Dienstag, 04.04.2017 / 22:57 Uhr

Jenseits der roten Linie

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Alles spricht dafür, dass das syrische Regime heute erneut Giftgas gegen Zivilisten in der von Rebellen kontrollierten Provinz Idlib eingesetzt hat. Diesmal scheint es sich nicht um Chlorin, sondern Saringas zu handeln, eine Substanz, die das Regime eigentlich hätte vernichten müssen. Das jedenfalls sah der faule Chemiewaffendeal aus dem August 2013 vor.

Weit über fünfzig Tote soll es geben, viele von ihnen Kinder. Und so sah es nach dem Angriff aus.

Dazu schreibt Richard Herzinger:

Als Urheber der Untat kommt nur das syrische Regime infrage, das im Verbund mit der russischen Luftwaffe diese von Oppositionskräften gehaltene Region bombardiert. Die vermeintliche Bereitschaft des Assad-Regimes, seine Chemiewaffen abzugeben, hatte US-Präsident Barack Obama 2013 bewogen, auf Luftschläge gegen dessen Stellungen zu verzichten.

So wird in diesem grauenvollen Geschehen auch noch einmal das ganze Ausmaß des Versagens des Westens in Syrien versinnbildlicht. Dies umso mehr, als der Giftgasangriff nur wenige Tage nach der Erklärung des US-Außenministers Rex Tillerson erfolgte, über die Zukunft des Diktators Assad müssten „die Syrer selbst entscheiden“. (...)

Die syrische Katastrophe, in deren Verlauf bisher eine halbe Million Menschen getötet und die Hälfte der Bevölkerung vertrieben wurde, wird so zum Menetekel für den Niedergang des Westens als Garant einer auf humanitären Minimalstandards beruhenden internationalen Ordnung.

Die EU widersetzt sich zwar noch der amerikanischen Absolution für Assad, doch mit dem Ausscheren der transatlantischen Führungsmacht offenbart sich das ganze Ausmaß ihrer Ohnmacht und Einflusslosigkeit. Wegsehen und Heraushalten ist am Ende eben nicht nur keine moralisch, sondern auch keine politisch tragfähige Option.