Montag, 24.04.2017 / 10:29 Uhr

Manipulationen und Unregelmäßigkeiten bei der Wahl in der Türkei

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Bei den Wahlen in der Türkei am 16. April kam es zu massiven Unregelmäßigkeiten und Manipulationen und alles deutet darauf hin, dass jene Umfragen im Vorfeld des Referendums, die auf einen Sieg des Nein-Lagers ausgingen, richtig lagen:

Die Wahlbeobachter von Hayir ve Ötesi haben nun einen Zwischenbericht, in dem sie weitere Manipulationen am Wahltag auflisten. Die Gruppe hatte für ihre Beobachter eine App ("T3") entwickelt, in die sie die erhobenen Daten eingaben, die sich an der Urne ermitteln ließen. Zudem kontrollierten sie die Wähler- und Stimmlisten. Diese Daten werden nun mit den offiziellen Zahlen der YSK verglichen.

  • Laut YSK gab es 961 Wahlurnen, die ausschließlich Ja-Stimmen enthielten. In einem nächsten Schritt wollen die Aktivisten Wähler aus den betreffenden Bezirken kontaktieren um herauszufinden, ob diese tatsächlich nicht mit Nein gestimmt haben, und merken dazu an, dass es dort bei den vorherigen Wahlen stets signifikante Mengen an Stimmen für die Opposition gegeben hatte. Hinzu kommen zahlreiche Wahlurnen mit jeweils weniger als fünf Nein-Stimmen.
  • In mindestens zwei Bezirken (Urfa und Viransehir) tragen die Wählerlisten vom Wahltag dieselbe Signatur - was bedeutet, das ein und dieselbe Person die Zählung in unterschiedlichen Wahllokalen abgesegnet hat.
  • In 7048 Wahlurnen finden sich mehr Wahlzettel als es in den betreffenden Bezirken registrierte Wähler gibt. Das bestätigt Beobachtungen, nach denen Wahlzettel von außen eingebracht wurden oder Einzelpersonen mehrfach gestimmt haben.
  • Der Stempel, mit dem die Wähler am Wahltag ihre Entscheidung treffen sollten, trug den Text "Tercih" (Auswahl). Dennoch wurden unzählige Wahlzettel mit einem "Evet" (Ja)-Stempel gefunden. Dieser wurde bei vorherigen Wahlen verwendet und war offiziell am 16. April in keinem Wahllokal zu finden. Das ist ein Hinweis auf vorab gestempelte und von außen eingebrachte Stimmzettel. Trotzdem wurden diese als gültig gewertet.

Hayir ve Ötesi geht, wie auch andere Beobachter, von mindestens 2,5 Millionen manipulierten Stimmen aus und zieht aus diesen wie auch sämtlichen Entwicklungen vor der Abstimmung das Fazit, dass diese ungültig ist und nicht akzeptiert werden kann.

Angesichts dieser Erkenntnisse zeichnet sich ab, dass die Umfragen im Vorfeld der Wahl richtig lagen. Die Nein-Stimmen überwiegen deutlich. Und wäre der Wahlkampf frei und ohne staatliche Eingriffe geblieben, dann wäre das Ergebnis noch weit deutlicher ausgefallen - zuungunsten Erdogans.

Ganz offensichtlich kam es auch in Europa zu Wahlmanipulationen, wie das Beispiel Schweiz zeigt:

Wenn man die Stimmbeteiligung der türkischen Bevölkerung in der Schweiz bei den Wahlen und bei dieser Abstimmung betrachtet, ist festzustellen, dass sie zunahm, was nicht verwunderlich ist. Die erste Wahl fand im Sommer statt und die zweite entscheidende Wahl im November. Da sie auch als entscheidend betrachtet wurde, hat sie überall etwas mehr mobilisiert. Im Schnitt lag sie bei ca. 45%. Noch wichtiger war die Abstimmung über die Verfassungsrevision und konnte etwas mehr mobilisieren. Sowohl in Zürich als auch in Bern war die Stimmbeteiligung bei knapp unter 50%, eine Zahl ähnlich wie in Deutschland. Der absolute Überflieger war hingegen Genf mit einer Stimmbeteiligung von 83,14%.

Diese Zahl ist falsch und irreführend. Die Stimmbeteiligung der in der Schweiz ansässigen türkischen Staatsangehörigen dürfte sich in Genf nicht von den anderen Standorten unterscheiden und dürfte rund 49% betragen. In der Westschweiz, wo die HDP eine 57%- und die CHP eine 18% Partei sind, hätte man eine Ablehnung von mindestens 75% oder mehr erwarten können, wenn man die Ergebnisse der Wahlen im November 2015 in Betracht ziehen würde. Das Ergebnis von 55,3% Ja in Genf ist daher auf die Stimmen von Stimmbürgern aus Frankreich zurückzuführen, welche die Ergebnisse in der HDP-Hochburg Westschweiz und damit in der gesamten Schweiz völlig verfälscht haben. Somit stimmt die Aussage auch nicht, wonach 59,6% der in der Schweiz lebenden türkischen Staatsangehörigen den Verfassungsentwurf abgelehnt hätten. In Tat und Wahrheit dürfte diese Zahl bei rund 67% liegen.