Wegen der Affäre um Hans-Georg Maaßen befindet sich die Bundesregierung erneut in einer Krise

Der Regierungsgegner vom Verfassungsschutz

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Dies sind nur zwei Beispiele von vielen, die Maaßen vor seinen Aussagen in Bild bekannt gewesen sein müssten. Dass es dem Präsidenten des BfV nicht allein um den Begriff »Hetzjagd« und semantische Spitzfindigkeiten ging, legen etliche weitere Details nahe: Abgeordnete der Regierungskoalition berichteten der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, dass Maaßen Merkel zuletzt nur noch abschätzig als »die da drüben« im Kanzleramt oder als »die Dame« bezeichnet habe, die »seine CDU« kaputtmache. Seit 2015 habe er sich immer wieder abfällig über Merkels Flüchtlingspolitik geäußert.

Dies verwundert nicht: Bereits 1997 kam Maaßen in seiner Dissertation mit dem Titel »Die Rechtsstellung des Asylbewerbers im Völkerrecht« zu dem Schluss, dass das Asylrecht »zu einem Instrument einer unkontrollierten Massenzuwanderung« geworden sei – zu einer Zeit, als die Zahl der Asylan­träge in Deutschland überaus niedrig war. In einer Rezension in der Fachzeitschrift »Archiv des öffentlichen Rechts« schrieb die spätere Bundesverfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff im Jahr 2000, dass Maaßen »abgelegenste Bedrohungsszenarien« anführe: etwa »die Besorgnis, dass Asylrechtsgewährleistungen von Verfolgerstaaten gezielt zur Destabilisierung eines Aufnahmestaates durch massenhafte Flüchtlingsproduktion genutzt werden könnten«. Schon damals argumentierte Maaßen also wie so mancher Verschwörungsideologe heutzutage im Internet. Maaßen muss seinen Posten allerdings nicht wegen seiner Ansichten zur Flüchtlingspolitik verlassen – auch wenn die extreme Rechte dies derzeit so darstellt. Vielmehr handelt es sich bei seiner Einmischung in die Tagespolitik um eine deutliche Überschreitung seiner Kompetenzen.

Zudem wurde dem Verfassungsschutzpräsidenten in der vergangenen Woche noch aus einem anderen Grund öffentliche Aufmerksamkeit zuteil. Dem ARD-Magazin »Kontraste« zufolge hatte Maaßen im Juni Informationen aus dem damals noch unveröffentlichten Verfassungsschutzbericht an die AfD weitergegeben. Maaßen habe mit dem AfD-Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden des Rechtsausschusses des Bundestags, Stephan Brandner, über die Zahl islamistischer Gefährder und über den Haushalt ­gesprochen. Detailinformationen über den Haushalt des Verfassungsschutzes dürfen lediglich dem Vertrauensgremium und dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags mitgeteilt werden, einfachen Abgeordneten nicht. Brandner widerrief seine diesbezügliche Aussage später, zuvor hatte er sie noch auf zweifache Nachfrage von »Kontraste« wiederholt.

Darüber hinaus widersprach Ende der vergangenen Woche eine Verfassungsschutzmitarbeiterin bei einer Zeugenvernehmung im Untersuchungsausschuss des Bundestags zum Attentat von Anis Amri auf dem Ber­liner Breitscheidplatz dem Präsidenten des BfV. Seit Januar 2016 habe sie Informationen über den späteren islamistischen Attentäter gesammelt, sagte sie. Im März 2017 hatte Maaßen noch von einem »reinen Polizeifall« gesprochen und angegeben, seine Behörde habe »keine eigene Informationsbeschaffung« geleistet. Auch einige Monate später hatte er noch darauf bestanden, dass Amri »bis zuletzt ein Fall in den Händen der Polizeibehörden« gewesen sei. Im Mai wurde jedoch öffentlich bekannt, dass in Amris Umfeld ein V-Mann des Verfassungsschutzes tätig gewesen war. Ungeachtet all dieser Fehltritte hat Maaßen am Sonntag erst einmal eine Rekordsumme an Haushaltsmitteln für seine Behörde beantragt: fast 421 Millionen Euro für das Jahr 2019. 2015 lag das Budget des Inlandsgeheimdienstes noch bei 230 Millionen Euro.