Mittwoch, 13.10.2021 / 23:03 Uhr

Nach der Wahl im Irak

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Bildquelle: Jeffrey Sandstrum SPC

Hier ein kurzes Interview mit mir über den Ausgang der Wahlen im Irak:

Global Review: Wie beurteilen Sie die Wahlergebnisse im Irak, auch unter Hinsicht auf niedriger Wahlbeteiligung, Legitimität der Regierung und der Tatsache, dass der Islamist Muktadar El Sadr scheinbar Wahlsieger wurde?  Wie sind die Ergebnisse konkret ausgefallen und wer trat nicht an und boykottierte die Wahlen? Inwieweit werden die USA und Iran versuchen die Regierungsbildung zu beeinflussen und wer sind ihre präferierten Kandidaten? Ist eine neue Regierung unter el-Sadr eine Perspektive für etwaige Verbesserungen der irakischen Verhältnisse oder eher Teil des Problems?

Thomas von der Osten-Sacken: Das wichtigste Ergebnis dieser Wahlen scheint die extrem niedrige Wahlbeteiligung zu sein, die überwältigende Mehrheit, fast 60%, blieb den Urnen fern. Dies ist ein alarmierendes Zeichen angesichts sehr hoher Wahlbeteiligung bei den Urnengängen nach dem Sturz Saddam Husseins. Viele aus der Protestbewegung haben zum Boykott aufgerufen, ehemalige Reformparteien, wie Goran in Kurdistan, die inzwischen Teil des Establishments geworden sind, haben krachend verloren.

Dies ist ein klares Zeichen, dass die Mehrheit der Irakis keine Hoffnungen mehr in die regierenden Parteien legt. Natürlich haben dadurch diejenigen gewonnen, die ihre Anhängerschaft mobilisieren konnten, also vor allem der Sadr-Block und Nuri al-Maliki. Die ganz Iran treuen Parteien mit ihren gefürchteten Milizen dagegen haben ebenfalls Verluste hinnehmen müssen. Sadr ist eine Art Hybrid-Figur, er hat anfangs zum Beispiel die Protestbewegung unterstützt und nutz eine sehr nationalistische Sprache, die sich nicht nur gegen die USA sondern oft genug auch den Iran richtet. Zugleich unterhält er gute Beziehungen mit Teheran, gilt aber als viel weniger korrupt als die anderen Parteiführer. Bei den letzten Wahlen vor drei Jahren trat er ja sogar in einem Bündnis mit den Kommunisten an. Sicher kann man ihn als Islamisten bezeichnen aber er ist eine sehr schillernde Figur, die viele Elemente in sich vereinigt und eben nicht nur  ein Befehlsempfänger des Iran.

Interessant ist, dass, wo sie antraten, unabhängige Kandidaten sehr gut abschnitten. Auch die Parteien, die stark im sunnitischen Dreieck sind, haben gute Ergebnisse erzielt, was zeigt, dass dort, wo nach 2003 das neue System vehement abgelehnt und bekämpft wurde, sich ein Sinneswandel vollzogen hat.

Die USA wollen nur noch raus aus dem Nahen Osten, eigentlich spielt für sie nur noch der Kampf gegen den IS eine Rolle. Der Iran wird wie üblich versuchen so viel Einfluss wie möglich zu nehmen, aber diese Wahl ist auch eine, die zeigt, dass so viele Irakis diese Einmischung ablehnen und deshalb die Wahlen boykottiert haben. Die geringe Wahlbeteiligung wurde in ersten Statements verschiedener Politiker als Warnung verstanden, auch wenn deshalb nicht viel passieren dürfte. Dafür ist das politische Establishment zu korrupt. Ich denke, es wir wieder zu einer Regierung nach monatelangen Koalitionsverhandlungen kommen, in der eine Vielzahl von Parteien vertreten sein wird. Insgesamt werden diese Wahlen aber sehr wenig an der desolaten wirtschaftlichen und sozialen Lage im Land verändern