Samstag, 05.06.2021 / 09:11 Uhr

Prüfung nicht bestanden

Von
Deborah E. King

Bild: Pixabay

 

Die unlängst entdeckten Zitate des heutigen Head of Diversity von Google stellen ausgezeichnetes Quellenmaterial für kritische Forscher, die dieses Attribut verdienen, und auch für ein aufgeschlossenes allgemeines Publikum dar:

„Wenn ich ein Jude wäre, wäre ich beunruhigt über meinen unersättlichen Appetit für Krieg und Töten im Zuge meiner Verteidigung ...“

„Selbstverteidigung ist zweifelsohne ein Instinkt, aber ich hätte Angst vor meiner wachsenden Unempfindlichkeit gegenüber dem Leiden von anderen.”

„Leiden und Unterdrückung führen typischerweise zu Sympathie und Mitgefühl unter den Unterdrückten… Ich würde daraus schlussfolgern, dass mein jüdischer Glauben und die Geschichte meines Volkes mich menschlichem Mitgefühl näherbringen, näher an den Instinkt, Heilung für Verletzung, Geduld für Furcht und Verständnis für Verwirrung anzubieten.”

Denn sie zeigen wie antisemitische und rassistische Denkweisen, auch wenn beide nicht miteinander identisch sind, durchaus voneinander profitieren (bzw. - da das eine nicht gegen das andere aufzurechnen ist -  wie beide voneinander profitieren ohne miteinander identisch zu sein). Eine solche engstirnige Geisteshaltung weist jedem seinen eigenen Platz in der Geschichte zu und es wird von ihm erwartet sich abhängig davon zu verhalten, in welche Gruppe er hineingeboren wurde und mit welchen spezifischen Projektionen diese Gruppe belegt ist. Wenn Du Dich also nicht gemäß den entsprechenden Erwartungen verhältst, bist Du ein „schlechter Jude“, der nicht den Potentialen gerecht wird, welche seinem Stamm zugewiesen wurden. 

Mehr an Leiden vorzuziehen

Während diese Art von Einstellung (nennen wir den Geist dahinter  „Twisty“, denn er ist in der Tat ein verbogener) nicht nur jeder Vernunft entbehrt und in so vielerlei Hinsicht jeglichen Menschenverstand vermissen lässt, weist sie auch pathologische Züge auf: Denn wenn angenommen wird, dass Leiden den Menschen moralisch läutert, dann stellt es etwas dar, dem ein positiver Zweck - obgleich auch nur ex post - zugeschrieben werden kann. Wenn man also diesen Gedankengang noch ein wenig weiterverfolgt, dann kommt man zu dem Schluss, dass ein Mehr an Leiden gegenüber einem Weniger an Leiden de facto vorzuziehen sei, denn dies würde ja letztlich der moralischen Veredelung der Menschheit dienen. Aber warum dann überhaupt noch diese Juden kritisieren, welche die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt haben und anderen Leiden zufügen? Nun, Twisty würde erwidern, dass sie ihren Anteil an Erlittenem bereits hinter sich haben und dennoch durch ihre Abschlussprüfung in Moralität gerasselt sind. 

Sind wir nicht alle irgendwie Palästinenser?

Aber dennoch: Warum sollten sie noch kritisiert werden, denn immerhin fügen sie zumindest anderen (nennen wir diese Palästinenser, denn sind wir nicht alle irgendwie Palästinenser?) Leiden zu, welche dadurch zumindest ihre eigene Chance erhalten, moralisch veredelt aus ihrem Leiden hervorzugehen? Die Palästinenser hatten ihre Chance seit 54 Jahren (oder 72 Jahren, wenn man wirklich geradeheraus das Existenzrecht des jüdischen Staates leugnen möchte) und ihre moralische Bilanz war - um es diplomatisch wenn nicht gar ein wenig nachgiebig auszudrücken - recht durchwachsen. Aber bevor Twisty antworten kann, dass palästinensische Gewaltakte nur ein Ausdruck von Verzweiflung angesichts israelischer Gewalt sei, die moralischer Makellosigkeit (notabene einer ganzen Gruppe!) weichen werden, sobald der Würgegriff Israels einmal aussetzen sollte, sollte man seinen ursprünglichen Gedankengang aufgreifen und weiterdenken: Denn was wäre letzten Endes so schlecht an einem endlosen Kreislauf der Gewalt und Viktimisierung? Er würde doch nur das Potential für moralische Veredelung erhöhen, welche Voraussetzung für des Menschen Erlösung ist, die wiederum just um die Ecke auf all diejenigen wartet, die noch am Leben sind. Ergo sind endlose Ketten des Leidens, verübt von einer Gruppe von Leuten an der nächsten, keine so schlechte Sache, wie wir von Twisty gelernt haben. Gemäß dieser Logik (die eigentlich überhaupt keine solche sondern vielmehr deren Verfallsstadium ist) muss der Holocaust eine gigantische Bemühung gewesen sein, das Paradies herbeizuführen - nicht nur für die deutsche „Herrenrasse“ sondern in der ideologischen Variante des aktuellen Falls - für die Menschheit als Ganzes. Wenn nur die Juden ihren Job, „gute Opfer“ zu sein, erledigt hätten, statt andere um ihre Erlösung zu bringen. Wieder einmal haben sie alles ruiniert. So wie immer. 

Englische Fassung