Die AfD ruft zu einer Großdemonstration in Berlin auf

Neue Taktik, altes Weltbild

Die AfD will am Sonntag mit 10 000 Menschen durch Berlin mar­schieren. Die Selbstinszenierung der extremen Rechten als Verteidiger von Frauen und Minderheiten gegen den Islamismus ist aber vor allem ein Marketingtrick.

Für Sonntag plant die AfD eine Großdemonstration in Berlin. Unter dem Motto »Zukunft Deutschland« versucht die extrem rechte Partei, zum ersten Mal seit 2015 eine selbstorganisierte Großkundgebung auf die Beine zu stellen. Mit 10 000 angemeldeten Teilnehmern wäre es die größte rechts­extreme Demonstration in Berlin seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Das Bündnis »Stoppt den Hass – Stoppt die AfD« hat eine Gegendemonstration angekündigt. »Wir werden mit Massenprotesten zeigen, dass die Bevölkerung Berlins nicht bereit ist, Rassisten und neuen Nazis ungehindert die Straße zu überlassen«, sagte Nora Berneis, Sprecherin von »Aufstehen gegen Rassismus Berlin«. Auch die Kampagne »Nationalismus ist keine Alternative« hat ­öffentlichen Protest angekündigt. Sie rief dazu auf, »gemeinsam in Bewegung zu kommen und den faschistischen Aufmarsch zu verhindern«.

Für die Demonstration hatte sich die AfD laut Medienberichten einen Kniff überlegt: Statt prominenter Funktionäre sollten vor allem Frauen aus den ex­trem rechten Protestbewegungen auftreten. Genannt wurden etwa die AfD-Lokalpolitikerin Myriam Kern, die die rechten Kundgebungen im rheinland-pfälzischen Kandel mitveranstaltet, sowie Marie-Thérèse Kaiser, die in Hamburg zeitweilig die »Merkel muss weg«-Demonstrationen anmeldete. Kaiser ist 21 Jahre alt, AfD-Mitglied und Fotomodell.

Wenn die AfD »unsere Werte« verteidigen will, sind keine universellen Freiheitsrechte gemeint.

Die inzwischen veröffentliche Rednerliste mit den Parteivorsitzenden Alexander Gauland und Jörg Meuthen sieht allerdings wieder konventio­neller aus. Von der geplanten weiblichen Ausrichtung ist wenig geblieben. Neben Beatrix von Storch wird nur noch Kaiser genannt. Dennoch bietet das ursprüngliche Konzept einen Einblick in die Überlegungen der AfD. Besonders seit den Vorfällen in Kandel, wo Ende vergangenen Jahres ein mutmaßlich aus Afghanistan stammender Flüchtling seine 15jährige ehemalige Freundin erstochen hatte, inszenieren sich die extrem Rechten verstärkt als Verteidiger der Rechte deutscher Frauen. Etwa beim AfD-nahen »Frauenmarsch«, bei dem im Februar etwa 500 vor allem männliche Teilnehmer in Berlin demonstrierten. Das Motto damals lautete »Für die Freiheit der Frau – Gegen Islamisierung und Migrantengewalt«.

Am 9. Juni soll auch der »Frauenmarsch« erneut in Berlin stattfinden. Anmelderin ist wieder Leyla Bilge, die als Kind kurdischer Eltern aus der Türkei nach Deutschland flüchtete, hier einer Zwangsheirat entkam und anschließend zum Christentum konvertierte. In ihrem Aufruf im Februar schrieb sie, der Protest richte sich »gegen Kinderehen, gegen Freiheitsberaubung, gegen Verhüllungszwang und gegen die Zwangsverstümmelung an wehrlosen Kindern«.

»Wir sind die wahren Feministen«, sagte der katholische Theologe David Berger in seiner Rede beim »Frauenmarsch« im Februar. Berger, der vor einigen Jahren als homosexueller Kri­tiker der katholischen Kirche bekannt wurde, fungierte lange als Chefre­dakteur des Schwulenmagazins Männer, veröffentlichte in den vergangenen Jahren seine »islamkritischen« Artikel aber im neurechten Magazin Compact. »Der Kampf der AfD gegen die Islamisierung des Abendlandes« sei ihm als »homosexuellem Mann mit jüdischen Vorfahren besonders wichtig«.

Es ist der neueste Marketingtrick der »besorgten Bürger«: Sie sorgen sich vorgeblich um die Rechte jener bedrohten Bevölkerungsgruppen, die es vor den muslimischen Flüchtlingen zu schützen gelte – Frauen, Homosexuelle, Juden. In dieses Muster passt auch die Kampagne »120db« der rechtsextremen Identitären Bewegung, die sich als »Aufschrei« deutscher Frauen gegen »importierte Gewalt« geriert. Die­selbe Strategie verfolgte der AfD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland, als er zum 70. Jahrestag der Gründung Israels eine israelfreund­liche Rede hielt. Im Kontext der vorangegangenen Debatte über muslimischen Antisemitismus versuchte Gauland, sich als Kämpfer gegen den ­Antisemitismus zu inszenieren – derselbe Gauland, der stolz ist »auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen«, also auch die, im Zweiten Weltkrieg am Vernichtungskrieg beteiligt gewesen zu sein.