Der Spielerberater Bayat ist eine Schlüsselfigur im Manipulations- und Korruptionsskandal, der den belgischen Fußball erschüttert

Vollspann gegen die Hinterzimmer

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Die beiden Schiedsrichter Sébastien Delferière und Bart Vertenten, die zu den besten des Landes gehören, sind bis auf Weiteres gesperrt. Eine Fortsetzung ihrer Laufbahn scheint sehr fraglich. Während Delferière unter Auflagen auf freiem Fuß ist, bleibt Vertenten in Gewahrsam. Unterdessen werden immer mehr Details über ihre Beziehung zum Spielervermittler Veljkovic bekannt. Mit beiden hatte er in der Zeit, als sein Anschluss abgehört wurde, oft telefoniert. Abendessen mit Vertenten waren häufig, Delferière besorgte er einen Rabatt bei einem Autohändler in der Stadt Aalst. Im Gespräch mit Het Nieuwsblad sagte der Händler, Veljkovic sei regelmäßig mit Personen aus dem Fußballbereich bei ihm aufgetaucht.

Von der Durchsuchung bei Mogi Bayat ist inzwischen bekannt, dass dort Verpackungen von Luxusuhren im Wert von acht Millionen Euro gefunden wurden. Bayats Anwalt Jean-Philippe Mayence kommentierte gegenüber belgischen Medien, sein Klient sammele solche Verpackungen schon sein ganzes Leben lang, was auch sein Recht sei. Gut passen würden sie allerdings auch zu seiner Gewohnheit, Geschäftspartner mit dem Verpackungsinhalt zu beschenken.

Leisten könnte sich Bayat die Großzügigkeit zweifellos. Der Anwalt ­Dimitri Dedecker, der für die Clubs Cercle Brugge und KV Oostende arbeitet, nennt in De Morgen Zahlen: Bei einer Transfersumme von einer Million entfielen 200 000 Euro Kommission auf den Vermittler. Die gleiche Zeitung zitierte nach dem Bekanntwerden des Skandals einen Berufskollegen aus dem Ausland mit den Worten, er habe schon in zahlreichen europäischen Ländern Geschäfte gemacht, und die belgische Meisterschaft zähle zu den korruptesten – »unter anderem wegen diesem Bayat«.

Ob Veljkovic und Bayat in irgendeiner Form zusammenarbeiteten, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Auffällig ist bislang immerhin die Neigung, sich Kommissionen über den Umweg auswärtiger Kapitalgesellschaften oder getarnt als Entlohnung für Tätigkeiten als Scout bezahlen zu lassen. Alles andere als unwahrscheinlich ist aber auch, dass solche Praktiken üblich sind in einem Berufsfeld, das frei zugänglich ist und in dem es sehr viel Geld zu verdienen gibt.

Insofern liegt es auf der Hand, dass »Makler«, wie man sie in Belgien nennt, in diesem Skandal die Hauptrolle zu spielen scheinen. In den achtziger Jahren hingegen waren es Funktionäre und Spieler der Clubs Standard Lüttich und Thor Waterschei, die das Spiel beider Clubs so verschoben, dass Standard die Meisterschaft gewann. In den nuller Jahren ging es um Verstrickungen von Spielern und Clubs mit der chinesischen Wettmafia. Zieht man in Betracht, dass belgische Makler in der vorigen Saison von 70 Millionen Euro, dem Gesamtbetrag aller Transfersummen, 41,9 Millionen einstrichen, überrascht ihre zentrale Rolle im Skandal nicht – und ebenso wenig die Tatsache, dass sie gar als Verbindungsglied zwischen Clubs und Schiedsrichtern fungieren können.

Das Vorgehen der belgischen Justiz, findet die Tageszeitung De Standaard, sei ein »knallharter Tritt gegen die dunklen Hinterzimmer der belgischen Fußballwelt«. Die Auswirkungen sind zurzeit noch nicht absehbar. Insofern kommt die Ankündigung von Marc Coucke etwas verfrüht. Am Wochenende sagte der Vorsitzende des Ligaverbands Pro League und Besitzer des RSC Anderlecht, er wolle gemeinsam mit dem Fußballverband aus Belgien ein »Beispielland« machen. Seine Vorschläge: neue Reglements, mehr Unabhängigkeit und Transparenz.

Doch es stellt sich die Frage, ob der derzeitige Stand der Ermittlungen tatsächlich so weit ist wie erhofft. Aus Brügge vernimmt man in diesen Tagen nämlich nicht nur Nachrichten über die Rückkehr des Club-Coaches Ivan Leko auf den Trainingsplatz. Auch der Lokalrivale Cercle Brugge macht von sich reden: durch die Forderung, ein weiteres Match am Ende der regulären Saison 2015 zu untersuchen.

Dieses verlor Cercle mit 2:3, obwohl die Mannschaft zehn Minuten vor Schluss mit 2:0 vorne gelegen hatte. Das Anschlusstor fiel aus dem Abseits, der Ausgleich nach einem Elfmeter samt Roter Karte, die Entscheidung sehr spät in der Nachspielzeit. Cercle stieg danach in die zweite Liga ab. Gegner war übrigens der KV Mechelen. Und der Nutznießer, der den eigenen Abstieg verhindern konnte, war der Fusionsclub Waasland-Beveren.