Donnerstag, 15.09.2022 / 22:16 Uhr

documenta 15: Nicht nur belangloser Müll

Von
Deborah E. King

Kein Müll: Plastik in einem Recycling Center im Irak, Bild: Thomas v. der Osten-Sacken

Das Barbarische an der documenta 15 besteht nicht in dem einen oder anderen antisemitische Werk, welches dort ausgestellt wird oder wurde, sondern in der Unbekümmertheit, mit der die anderen Künstler, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, welche von ihrer Möglichkeit zum Rückzug, zum Protest oder zur Provokation Gebrauch machten, ihre Arbeiten dort weiterhin zur Schau gestellt haben.

So als handele es sich bei den judenfeindlichen Stücken, die neben ihren eigenen ausgestellt waren - und das ist noch die wohlwollendste Interpretation - um bloße Ärgernisse, zu denen sie sich jedoch selbst nicht zu verhalten bräuchten, wodurch sie sich gerade eben doch dazu verhielten: Sie schrieben damit - jeder für sich (und nicht etwa alle gemeinsam als Kollektiv) - ihr eigenes kleines „Gedicht“ - nach Auschwitz.

Diese Kunst als belanglosen Müll zu bezeichnen - denn was für eine Qualität kann sie angesichts der Tatsache, dass auch das Äußerste sie nicht anzufechten vermag, für sich beanspruchen? - wäre derweil ebenso falsch: denn dies würde ihre Komplizenschaft, die Schuld, die der sich selbst als unschuldig begreifenden Kunst zwangsläufig innewohnt, banalisieren.