Frau Professor La Rose im Gespräch über die queere Burlesqueshow »Club Burlesque Brutal«

»Die Bühne als sexualisiertes Performancefeld«

Frau Professor La Rose ist die Gründerin, Moderatorin und eine Performerin des »Club Burlesque Brutal«, der seit mehr als zwei Jahren queere Burlesqueshows darbietet. Zusammen mit den Performerinnen Miss Bourbon, Cunt, Miss Kottlett, Madame Don Chanel, Frau Dr. Sourial und Rosebutt ist Frau Professor La Rose am 24. November im Berliner SO36 zu sehen. Sie lebt sonst als Katrina Daschner in Wien und ist bildende Künstlerin. Jungle World sprach mit ihr über Burlesque zwischen Show und Selbstermächtigung.
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Was ist Ihre persönliche Motivation für Burlesque?
Ein Hauptthema vieler meiner künstlerischen Arbeiten sind Macht und Sexualität, auch wenn nicht immer die Komponente der Lust im Vordergrund steht. Bei Burlesque machen mir die Unterhaltung, die Lockerheit und Kurzlebigkeit Spaß. Im Gegensatz zu anderen Projekten gibt es das Bedürfnis, das Publikum gewissermaßen zu »befriedigen«. Im Unterschied zu einem Konzert ist das Publikum viel mehr Teil der gesamten Show und kleidet sich auch speziell dafür.
Was bedeutet Burlesque als Ausdrucksform für Ihre Gruppe?
Für uns ist das eine politische und sehr sexualisierte Unterhaltungsform.
Was genau versuchen Sie politisch zu vermitteln?
Weil wir eine Gruppe aus verschiedenen Künstlerinnen sind, die auch unterschiedliche Hintergründe haben, kann ich das nicht allgemein sagen. Es geht sicherlich um die Darstellung von lesbisch-queerer Lust, darum, die Bühne als sexualisiertes Performancefeld zu begreifen, auf dem Lust verhandelt wird und gleichzeitig stattfindet. Inwiefern das politisch ist, hängt von unseren Persönlichkeiten ab, davon, wen wir auf der Bühne darstellen und wie das Publikum sich verhält. Die meisten von uns würden sich als queere Fem­mes bezeichnen und das Publikum ist, zumindest in Wien, ein sehr queeres Publikum. Insofern ist der ganze Diskurs zu Körperlichkeiten und Begehren stark vor diesem Hintergrund zu lesen.
Geht es auch darum, gesellschaftliche Normen wie Körpernormen aufzubrechen?
Auf jeden Fall. Auch wenn ich nicht sagen würde, dass es das primäre Ziel ist, sich immer wieder in Bezug zu Normen zu stellen. Wir wollen stark bei unseren eigenen Darstellungen und Vorstellungen von Körperlichkeit und Gender bleiben. Wir wurden in anderen Interviews gefragt, wie wichtig es sei, dass wir nicht die »klassischen« Körpermaße haben. Wir denken aber nicht: »Ich bin dick oder dürr und das ist jetzt der Grund, warum ich mich auf diese Burlesquebühne stelle.« Unsere Auftritte haben diesbezüglich eine viel größere Selbstverständlichkeit.
Schon in der frühen Burlesque Ende des 19. Jahrhunderts in den USA traten Frauen in Hosen bzw. Männerkleidung auf. Sehen Sie Ihren queeren Anspruch in dieser Tradition?
Auf jeden Fall in dem Sinne, dass bei den frühen Burlesqueshows nicht nur das Strippen und »Teasing« im Vordergrund stand, sondern auch Sprache eine sehr große Bedeutung hatte. Bei uns kündigt die Moderation nicht nur die einzelnen Nummern an, sondern verhandelt auch diverse Dinge, die sich um das jeweilige Thema herumspinnen, im Sinne von Stand-up-Comedy.
In der klassischen Burlesque sind ursprünglich immer Frauen aufgetreten. Auch in Ihrer Gruppe gibt es nur Femmes. Hat das einen bestimmten Grund?
Nicht alle von uns würden sagen, dass sie queere Femmes sind. Manche sehen sich eher als »dragqueens with a pussy«. In den vergangenen Jahren standen einige von uns in Dragkingshows immer nur im Publikum. Jetzt gehört die Bühne uns. Es geht uns oft um die Rolle der Diva, wie man sie aus den Filmen der dreißiger und vierziger Jahre kennt, als Burlesque eine Hochphase hatte. In den Achtzigern wurde die Diva ja von Dragqueens zurückerobert, und nun sind wir dran.
Wie gehen Sie damit um, dass Frauen im Film, auf der Bühne, aber auch im Alltag zum Lustobjekt degradiert werden?
Bei Burlesque ist es letztlich auch nicht anders als beispielweise bei einer schwarzen monochromen Fläche in der bildenden Kunst: Es kommt immer darauf an, wer etwas macht und in welchem Kontext oder Diskurs es angeschaut wird. Daraus generiert sich der Inhalt. Das ist in unserem Fall vielleicht auffallender, weil es sich um Körperlichkeit und Sexualität handelt. Darum laden wir ausdrücklich ein queeres Publikum ein.
Ihre Shows haben unterschiedliche Titel und Themen, wie »Medikamentös« oder »Zum Diktat bitte!« Was muss man sich darunter vorstellen?
»Medikamentös« umfasste ein sehr großes Themengebiet, von Drogen bis Psychotherapie. Es wurden Themen wie der Zugriff auf Körper durch die Medizin oder die Vorstellungen von Krankheit und Normalität behandelt. Bei »Zum Diktat bitte!« stand eher das visuelle Spiel mit Uniformen im Vordergrund.
Die Inszenierungen reichen von Märchen bis BDSM. Wie finden Sie die Settings für Ihre Performances?
Unsere Inszenierungen hängen stark mit den individuellen Begehrens- und Lustvorstellungen der Performerinnen zusammen und reichen teilweise auch in den Playgame-Bereich. Das unterscheidet unsere Show auch sehr von gängigen Burlesqueshows.
Was heißt Playgame genau?
Das bedeutet, dass der Auftritt nicht nur gespielt ist. Der Charakter der Frau Professor La Rose, den ich verkörpere, hat zum Beispiel einen Kerzen­fetisch. Sie würde also nicht nur so tun, als ob sie sich eine Kerze reinsteckt, sondern macht das dann natürlich auch.
Wie ist die Interaktion mit dem Publikum?
In Wien wird das Publikum immer aktiver: Leute schreien dazwischen oder rufen uns etwas zu und daraus ergibt sich ein spontanes Spiel. Insgesamt haben wir ein recht ekstatisches Publikum. Darum geht es auch bei Burlesque. Ich mache zu Beginn der Vorstellung auch klar, dass es erwünscht ist, sich aufzuführen, mit Sachen zu werfen oder reinzurufen.
Früher war Burlesque für einfache Leute, für die Arbeiterklasse angelegt. Würden Sie Ihre Show als Abgrenzung zur Hochkultur ansehen?
Unsere Show hat lautstärkemäßig mehr mit einem Fußballstadion zu tun als mit einem Staatstheater. Aber die Menschen bewegen sich heute sowieso nahtlos zwischen Hoch- und Subkultur, und eine Einteilung ist schwierig.
Der Club Burlesque Brutal tritt seit mehr als zwei Jahren auf. Wie haben sich die Arbeit und das Publikum verändert?
Die Performances entsprachen am Anfang noch eher einer Vorstellung von »klassischer« Burlesque, aber mit der Zeit haben wir immer mehr an einer Idee von Burlesque auch jenseits von Federfächer und Korsett gearbeitet. Zum Teil sind die Performances sehr minimalistisch. Es werden etwa Figuren aus dem triadischen Ballett in Kombination mit Klaus Nomi gezeigt. Eine Performerin tritt als der Gestiefelte Kater mit einem drei Meter langen Pelzschwanz auf, aus dem sie weiße Federboas zieht, sie sozusagen abspritzt.
Ein Merkmal der Neo-Burlesque ist es, dass die Frauen ihre Auftritte selbst inszenieren. Wie ist das bei Ihnen?
Für uns wäre es absolut unvorstellbar, die Show von jemand anderem produzieren zu lassen. Ein großer Teil davon hat direkt mit der Person zu tun oder mit dem Charakter, den sie performt. Im Unterschied zu Revueshows waren Burlesqueshows schon immer selbstproduziert. Mae West oder Josephine Baker haben sich natürlich ihre Aufführung selbst ausgedacht und sich nicht vorschreiben lassen, wo sie das Bein zu heben haben.
Sehen Sie sich selbst in der Tradition des queeren Do It Yourself (DIY)?
Wir haben das große Glück, auch in Theatern aufzutreten, in denen uns Licht- und Tontechnik zur Verfügung gestellt werden. Die Entwicklung der einzelnen Aufführungen steht aber auf jeden Fall im DIY-Kontext. Allerdings gehört DIY untrennbar zur künstlerischen Realität: Als Künstlerin entwickelt man logischerweise Projekte selbst.