Samstag, 19.03.2022 / 21:54 Uhr

Syrien elf Jahre nach Beginn der Massenproteste: Ein broken State

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Demonstration in Berlin, Bildquelle: DSI

Elf Jahre nach dem Beginn der Massenproteste gegen das Assad Regime sieht die Lage im Land katastrophal aus, wie dieser Artikel aus der taz zusammenfasst:

Das derzeitige Vorgehen der russischen Armee in der Ukraine dürfte bei vielen Sy­re­r:in­nen ein schmerzhaftes Déjà-vu auslösen. In Syrien erprobte Russland seine Kriegsstrategie, nutzte die geächteten Cluster- und Aerosolbomben, griff Zivilisten an und machte ganze Stadtviertel dem Erdboden gleich. Und obwohl die Kämpfe weitgehend abgeflaut sind, ist der Krieg nicht vorbei: Im September 2021 dokumentierte Human Rights Watch insgesamt 46 syrisch-russische Luft- und Bodenangriffe in der von Rebellen geführten Stadt Idlib. Mindestens 224 Zi­vi­lis­t*in­nen starben, 561 wurden verletzt. Vor elf Tagen starben bei einem israelischen Drohnenangriff auf Damaskus zwei Zivilisten.

Einige Städte – darunter die Altstadt Aleppos, die zum Unesco-Weltkulturerbe gehört – sind bis heute zerstört, rund 6,8 Millionen Menschen außer Landes geflüchtet – ein Drittel der Vorkriegsbevölkerung – und mindestens 350.000 Menschen getötet worden, wobei die Dunkelziffer wohl deutlich höher liegt.

Auch wirtschaftlich geht es Syrien schlecht

Auch die Wirtschaft des Landes liegt am Boden. Syrien gehört zu den 10 Ländern mit der größten Ernährungsunsicherheit weltweit, sagt Joyce Msuya, stellvertretende Koordinatorin für humanitäre Hilfe der UN. Das Welternährungsprogramm (WFP) berechnet, dass ein Standard-Nahrungsmittelkorb in Syrien derzeit umgerechnet etwa 90 US-Dollar kostet – der höchste Preis seit Beginn der Aufzeichnungen des WFP zu Syrien im Jahr 2013. Der Durchschnittslohn für ungelernte Arbeitskräfte liegt bei etwa 3,80 Dollar am Tag. Wer also jeden Tag arbeitet, kann sich am Ende des Monats davon theoretisch nur einen einzigen Warenkorb leisten.

Auch Bildung ist kein Garant für materielle Sicherheit: Ein junger Arzt, der anonym bleiben möchte, erzählt, dass er als Festangestellter in einem staatlichen Krankenhaus im Jahr 2020 monatlich umgerechnet etwa 15 bis 20 Euro Lohn bekommen habe. Die meisten staatlichen Angestellten verdienten ähnlich wenig, sagt er. Mittlerweile lebt er in Deutschland.

Nur Assad kann sich dieser Tage etwas freuen, zum ersten Mal seit über zehn Jahren wurde er von einem arabischen Staatschef empfangen:

Der syrische Präsident Bashar al-Assad ist am Freitag in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) gereist. Der Besuch war insofern bedeutsam, als es sich dabei um Assads erste Reise seit elf Jahren in ein arabisches Land handelt – seit Beginn des Aufstands in Syrien 2011 und dessen brutaler Niederschlagung durch das syrische Regime, die in einem jahrelangen Krieg mündeten.

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Zunächst wurde Assads Besuch in Dubai bei Scheich Mohammed bin Rashid Al Maktum gemeldet, dem Vizepräsidenten und Premier der VAE. Danach wurde der syrische Machthaber jedoch auch in Abu Dhabi vom de facto Herrscher der Emirate, Abu Dhabis Kronprinz Muhammad bin Zayed Al Nahyan empfangen, der für seinen amtsunfähigen Bruder regiert.

Mohammed bin Zayed bezeichnete Syrien als "fundamentale Säule für Sicherheit in der arabischen Welt": Jenen arabischen Staaten, die eine Normalisierung mit Syrien vorantreiben, geht es unter anderem darum, Assads Allianz mit Teheran zu schwächen. Nach dem Besuch differierten die Statements der emiratischen Nachrichtenagentur WAM und der syrischen SANA in einem entscheidenden Punkt: Während laut den VAE ein Rückzug "der ausländischen Kräfte" aus Syrien wünschenswert sei, sprach die syrische Nachrichtenagentur nur von ausländischen Kräften, die ohne Einladung von Damaskus im Syrien sind. Da wären Russland, Iran und die vom Iran gesteuerten ausländischen Milizen wie die schiitische Hisbollah, implizit ausgeschlossen.