheint, zu beleidigen, zu töten und zu foltern, weil sie damit angeblich Gott einen Gefallen tun.'

(Vergangenes Jahr erschien von einem anderen bekennenden Atheisten, Ali A. Rizvi, das lesenwerte Buch "The Atheist Muslim: A Journey from Religion to Reason".)