Die Diskussionen zur Wehrpflicht und das Verhältnis Linker zum Militär

Ein schwieriges Thema

In Deutschland wird über die Wiedereinführung der Wehrpflicht debattiert – und Linke streiten über die richtige Haltung zum Militärischen.
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Einer der unappetitlichsten Aspekte der deutschen Diskussion über den russischen Angriffskrieg ist ihre Selbstbezogenheit. Anstatt die Lage der Ukraine in den Blick zu nehmen, kreist man oft um deutsche Interessen und Befindlichkeiten. Dazu passt, dass nun sogar das Thema Wehrpflicht aus der Versenkung aufgetaucht ist.

In der Zeit beklagte ein Redakteur, Deutschland sei mit der Aussetzung der Wehrpflicht vor elf Jahren ein Land geworden, »das kaum noch eine Kultur besitzt, in der das Militär eine Rolle« spielt. Deshalb »muss die Wehrpflicht zurückkommen. Nicht so, wie sie war, sondern freier, sogar fröhlicher«.

Die FAZ schrieb kürzlich: »Die Debatte lebt wieder.« Demnach wollen einige CDU-Politiker auf dem Bundesparteitag im September die Forderung einer sogenannten Dienstpflicht durchsetzen. Diese würde wohl bedeuten, dass sich jedes Jahr Hunderttausende junger Menschen entscheiden müssten, ob sie Wehrdienst leisten oder für einen Hungerlohn in sozialen Einrichtungen arbeiten.

Eine Wehrpflicht wäre militärisch wohl weitgehend sinnlos. Der eigentliche Zweck scheint zu sein, beim Nachwuchs einen militärischen Geist heranzuzüchten. Dass dieser nostalgische Militarismus abzulehnen ist, versteht sich von selbst. Und wenn man wollte, dass mehr junge Leute in der Altenpflege arbeiten, könnte man sie einfach anständig bezahlen.

Zu Beginn des Ukraine-Kriegs forderten auch Linke, man müsse sich mehr mit dem Militär befassen und dürfe die Bundeswehr nicht den Rechten überlassen. In diesem Sinne argumentierte zum Beispiel Jeja Klein im ND. Positionen wie »Nato auflösen« oder »Team Fahnenflucht« seien in der derzeitigen Lage unangemessen.

Krieg ist ein unangenehmes Thema für Linke. Wer gewisse Militärinterventionen für gerechtfertigt hält, muss bedenken, dass Krieg immer auch unfassbare Gewalt und zivile Todesopfer zur Folge hat. Wer dagegen prinzipiell gegen jegliches Militär ist, verstrickt sich schnell in Widersprüche, zum Beispiel mit Bezug auf die Ukraine – denn nur eine schlagkräftige ukrainische Armee konnte die Eroberung Kiews verhindern. Hinter einer angeblich pazifistischen Haltung verbirgt sich oft eine Parteinahme für Russland oder zumindest  Gleichgültigkeit gegenüber Wladimir Putins imperialer ­Gewaltpolitik.

Im Krieg geht es meist nur darum, zwischen furchtbaren Alternativen die weniger schlimme zu wählen. Wenn sich derzeit zum Beispiel ukrainische Anarchisten entscheiden, gegen die russische Invasion zu kämpfen, hängt das nur indirekt mit ihren politischen Überzeugungen zusammen, also dem Wunsch nach einer befreiten Gesellschaft. Ihnen scheint es vielmehr notwendig, die ukrainische Gesellschaft trotz ihrer eklatanten Mängel gegen Putins Autoritarismus zu verteidigen. Auch weil dadurch zumindest die Möglichkeit linker Politik erhalten bliebe. Genauso legitim wäre es aber, wenn hinter ihrer Entscheidung einfach der Wunsch stünde, eine Zukunft in einer halbwegs freien Gesellschaft zu haben – und die Angst vor der russischen Gewaltherrschaft.

Sobald sie sich zum Militärdienst gemeldet haben, sind sie Soldaten in der ukrainischen Armee. Sie müssen dann Befehlen folgen und kämpfen nicht für die Gesellschaft, die sie sich wünschen, sondern für die, in der sie leben. Das sie das tun müssen, ist schrecklich, es gibt aber vermutlich keine bessere Alternative dazu. Deshalb ist es wohlfeil, wenn manche Linke hier im sicheren Deutschland darüber die Nase rümpfen.