Reproduktive Gerechtigkeit ­berücksichtigt marginalisierte Gruppen stärker als Pro-Choice

Gerechtigkeit, nicht nur Rechte

Der Feminismus sollte die Perspektiven marginalisierter Gruppen stärker berücksichtigen.
Disko Von

Das Konzept der reproduktiven Gerechtigkeit wird seit kurzem wieder be­liebter im hiesigen Feminismus. Allerdings wird der Begriff zuweilen lediglich als Synonym für reproduktive Rechte oder Pro Choice verwendet, was aber dessen radikales Potential unterschlägt. Das Verlangen nach reproduktiver Gerechtigkeit fordert dazu auf, Abtreibung nicht nur als individuelle Entscheidung zu verstehen, sondern ­allen Zugang zu Abtreibung und Gesundheitsversorgung zu verschaffen.

Darüber hinaus schlägt das Konzept eine Perspektivverschiebung feministischer Bewegungen vor – zu den Fragen, wer unter welchen Umständen Kinder kriegen soll oder nicht soll und wer wie mit Kindern leben kann. Denn das Konzept geht über die Frage hinaus, wie für alle möglich werden könnte, sich gegen Kinder zu entscheiden, indem es das Recht betont, sich für Kinder entscheiden zu können. Außerdem geht es darum, wie eine Gesellschaft aussehen müsste, in der Kinder unter guten Bedingungen aufwachsen können.

Dies geht weit darüber hinaus, dass sich alle feministischen und proges­siven Gruppen auf die Forderung der Streichung des Abtreibungsparagraphen aus dem Strafgesetzbuch einigen, wie Gisela Notz dies gefordert hat. Selbst diese Streichung garantiert nämlich noch keinen Zugang zu Abtreibung etwa für Frauen, die keinen Aufenthaltsstatus haben, deren Lebens­bedingungen ihnen den Zugang zu Informationen erschweren oder die mittellos sind.

Reproduktive Gerechtigkeit reformuliert feministische Forderungen aus der Perspektive derjenigen, deren Gebären oder deren Geburt gesellschaftlich unerwünscht sind.

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