Dienstag, 12.02.2019 / 22:43 Uhr

Frauen am Golf haben die Schnauze voll

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Erst kürzlich machte die Geschichte der aus Saudi Arabien stammenden Rahaf Mohammed Schlagzeilen, die in Thailand um Asyl bat, abgelehnt wurde und dann doch nach Kanada ausreisen konnte. Mohammed ist keineswegs ein Einzelfall: Immer öfter versuchen Frauen aus den Golfstaaten zu fliehen, entweder weil ihre Familie sie gegen ihren Willen verheiraten wollen oder sie andere Repressionen fürchten. Die Zeiten im Nahen Osten ändern sich rasant und inzwischen wächst eine junge Generation heran, die sich immer öfter gegen erdrückende Traditionen auflehnt.

Rahaf Mohammed hat es vorgemacht, und unzählige Mädchen und Frauen am Golf würden ihr am liebsten morgen folgen.

Gerade ist ein weiterer Fall bekannt geworden. Die Republik Nordmazedonien hat den Asylantrag von Hind Albolooki, einer Frau aus den Arabischen Emiraten, abgelehnt. Ihr Wunsch lautete: „Ein normales Leben leben“. Aber das ließen die Behörden nicht als Asylgrund gelten.

Sie erklärte dazu:

„Ich bin nach Mazedonien gekommen, nachdem ich aus Dubai weggelaufen bin. Mein Vater, sein großer Bruder und mein Bruder haben gedroht, mir mein Leben zur Hölle zu machen, nur weil ich um eine Scheidung gebeten habe. (…) Ich bin die Mutter von vier Kindern. Keine Mutter will ihre Kinder auf diese Art verlassen. Aber ich musste sie verlassen, ich hatte keine andere Wahl.“

Waren es früher höchstens Prinzessinnen oder Mitglieder der Herrscherfamilien, die sich so dem Tugendterror zu Hause entzogen, mehren sich die Fälle ganz normaler Frauen, die es nicht mehr aushalten und die Flucht ergreifen. Jeder einzelne zeigt, wie prekär die Lage am Golf geworden ist.

Nach der geglückten Flucht von Rahaf Mohammed solidarisierten sich zehntausende Frauen in Saudi Arabien mit ihr und drohten, selbst das Land verlassen zu wollen, sollte sich nichts an ihrem Status ändern:

„In ganz Saudi-Arabien verlangen Frauen unter der Drohung, ins Ausland zu gehen, weitere Reformen ein, darunter das Ende des Systems männlicher Vormundschaft. Inspiriert werden sie von einer jungen Frau, die aus Angst davor, von ihrer Familie ermordet zu werden, aus dem Land geflohen ist und um Asyl (…) angesucht hat.

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(Bild: Saudische Fussballerinnen, Quelle: Aslan Media)

Obwohl Saudi-Arabien dafür berüchtigt ist, hart gegen abweichende Meinungen vorzugehen, ist in den vergangenen Tagen in den sozialen Medien des Landes ein arabisches Hashtag populär geworden, der übersetzt in etwa lautet: ‚Beseitigt das Vormundschaftssystem oder wir gehen‘.“

Derweil führt die saudische Regierung – skandalöser Weise mit freundlicher Unterstützung von Apple und Googleeine neue App ein, die es Männern erlaubt, online zu verfolgen, wo sich ihre Frauen, Töchter und Schwestern gerade aufhalten, um sie so besser unter Kontrolle halten zu können:

„Die Entscheidung von Apple, eine von der saudischen Regierung entwickelte App zuzulassen, die dem Zweck dient, Frauen zu überwachen und sie praktisch daran hindert, das Land illegal zu verlassen, wurde von einer Reihe von Menschenrechtsorganisationen kritisiert, weil sie dazu beitrage, im Land ‚Gender-Apartheid zu forcieren‘.

Nach saudischem Recht verfügen Frauen im Vergleich zu Männern über stark eingeschränkte Rechte und müssen einen männlichen Vormund haben, der beträchtliche Kontrolle über ihr Leben ausüben kann. Mit der App (…) können Männer diktieren, wieviel Reisen eine Frau unternehmen kann, wie lange sie reisen kann, welche Flughäfen sie nutzt, und ihr nach Gutdünken die Reiseerlaubnis entziehen. Darüber hinaus können die Bewegungen einer Frau auf Reise auf sehr effektive Weise verfolgt werden, indem Textnachrichten darüber informieren, wenn ein Pass verwendet wird.

Saudi-Arabien praktiziert ein derartiges System [der Vormundschaft] seit vielen Jahren, aber die App macht männlichen Vormunden die Überwachung und Einschränkung der Aktivitäten von Frauen viel einfacher.“

Rahaf Mohammed hat es vorgemacht, und unzählige Mädchen und Frauen am Golf würden ihr am liebsten morgen folgen. Da helfen Überwachungsapps bestenfalls kurzfristig.

Die Anwälte von Hind Albolooki haben inzwischen beim europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg geklagt, immerhin kann sie solange nicht nach Dubai abgeschoben werden. So bleibt zu hoffen, dass sich die Richter für sie entscheiden, damit sie sich ihren Wunsch, der zugleich der unzähliger Frauen am Golf ist, verwirklichen kann, in einer Gesellschaft zu leben, in der sie frei leben und arbeiten kann – etwas, das sie ihrer Heimat nicht möglich.

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch.