Freitag, 23.06.2017 / 16:09 Uhr

Autoritarismus als Schwäche

Von
Von Ferdi Konun

Es ist immer wieder verwirrend, wenn manche Medien bei Recep Tayyip Erdoğan vom „starken Mann am Bosporus“ sprechen. Und das nur, weil er viel Macht auf sich vereinigt, hart gegen seine (am Boden liegende) Gegner vorgeht und von türkischer Größe schwadroniert. Denn eigentlich handelt es sich ja um einen ausgemachten Jammerlappen. Um einen, der ständig am Heulen ist, wie unfair er doch behandelt würde, um einen, dessen fragiles Ego sich vor Kritik so fürchtet, dass er alles zensieren und wegknasten muss, das ihn in die Verlegenheit bringen könnte, wirkliche Größe beweisen, also Widersprüche aushalten und sich der Kontroverse stellen zu müssen.

Ähnliches gilt auch für dessen Anhänger, die sich gerne als stark präsentieren, aber im Prinzip nichts anderes als charakterlose Heulsusen darstellen. Ständig sind sie überfordert und verfallen in Schnappatmung, sobald sie mit etwas abweichendem Verhalten und eigenständigen Persönlichkeiten konfrontiert sind. Deren Wunsch nach einer Homogenisierung von Gesellschaft und Politik folgt ja vor allem dem Eingeständnis, zu einfältig für eine eigene Meinung zu sein. Wer AKP-Anhängern zuhört, der kriegt das sogar explizit zu hören: Man habe ja keine Ahnung, aber der reis, der wird schon wissen, was los ist und was zu tun ist. Führer denk, wir folgen dir!

Interessant ist nun vor allem, dass selbst die Regierung gar keinen Hehl daraus macht, dass sie sich selbst und ihr „Volk“ für blödsinnig hält. Wenn sich diese überzeugten Dilettanten hinstellen und meinen, es könne nur einen Kapitän auf dem Schiff geben oder das mit der parlamentarischen Demokratie sei zu kompliziert, dann bringt das eben auch die Auffassung zum Ausdruck, dass die türkische Gesellschaft geistig zu beschränkt für Gewaltenteilung und produktive Debatten sei. Da fügt es sich nun auch blendend ein, wenn das Bildungsministerium verkündet, die Evolutionslehre werde aus dem Schulunterricht verbannt, weil diese „das Verständnis der Schüler übersteigt“.

Man kennt dies auch aus anderen autoritären Kontexten. Viktor Orbán etwa rechtfertigte sein Konzept der „illiberalen Demokratie“ einst damit, dass ein „halb-asiatisches“ Volk wie die Ungarn nicht so recht fähig für Demokratie sei und eine führende Hand benötige. Das ist rassistisch, aber gar nicht mal im Sinne einer Überlegenheitsideologie. Vielmehr ist damit das Bild eines defizitären, ja schwächlichen „Volks“ gezeichnet, das der Vormundschaft bedarf. Insofern legt die autoritäre Rechte ungewollt Zeugnis darüber ab, dass nicht Stärke, sondern Schwäche ihre hintergründige Kerneigenschaft ist. Man sollte ihrer Selbsttäuschung nicht auf den Leim gehen. Ihre Rhetorik der Stärke zu übernehmen, bedeutet sie stark zu machen.