Sonntag, 10.02.2019 / 23:18 Uhr

40 Jahre danach

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Zwei lesenswerte Artikel über den vierzigsten Jahrestag der islamischen Revolution im Iran, die sich mit der aktuellen Lage im Land befassen.

In der Wiener Zeitung schreibt Arno Tausch:

Fernab von den schönen Worten des interreligiösen Dialogs sehen die von Amnesty International und anderen Organisationen beschriebenen Realitäten im Iran leider aber gänzlich anders aus:

  • jährlich hunderte Hinrichtungen, auch minderjähriger Straftäter;
  • grausame Körperstrafen;
  • Verschwindenlassen von Oppositionellen;
  • Journalisten, Menschenrechtsaktivisten und andere werden willkürlich festgenommen und ohne faire Gerichtsverfahren verurteilt;
  • Folter und Misshandlungen in Gefängnissen;
  • starke Einschränkung der Meinungsäußerungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit durch die Behörden;
  • Seiten von Sozialen Medien werden immer wieder blockiert und kritische Medienunternehmen geschlossen;
  • Unterdrückung friedlicher Proteste;
  • Frauenrechte werden im Keim erstickt;
  • Diskriminierungen von Angehörigen ethnischer und religiöser Minderheiten;
  • LGBTI-Personen werden mit Elektroschocks "behandelt", um sie zu "heilen".

Globalisierung und Ungleichheit

Wie steht es nun mit der Wirtschaft im Gottesstaat? Der Iran hatte im Jahr 2017 ein geschätztes Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 447,7 Milliarden US-Dollar. Die iranische Wirtschaft liegt überwiegend (Schätzung zufolge zu etwa 70 bis 80 Prozent) in den Händen des Staates beziehungsweise religiöser Stiftungen. Seit der Revolution manifestieren sich immer stärkere Widersprüche im Iran. So sank zwar die Ungleichheit der Einkommen als Folge der Revolution, ist aber in den vergangenen Jahren wieder deutlich angestiegen. Daten des Instituts für Konjunkturforschung der ETH Zürich zeigen auf, dass die nach der Revolution gesunkene Globalisierung inzwischen wieder deutlich zugenommen hat. Letztlich wird das Regime wohl den Import von Ideen und Demokratie nicht unterbinden können.

Laut Daten der Weltbank, übertragen auf einen weltweit vergleichenden Index des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) von 0 bis 1, ist die Lebenserwartungsentwicklung im Iran nach der Revolution eingebrochen und hat sich erst gegen Mitte der 1980er Jahre erholt - seit Mitte der 1990er Jahre stagniert sie allerdings erneut im Vergleich zur Weltgesellschaft. Auch der Irak-Iran-Krieg 1980 bis 1988 zeigt hier seine desaströsen Effekte. Gleichzeitig zeigt die zusammengefasste Fertilitätsrate heute einen dramatischen Rückgang auf unter zwei Kinder pro Frau. Das heißt, dass bedeutende Veränderungen in den Wertmustern der iranischen Bevölkerung passieren, die auch aus dem "World Values Survey" ablesbar sind. So lehnen immer mehr Frauen im Iran eine hohe Kinderzahl ab.

Gibt es Chancen auf Wandel?

Der israelische Thinktank INSS hat profund analysiert, dass die Protestwelle, die im Dezember 2017 bis Jänner 2018 in dutzenden iranischen Städten ausgebrochen ist, den Keim des Wandels des Landes in sich trägt. Die von Globalisierung und Ungleichheit betroffene Bevölkerung protestiert; ihre Wertmuster sind nicht mehr die der 1970er Jahre. Dem Regime wird es immer schwerer fallen, all diese Menschen niederzuhalten und zu unterdrücken.

Die Fortsetzung der Proteste spiegelt die Intensität der Frustration in der Öffentlichkeit wider, die vor dem Hintergrund einer sich verschlechternden wirtschaftlichen Situation und der wachsenden Kluft zwischen der Öffentlichkeit und dem Regime gewachsen ist. Es ist also für die westeuropäische Politik und auch für unsere christlichen Kirchen die Zeit gekommen, sich mit der heraufkeimenden iranischen Opposition zu solidarisieren, statt noch - wie etwa das deutsche Außenamt - an Sternstunden der Diplomatie mit dem apokalyptischen Regime zu glauben.

Und bei Bloomberg hoffen sie auf eine neue Revolution und kritisieren die Politik Europas und der USA:

Meanwhile, as the state built by Khomeini is persecuting its citizens, it is enriching its leaders. In this regard the Islamic Republic today is not very different than the corrupt regime it replaced 40 years ago. The army’s Revolutionary Guard, for example, also functions as a kind of criminal syndicate, controlling large chunks of the country’s economy. The current supreme leader and Khomeini’s successor operates a slush fund worth tens of billions of dollars, according to a 2013 Reuters investigation, built in part on assets the state seized from Iranian citizens.

Many Iranians now realize that their leaders are corrupt and inept. Nationwide protests and strikes began in December 2017 and continue. Ordinary Iranians, at great personal risk, frequently register their dissatisfaction with their rulers in marches, with graffiti and on anonymous social media accounts. Iranians abroad, exiled by choice or by necessity, are beginning to plan for what comes next. Some dissidents are calling for a national referendum on the powers of the supreme leader.

No serious person believes Iran is a democracy. And yet it is still possible to hear, in some quarters of Brussels and Washington, pleasant nonsense about the contest of ideas between Iran’s moderates and hardliners. Javad Zarif, Iran’s foreign minister, still sits for fawning interviews and pretends to be the envoy of a free country.

It’s a con that goes back 40 years. On Feb. 16, 1979, the New York Times published a column by a professor of international law at Princeton. The depiction of Khomeini “as fanatical, reactionary and the bearer of crude prejudices,” he wrote, “seems certainly and happily false.” That op-ed was aptly titled, “Trusting Khomeini.”

Too many Western leaders continue to trust Khomeini’s successors. Even now, the European Union and former Secretary of State John Kerry are working to save the 2015 deal limiting Iran’s nuclear program. They believe the Iranian regime’s promise not to build a weapon when much of the agreement expires in less than 15 years.

The good news is that millions of Iranians no longer believe anything this regime says. They have endured the terror, deprivation and cruelty unleashed by the Islamic Revolution 40 years ago. The least Americans and Europeans can do is defend and support them and their struggle for a democratic revolution.