Samstag, 01.01.2022 / 15:42 Uhr

Rückblick: Die Drogengeschäfte der Hizbollah

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Von türkischen Behörden beschlagnahmtes Captagon aus Syrien, Bildquelle: Gaziantep Günes

Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass Syrien ein Narco-Staat geworden ist, der einen Großteil seiner Einnahmen aus dem Verkauf von Captagon erzielt.

Hierüber schrieb die New York Times im Dezember:

Built on the ashes of 10 years of war in Syria, an illegal drug industry run by powerful associates and relatives of President Bashar al-Assad has grown into a multibillion-dollar operation, eclipsing Syria’s legal exports and turning the country into the world’s newest narcostate.

Der Libanon, der seit nunmehr zwei Jahren am Rande des Kollapses steht, war das de facto schon vor zehn Jahren, betrachtet man die Hizbollah als das, was sie ist: Die wirkliche Macht im Land.

Vor  zehn Jahren erschien an dieser Stelle ein Artikel von Wahied Wahdat-Hagh:

"Die Hizbollah finanziert sich nicht nur mit Hilfe von Geldern aus dem Iran, sondern auch aus dem Drogengeschäft. Tarnkonten einer libanesischen Bank dienten nach Angaben der US-Behörden dazu, schmutzige Drogengelder zu waschen. Die Drogen, hauptsächlich Kokain, wurden und werden in den USA abgesetzt.

Aufgrund der Intervention der US-Behörden wurde einer der vielen Kanäle der zwielichtigen Geschäfte der libanesischen Hizbollah geschlossen. Die libanesische Bank, die als Lebanese Canadian Bank bekannt ist, diente über Jahre als eine Drehscheibe für die Geldwäsche. Ursprünglich war das Institut von der Royal Bank of Canada gegründet worden.

Auf Druck der USA wurden die Machenschaften dieser Bank beendet. Bis vor kurzem spielte die Lebanese Canadian Bank offenbar eine zentrale Rolle für das Drogengeschäft der libanesischen Hizbollah. Nun benutzt diese Terrororganisation andere libanesische Banken für ihre Drogen- und Waffengeschäfte. Laut New York Times haben leitende Mitarbeiter der Lebanese Canadian Bank direkte Verbindungen zur Hizbollah.

Viele Experten propagieren seit Jahren, dass die Hizbollah eine karitative islamische Organisation sei. Es gibt aber handfeste Beweise dafür, dass die libanesische Partei Gottes ihre Operationen auch mit Drogengeldern zahlt. Offenbar reicht das Geld, das die iranische Regierung an die Organisation zahlt, nicht aus. Anhand der offen gelegten Bankkonten der Hizbollah kann inzwischen nachgewiesen werden, dass diese Terrororganisation eine libanesische Bank als Drehscheibe für die Wäsche von Millionen Dollar benutzt hat.

Bisher wurde angenommen, dass die Anhänger der Hizbollah weltweit Millionen Dollar aus teils legalen, teils illegalen Geschäften in den Libanon transferiert haben. Es war auch bekannt, dass die „Islamische Republik Iran“ und Syrien jährlich rund 200 Millionen Dollar für die Hizbollah in den Libanon schicken. Nun ist bekannt geworden, dass die Hizbollah viel direkter in den Drogenhandel in Lateinamerika verstrickt ist als bisher angenommen.
Mitarbeiter der Lebanese Canadian Bank, die von der Hizbollah auf ihre Posten gehievt worden waren, haben gezielt Konten eröffnet, die dazu dienten, Millionen Dollar aus dem südamerikanischen Kokainhandel zu waschen. Die Hizbollah nutzte für die Geldwäsche über 200 getarnte Bankkonten. Die Gelder wurden willkürlich hin und her geschoben, um die Spuren des Geldes zu verwischen.

Eines der spektakulärsten Geschäfte in der Geschichte Libanons tätigte der Libanese Nazem Said Ahmad, berichtete die New York Times. Er kaufte ein riesiges Grundstück im christlichen Gebiet, das wichtig für die Militärstrategie der Hizbollah ist. Im Dienste der „Partei Gottes“ erwarb er Land im Wert von 240 Millionen Dollar von einem Christen namens Robert Mouawad. Nazem Said Ahmad ist mit Ali Tajeddine, einem früheren Hizbollah-Kommandeur, eng verwandt. Nazem Said Ahmad hatte sein Geld keineswegs durch fromme Geschäfte verdient, sondern er griff auf ein Tarnkonto der Hizbollah zurück. Die Gelder stammten aus dubiosen Diamanten- und Drogengeschäften.

Wie die Mafia stellt die Hizbollah im Libanon einen Staat im Staate dar. Doch anders als in Italien ist ihre Armee stärker als die nationale Armee. Ihre Macht wird durch den Drogenhandel stabilisiert. Laut dem Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung sind die Anhänger der Hizbollah weltweit im Drogenhandel tätig. Sie sind aktiv in Europa und in den USA, aber auch in Kolumbien, Venezuela, Brasilien, Paraguay, in Argentinien und in westafrikanischen Staaten wie Benin und Gambia.

Eine zentrale Figur im organisierten Drogenhandel ist Chekri Mahmoud Harb. Er hatte Verbindungen mit kolumbianischen Drogenkartellen und der mexikanischen Gang Los Zetas. Er sitzt inzwischen in den USA in Haft. Eine andere schillernde Figur ist Ayman Joumaa. Er ist noch auf freiem Fuß. Joumaa lebt im Libanon. Die USA haben seine Auslieferung beantragt, mit guten Gründen. Aber ein Auslieferungsabkommen zwischen dem Libanon und den USA existiert nicht.
Joumaa ist ein sunnitischer Muslim, der mit der Hizbollah eng zusammenarbeitet, beispielsweise mit Abu Abdallah. Dieser ist zuständig für die Drogen-Operationen der Hizbollah. Das eingesetzte Geld stammt teilweise aus dem Autogeschäft. Abu Abdallah leitet einen Ring von Mittelsmännern, die in den USA Autos kaufen und diese in Afrika wieder verkaufen. Die Gelder wurden bisher in der Lebanese Canadian Bank gewaschen und wieder im Drogen- und Waffenhandel eingesetzt. Heute dienen andere libanesische Banken solchen kriminellen Machenschaften.
Ein US-amerikanisches Gericht wirft Joumaa vor, nicht nur den Autohandel zwischen den USA und Afrika koordiniert, sondern auch Handel mit den berüchtigten mexikanischen Los Zetas organisiert zu haben. Die Los Zetas-Gang ist auf den Kokainhandel spezialisiert.

Die US-amerikanische Zeitung ProPublica hebt in einem Artikel hervor, dass die Aktivitäten der Hizbollah wie auch des iranischen Geheimdienstes in Lateinamerika besorgniserregend seien. Immerhin hat nach Angaben der US-Behörden der iranische Agent Mansoor Arbabsiar im Auftrag des iranischen Geheimdienstes einem mexikanischen Drogenkartell den Auftrag gegeben, den Botschafter Saudi-Arabiens in den USA zu töten. Der Auftrag an eine unpolitische Drogenmafia, die nur an Geld interessiert ist und keinen Mord scheut, schien dem iranischen Geheimdienst offenbar am ungefährlichsten zu sein.
Wie kompliziert und undurchsichtig die politischen Beziehungen beider Länder tatsächlich sind, zeigt die Tatsache, dass just am 14. Dezember 2011 der iranische Geheimdienstminister Haydar Maslahi seinen saudischen Kollegen Prinz Naif Ibn Abdel Aziz besuchte, um die entstandenen Probleme zwischen beiden Staaten zu lösen."

Wahied Wahdat-Hagh ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der European Foundation for Democracy (EFD).