Das neue Entgelttransparenzgesetz nützt wenig beim Kampf gegen Lohnungleichheit

Transparenz statt Gleichheit

Seite 2 – Gewerkschaften fordern ein »Lohngerechtigkeitsgesetz«

Selbst wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, haben Arbeit­geber zahlreiche Möglichkeiten, die Auskunft zu verweigern. Sie können den Antrag beispielsweise ablehnen, wenn die Vergleichspersonen ihrer Einschätzung nach keine gleichwertigen Tätigkeiten ausüben. Wer dennoch auf einer Auskunft beharrt, muss ein Arbeitsgericht bemühen – ein Unterfangen, das viele scheuen dürften.

»Ein Auskunftsbegehren bringt die betroffenen Frauen immer in eine schwierige Situation. Entweder sie unterstellen ihrem Arbeitgeber, der jetzt mal reinen Gewissens seine Gehaltsstrukturen ausgestaltet hat, indirekt Entgeltdiskriminierung und bringen damit auch eventuell ungerechtfertigtes Misstrauen zum Ausdruck«, sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Hannack im Deutschlandfunk. Oder sie legten tatsächlich eine Entgeltdiskriminierung offen, könnten dann aber nicht wirksam dagegen vorgehen. »An der Stelle lässt das Gesetz die Frauen im Regen stehen«, so Hannack.

Tatsächlich sind Frauen, die erfahren wollen, ob sie benachteiligt werden, auf sich selbst gestellt. In Unternehmen mit Betriebsrat haben sie zwar die Möglichkeit, über die Interessenvertretung einen anonymisierten Auskunftsantrag zu stellen, in Betrieben ohne entsprechendes Gremium ist ein anonymer Antrag aber nicht möglich. In ­Firmen ohne Betriebsrat dürfte die Angst, als Querulantin zu gelten oder gar den Arbeitsplatz zu verlieren, die von Arbeitgeberverbänden befürchtete Antragsflut in Grenzen halten. Gerade in Unternehmen ohne betriebliche Interessenvertretung ist die Entgeltdis­kriminierung jedoch am stärksten. Das Gesetz sieht zudem kein Verbands­klagerecht vor. Weder Betriebsräte noch Gewerkschaften können auf Grundlage des neuen Entgelttransparenzgesetzes gegen Lohndiskriminierung vorgehen.

Doch auch individuelle Klagen sind in dem neuen Gesetz nicht vorgesehen. Es regelt ausschließlich die Auskunftspflicht des Unternehmens. Strafen für ungleiche Bezahlung oder Maßnahmen zur Anpassung der Gehälter sind nicht enthalten. So haben Frauen zwar künftig unter Umständen die Möglichkeit zu erfahren, ob und wie viel sie weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen; im Gegensatz zum ­ursprünglich geplanten Entgeltgleichheitsgesetz bieten die nun geltenden Vorschriften jedoch keine Handhabe, um gegen Missstände vorzugehen. Das Entgelttransparenzgesetz werde »allerhöchstens als erster Schritt« dazu beitragen, »mehr Transparenz in ­Bezug auf die Gehaltsstruktur in den Betrieben und Verwaltungen« zu er­halten, so Hannack. Der Lohnvergleich könnte es Frauen jedoch künftig einfacher machen, eine Klage nach dem Gleichbehandlungsgesetz zu führen.

Den Gewerkschaften reicht das bei weitem nicht aus. Sie fordern stattdessen ein »Lohngerechtigkeitsgesetz«, das alle Betriebe ­umfasst und das zudem auch Verbänden und Gewerkschaften die Möglichkeit bietet, rechtlich gegen Lohnungleichbehandlung vorzugehen. Betriebe und Verwaltungen sollen nach Ansicht von Gewerkschaftern dazu verpflichtet werden, ihre Gehalts­strukturen mit verbindlichen Verfahren zu überprüfen und Lohndiskriminierungen zu beseitigen. Es ist allerdings zu bezweifeln, dass eine neuerliche Große Koalition ein Entgeltgleichheitsgesetz beschließen wird, das tatsächlich dazu beiträgt, die Lohn­unterschiede zwischen Männern und Frauen zu verringern. Doch ausgerechnet für ein Regierungsbündnis aus SPD und CDU/CSU setzt sich der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann mittlerweile ein.