Wohin mit Peer Steinbrück? Ratschläge an die SPD

Oh Herr, erlöse uns

Seit die SPD die K-Frage geklärt und Peer Steinbrück zum Herausforderer von Angela Merkel gekürt hat, wird die Partei von Angst und Schrecken erfasst. Die Jungle World fragte Autorinnen und Autoren, welche Maßnahmen geeignet wären, die altehrwürdige Arbeiterpartei von diesen unerquicklichen Gefühlswallungen zu erlösen.

Briefkopfköpfung
von Regina Stötzel
Er schmiedete Pläne mit dem berüchtigten »Hessen-Hitler« und adelte Jürgen Rüttgers (CDU) durch seine bloße Existenz zum Arbeiterführer, er wirkte mit beim großen Bevölkerungsverarmungsprogramm und verhöhnte anschließend die tief Gesunkenen, sie müssten eben »auf eine Urlaubsreise verzichten, um für später vorzusorgen«. So wurde Peer Steinbrück Kanzlerkandidat der SPD. Um ihn wieder loszuwerden, ohne sich die Finger schmutzig zu machen, muss man ihm schon etwas wirklich Schlimmes anhängen: die Besudelung des ministeriellen Briefkopfes.
Ein Versuch vor wenigen Monaten gab Hoffnung, doch ach, sie wurde enttäuscht. Enthüllt zum falschen Zeitpunkt (Steinbrück war noch nicht Kanzlerkandidat) von den falschen Akteuren (Focus), war das Anliegen des damaligen Finanzministers nicht einmal empörend genug (Schach-WM in Bonn). Im Übrigen rückten die angeschriebenen Unternehmen die von Steinbrück angeforderten Millionen auch gar nicht heraus, mit denen sich ein Russe (Wladimir Kramnik) und ein Computer (»Deep Fritz«) vergnügen sollten. Doch zum richtigen Zeitpunkt (heiße Wahlkampfphase) von den Richtigen ans Licht gebracht (Leyendecker), könnte ein solches Vergehen Wunder wirken, wären nur die Sponsoren die ärgsten Staatsfeinde (Putin, Schweizer Banken, Florida-Rolf) und die Anliegen die niederträchtigsten, die man sich hierzulande nur vorstellen kann (teure Geschenke für eine Linksextremistin, U-Boote für Israel, Verkehrsberuhigung auf deutschen Autobahnen). Überweisungsbelege nicht vergessen und – schwupps – ist er weg.

Die Fettnapf­verschwörung
von Svenna Triebler
August 2013: Während Andrea Nahles beim Gedanken an den angehenden Bundestagswahlverlierer Peer Steinbrück immer häufiger die Worte »Es wie einen Unfall aussehen lassen« durch den Kopf gehen, erreicht ein anonymer Hinweis die SPD-Parteizentrale: Man möge Steinbrücks Redehonorarliste doch noch mal genau unter die Lupe nehmen. Tatsächlich findet sich dort eine großzügige Entlohnung für einen Vortrag, den der Noch-nicht-Kanzlerkandidat im Sommer 2012 vor der gemeinnützigen Stiftung »Fettnäpfchen für die Welt« gehalten haben soll. Nachforschungen ergeben, dass eine Organisation dieses Namens gar nicht existiert.
Die politische Bombe geht in eine unerwartete Richtung los, als sich politische Insider – gerüchteweise aus dem Großraum München – an die Medien wenden. Sie enthüllen, dass die 100 000 Euro, die Steinbrück von der »Stiftung« erhalten habe, aus den Schwarzen Kassen stammen, die Helmut Kohl einst wohlgeordnet an keine Geringere als Angela Merkel übergeben habe (womit er sich den lebenslangen Hass des übergangenen Wolfgang Schäuble zuzog). Steinbrücks Gegenleistung habe darin bestanden, jegliche noch so winzige Chance der SPD auf einen Wahlsieg zunichtezumachen.
Das bringt die Endphase des Wahlkampfs natürlich ein wenig durcheinander. Merkel versucht noch, die Affäre trotz sich rasant verschlechternder Umfragewerte auszusitzen; sie baut darauf, dass die nunmehr kandidatenlose SPD ja auch nicht gerade besser dasteht. Doch zwei Wochen vor der Wahl präsentieren die Genossen einen Überraschungskandidaten, von dem sie sicher wissen, dass seine Beliebtheit bei den Wählern ungebrochen ist. (Was sie nicht wissen, ist, dass es sich gleichzeitig um denjenigen handelt, der die ganze Geschichte von Anfang an eingefädelt hat und dann gezielt auffliegen ließ.) Am 22. September 2013 erringt die SPD mit 60 Prozent der Stimmen den höchsten Wahlsieg ihrer Geschichte, wenige Wochen später ernennt der Bundespräsident den neunten Kanzler der Bundesrepublik, Helmut Schmidt.

Sail tonight for Singapore
von Christian Y. Schmidt
Die SPD verschickt Peer Steinbrück nach Singapur. In dem Stadtstaat verdient der Premierminister Lee Hsien Loong umgerechnet rund 1,4 Millionen Euro pro Jahr. Damit ist Lee der bestverdienende gewählte Regierungschef der Welt; im Vergleich zu ihm arbeitet selbst der amerikanische Präsident (400 000 US-Dollar) für ein Trinkgeld. Begründet wird das hohe Gehalt übrigens mit dem Steinbrückschen Argument, dass unterbezahlte Politiker in die Wirtschaft abwanderten und auch sonst nicht so gut funktionierten. Lee Kuan Yew, Ex-Premier von Singapur sowie Vater des amtierenden Regierungschefs, hat das wiederholt betont: »Um fähige, engagierte und integere Männer und Frauen (für die Politik) zu finden (…), dürfen wir unsere Minister nicht unterbezahlen und damit argumentieren, ihre einzige Belohnung solle sein, sich um das öffentliche Wohl verdient zu machen.«
Lee Kuan Yew ist zudem der beste Kumpel von Steinbrücks Mentor Helmut Schmidt. Da Singapur bei guter Führung auch zügig einbürgert, wird sich dort sicher sehr bald ein schöner politischer Posten für Steinbrück finden lassen. Immerhin regiert die Partei der beiden Lees, die People’s Action Party, ohne Unterbrechung und mit ein paar Tricks (Knast für politische Gegner, Verleumdungsklagen usw.) bereits seit 53 Jahren.
Um zu lernen, wie das geht, holt sich die SPD im Gegenzug für die Steinbrück-Abnahme einen PAP-Wahlkampfmanager aus Singapur. Der sorgt als erstes dafür, dass die SPD ihren alten Stinkenamen ablegt und sich umbenennt: in Sparkassenpartei Deutschlands zum Beispiel. Nur mit einem glaubwürdigen, die Massen mobilisierenden neuen Spitzenkandidaten wird die Partei weiterhin Probleme haben. Am besten importiert man dafür irgendjemanden aus Nordkorea.

Er ist ein Star
von Heiko Werning
Machen wir uns nichts vor: Es gibt für die SPD nur eine seriöse und selbst mit den intellektuellen Fähigkeiten von Sozialdemokraten von der Komplexität her noch zu bewältigende Lösung des Steinbrück-Problems. Er ist ein Star, holt ihn da raus! Peer muss ins Dschungelcamp! Viele SPD-Wähler würden den Kandidaten auf diese Weise überhaupt erstmals zu Gesicht bekommen. Und nur so könnte er überzeugend den Ruch des Millionärsschnösels abstreifen, sich in authentisch schweißgesättigter Atmosphäre bewähren und zeigen, dass er nicht nur mit Sparkassenvorständen umgehen kann, sondern auch mit anderen Gewohnheitskriminellen und Wahnsinnigen. Jemandem, der widerspruchslos Kakerlaken und Känguruhoden verschlingt, würde man vielleicht auch zutrauen, einigermaßen ekelfrei mit Sigmar Gabriel zusammenzuarbeiten, wer erwiesenermaßen jede Form von Glibber schluckt, kann zur Not auch mit FDP-Politikern koalieren, und wer sich angesichts der weiblichen Reize von Vorabendserien-Starlets und Ex-Playboy-Models bewährt, könnte es auch mit Katrin Göring-Eckhardt oder Angela Merkel aufnehmen. Wenn er das alles schafft, dann soll er auch eine Chance als Kanzler bekommen. Wenn nicht, wäre das Entsorgungsproblem andererseits wahrscheinlich gleich zufriedenstellend gelöst. Denn wenn Steinbrück, dem nachgesagt wird, dass er sich vor jeder Art von Tieren ekele, im »Boot des Grauens« von Rautenpythons umschlängelt vor Ekel den Löffel abgibt – das hätte schon was. Da würde sich selbst Uwe Barschel vor Neid noch einmal in der Wanne umdrehen.

Das magische V-Wort
von Leo Fischer
Steinbrück loswerden? Das schafft die SPD nicht allein! Nein, Mutti muss helfen; Merkel höchstselbst müsste Steinbrück, über alle Parteigrenzen und Konflikte hinweg, jetzt ihr Vertrauen aussprechen, uneingeschränkt. Egal, ob Guttenberg, Christian Wulff oder Norbert Röttgen: Wann immer die Kanzlerin das magische V-Wort in den Mund nahm, war der dergestalt Umarmte wenige Wochen später komplett weg vom Fenster. Niemand überlebt Merkels Vertrauen, den Judaskuss der Berliner Politik, nur vergleichbar dem Seidenschal, den chinesische Kaiser ihren in Ungnade gefallenen Höflingen schickten, damit diese sich höflicherweise an ebenjenem aufhingen. Und hätte Merkel nicht allen Grund, Steinbrück zu vertrauen? In der Großen Koalition arbeiteten beide bekanntlich »vertrauensvoll« zusammen, so repetierte es unlängst auch Regierungssprecher Steffen Seibert; nicht ein böses Wort über die Chefin kam ihm in jener Zeit über die Lippen, und oft genug wurde ihre mimische Verwandtschaft betont – united in Sauertopf.
Das einzige Problem: Wie kriegt man Merkel so weit, wie lässt sie den Mann, den sie schon längst als künftigen Arbeitsminister verbucht hat, doch noch fallen? Könnte eventuell eine geschickt lancierte Geschichte über häusliche Gewalt die Kanzlerin zur Vertrauensfrage zwingen? »Gertrud Steinbrück: Peer schlug mich immer wieder! (beim Schach)« oder »Steinbrücks Kinder klagen an: Wir mussten für seine Vorträge auch noch zahlen!« – bei solchen Schlagzeilen wäre Merkel gezwungen, ihrem alten Spezl den Rücken zu stärken.

In die erste Reihe
von Thomas Blum
Nun mag der eine oder andere vielleicht den Peer Steinbrück, den Mann mit der »beliebten Leichenbittermiene« (Leo Fischer), vorschnell aus der SPD entfernen oder gar ganz beseitigen wollen, weil er entgegen den Absprachen schon wieder was gesagt hat. Doch andersherum wird ein Schuh daraus! In Deutschland hat seit jeher alles seinen festen, angestammten Platz: Das Mettwurstbrötchen gehört in den Mund. Eitergetränkte Mullbinden gehören in die Sondermüllverbrennungsanlage. Und Peer Steinbrück gehört in die SPD. Warum sollte die Partei ihn loswerden wollen? Hat man etwa je davon gehört, dass man in einem Schlachthaus das beste Bolzenschussgerät wegwirft? Die Antwort lautet: nein.
Erstrebenswert ist etwas ganz anderes: Der Mann muss Kanzler werden, weil Deutschland Strafe verdient hat. Großbritannien hat Irvine Welsh und Dizzee Rascal. Unser Land hat Günter Grass und Bushido. Das sollte nicht nur Beweis genug dafür sein, dass es in der Welt weitaus gerechter zugeht, als so mancher denkt, sondern auch Ansporn, das bewährte deutsche Prinzip, den Vollhorst immer ganz vorne hinzustellen, auch erfolgreich auf die Politik zu übertragen.
In einem Land, in dem ein Furunkel Chefredakteur eines großen Boulevardblatts wird, sollte auch ein sprechender Aktenschrank mit satten Nebeneinkünften die Richtlinien der Politik bestimmen. Anders gesagt: Ordnung ist das halbe Leben. Damit es mit der Kanzlerschaft aber auch wirklich klappt, wäre Peer Steinbrück gut beraten, sich im Wahlkampf künftig wieder mehr auf die Wünsche der ganz normalen deutschen Bevölkerung zu konzentrieren, also nicht länger unnötig zu polarisieren, sondern Forderungen zu stellen, die traditionell von allen Deutschen geteilt werden:

1. Das Bier muss billiger werden und der Fußball besser.
2. Arbeit, Arbeit, Arbeit.
3. Die Sozis/Juden/ungewaschenen Langhaarigen sollen die Finger von unserem Geld lassen.

So und nicht anders wird man Kanzler (Bismarck, Hitler, Schmidt)! Hat der Mann denn gar keine Berater?