Essay: Eine kleine Geschichte des Computersozialismus

Planet Telex

Kommunismus sei Sowjetmacht plus Elektrifizierung, meinte Lenin. Er kannte eben weder Computer oder Kybernetik noch gar das Internet. Die neuen technischen Möglichkeiten haben die Phantasie von Sozialisten beflügelt, sie sollen insbesondere die Probleme der Planwirtschaft lösen. Doch in der Praxis ist das nicht so einfach, und in der Theorie liegen Utopie und Dystopie oft nah beieinander.

Marx hoffte auf den Fortschritt der Produktivkräfte. Unter vernünftigen ökonomischen Bedingungen würden, so nahm er an, Wissenschaft, Maschinen und Industrie den Menschen die meiste Arbeit ersparen, besonders solche, die auf die Knochen geht oder stumpfsinnig ist.

Einen hochindustrialisierten Kommunismus schildert Alexander Bogdanow in seinem Roman »Der Rote Stern« von 1908. Auf diesen Roten Stern wird der Erdenmensch ­Leonid entführt, um als Ausgewählter über eine höherentwickelte Gesellschaftsform unterrichtet zu werden. Kaum angekommen, staunt er nicht schlecht: Es gibt Elektrizität allenthalben, gewaltige Maschinen, Fluggeräte und Apparate zur Bildtelefonie. Nachdem Leonid die ersten Eindrücke verarbeitet hat, wird er in die Betriebsgeheimnisse des Kommunismus eingeführt.

In der ehelichen Wohnung kümmert sich ein Roboter um alles: Essen, Putzen, Körperhygiene, die Frisur – und sogar die Beleuchtung und Hintergrundmusik beim Sexualakt.

Unter anderem besucht er das »Institut für Rechnungswesen«, das Rechenzentrum der Produktion. In diesem zeigen die Wände allerlei Informationen und vielstellige Zahlen, die darüber Auskunft geben, in welchen Betrieben gerade welcherlei Arbeitsstunden oder Rohstoffe fehlen oder überschüssig sind. Das Institut, so erklärt man Leonid, habe an allen Produktionsstandorten Agenturen, die stündlich den Umsatz der Arbeitskraft, der Rohstoffe und der Güter verzeichnen und übermitteln. So berechne es den globalen Arbeitsbedarf und lenke Arbeitskräfte und Rohstoffe in die Produktionszweige, in denen sie benötigt werden.

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