Die palästinensische Autonomiebehörde lehnt israelische Hilfe bei der Impfung ab

Autonom impfen

Israel wird vorgeworfen, eine Impfung der palästinensischen Bevölkerung gegen Covid-19 zu verweigern. Doch die Autonomie­behörde besteht auf einer eigenständigen Impfstoffbeschaffung.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat Israels Regierung in der vergangenen Woche dazu aufgefordert, die palästinensische Bevölkerung des Westjordanlands und des Gaza-Streifens mit Impfstoff gegen Covid-19 zu versorgen; zahlreiche Medien kritisierten, dass Israel gegen Verpflichtungen des internationalen Rechts verstoße, wenn dies nicht geschähe. Doch die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) in Ramallah lehne eine Ausweitung des israelischen Impfprogramms auf ihr Gebiet ab, sagte Doktor Yaser Bozia, der Direktor der Abteilung für Öffentliche Gesundheit im palästinensischen Gesundheitsministerium, am Samstag in einem Telefoninterview mit der Jungle World. Die PA habe ihr eigenes, von Israel unabhängiges Gesundheitssystem. »Wir kümmern uns um unsere Leute«, sagte Bozia. Auf die Nachfrage, ob dies bedeute, dass die PA es vorzöge, wenn Israel sich bei der Impfung der palästinensischen Bevölkerung heraushielte, antwortete Bozia: »Exakt.« Medienberichte, denen zufolge die PA Israel ­offiziell um die Lieferung von Covid-19-Impfstoff gebeten habe, dementierte er.

Ein Sprecher aus dem Büro des israelischen Ministerpräsidenten wollte sich zu der Frage nicht äußern. Ebenfalls keinen Kommentar von israelischer Seite gab es zu Berichten, Israel habe bereits eine kleinere Menge von Covid-19-Impfstoff in die palästinensischen Autonomiegebiete geliefert – die dortige Gesundheitsbehörde dementiert dies. Im Dezember sagte ­Israels stellvertretender Gesundheitsminister Yoav Kisch dem Radiosender Reshet Bet, dass man in Erwägung ziehe, der PA Impfstoff zur Verfügung zu stellen, sofern dies die Versorgung der eigenen Bevölkerung nicht gefährde. Die israelische Sendeanstalt Kan berichtete damals auf ihrer Internetseite über ein Koordinierungstreffen zwischen Vertretern der israelischen und palästinensischen Gesundheitsbe­hörden.

In Israel arbeiten mehr als 100 000 Palästinenser aus dem Autonomiegebiet, die Impfung der dortigen Bevölkerung wäre deshalb im israelischen In­teresse. Während in Israel bereits fast zwei Millionen Impfdosen verabreicht worden sind, im Verhältnis zur Bevölkerung weitaus mehr als in jedem anderen Land der Welt, hat die PA noch nicht mit der Impfung ihrer Bevölkerung begonnen. Eine Lieferung von zwei Millionen Impfdosen des britisch-schwe­dischen Herstellers Astra-Zeneca wird in Ramallah bis spätestens Anfang März erwartet. Dies teilte Bozia in Übereinstimmung mit Medienberichten mit. Eine Anfrage an Astra-Zeneca, diese Angaben zu bestätigen, blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Die erwartete Lieferung würde ausreichen, um etwa ein Drittel der 2,9 Millionen Palästinenserinnen und Palästinenser des Westjordanlands zu impfen, da eine Immunisierung zwei Dosen pro Person erfordert. Dies schließt nicht die Bevölkerung des Gaza-Streifens ein, der von der islamistischen Terrororganisation Hamas beherrscht wird, die formal keine Beziehungen mit Israel unterhält.

In Ramallah hofft man außerdem auf Lieferungen des russischen Impfstoffs Sputnik V. Bozia zufolge befindet sich die Autonomiebehörde mit dem russischen Hersteller in Verhandlungen. Im Dezember berichtete die Zeitung Haaretz unter Berufung auf palästinensische Medien, dass die PA fest damit gerechnet habe, bis Anfang Januar 2021 vier Millionen Dosen des russischen Impfstoffs zu erhalten. Bozia bestreitet das, im Dezember habe die PA lediglich eine Anfrage an den russischen Hersteller abgeschickt.

Ein Gruppe von NGOs und Menschenrechtsorganisationen, darunter Amnesty International, hat Israel im Dezember dazu aufgefordert, Lieferungen des russischen Impfstoffs in die palästinensischen Gebiete nicht zuzulassen, weil dieser nicht ausreichend geprüft sei. Hierzu erklärte eine Sprecherin des israelischen Gesundheitsministeriums, dass man sich nicht in Abkommen der PA mit Impfstoffherstellern einmische und jede Impfstofflieferung israelisches Territorium passieren könne.

Ob, wann und in welchen Mengen die PA den russischen Impfstoff bekommt, ist unklar. Bozia zufolge geht die PA davon aus, noch im Laufe des ersten Quartals dieses Jahres Kontingente von Covax zu erhalten, dem internationalen Programm zur Verteilung von Impfstoff an benachteiligte Länder. Man vermute, dass es sich dabei um den Astra-Zeneca-Impfstoff handeln werde. Seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie sind auf dem Gebiet der PA mehr als 1 600 Menschen an den Folgen der Krankheit gestorben.

Israel verzeichnete mehr als 3 700 Tote, das Land befindet sich in seinem dritten Lockdown. Derweil ist am Sonntag eine weitere Lieferung des Covid-19-Impfstoffs von Pfizer/Biontech in Israel eingetroffen, die Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und Gesundheitsminister Yuli Edelstein öffentlichkeitswirksam am Flughafen empfingen. Israelische Medien werten dies als Versuch Netanyahus, die erfolg­reiche Impfkampagne für die Parlamentswahl am 23. März zu nutzen. Einer Umfrage des Fernsehsenders Keshet 12 zufolge glauben 70 Prozent der Israelis, diese sei zumindest zum Teil ein persönlicher Verdienst des Ministerpräsidenten.