Drei Kandidaten haben Aussicht auf das Präsidentenamt in Tschechien

Der General, die Ökonomin und der Populist

Neun Bewerber gibt es für die Nachfolge des tschechischen Staats­präsidenten Miloš Zeman. Drei der Konkurrenten haben beste Aussichten, in die Stichwahl zu kommen.

Der Wahlkampf um das höchste Amt der Tschechischen Republik ist in der Endphase. Am Freitag und Samstag wird ein neuer Präsident oder eine Präsidentin gewählt. Erreicht wie erwartet keiner der Kandidat:innen die abso­lute Mehrheit, folgt die Stichwahl am 27. und 28. Januar. Präsident Miloš ­Zeman steht nicht mehr zu Wahl. Er war wegen seiner Nähe zu Russland und China stets höchst umstritten. Höhepunkt war seine auffällige Wortkargheit nach dem Anschlag auf ein Munitionsdepot in Vrbětice im tschechischen Osten 2014, das dem tschechischen Geheimdienst zufolge von russischen Agenten begangen worden sei. Zeman hielt hingegen an der bereits zu Beginn der Untersuchungen widerlegten Version fest, Lagermitarbeiter hätten die Explosion herbeigeführt.

Aufgrund zahlreicher politischer Skandale in der Ära Zeman ist es den meisten Präsidentschaftskandi­dat:i­nnen nun ein Hauptanliegen, das Ansehen des Amts wieder aufzubessern. Die drei aussichtsreichsten von neun insgesamt sind Andrej Babiš, Multimilliardär und bis 2021 Ministerpräsident, Petr Pavel, ein tschechischer General, und die Ökonomin Danuše Nerudová. Pavel und Nerudová genießen beide die Unterstützung der konservativen Regierung, in Fragen der Ehe für alle oder des Klimaschutzes sind sie etwas progressiver als diese. Pavel und Babiš ­lagen in den Wahlumfragen von Beginn an vorne.

Babiš verweigerte die Teilnahme an sämtlichen Wahldebatten, auch an der bedeutenden Diskussion im öffentlich-rechtlichen Fernsehen am Sonntag.

General Pavel stand von 2012 bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand 2015 an der Spitze des tschechischen Generalstabs und war von 2015 bis 2018 als Vorsitzender des Nato-Militärausschusses in Brüssel in einer der höchsten Positionen des Verteidigungsbündnisses. Er baut seinen Wahlkampf auf seiner Karriere auf, spricht über erfolgreiche Militäroperationen und betont seine internationalen diplomatischen Erfahrungen. Einen Kratzer erhielt das Bild des unfehlbaren Generals in der Öffentlichkeit, als Pavels Tätigkeiten in der Tschechoslowakischen Sozialistischen ­Republik in den Fokus gerieten. Über seine Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei sah man noch hinweg, seine Ausbildung beim Militärgeheimdienst sorgte allerdings für Kontroversen. Pavel verwies wiederholt darauf, dass er sich den strengsten Überprüfungen unterzogen habe, um in sein Nato-Amt zu kommen.

Der Ökonomin Danuše Nerudová gelang es, in den Umfragen schnell aufzuholen. Die ehemalige Rektorin der Mendel-Universität in Brünn gilt als die beliebteste Kandidatin bei jungen Wählern. Die Inflation trifft Tschechien besonders hart, Nerudová wirft in ­ihrem Wahlkampf daher vor allem ihre wissenschaftliche Erfahrung in die Waagschale und schürt die Hoffnung auf Wohlstand. Doch mehrere Plagiatsfälle und Promotionen im Schnelldurchlauf an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät zu ihrer Zeit als Rektorin riefen bereits Zweifel an ihrer Vertrauenswürdigkeit hervor.

Darauf stürzte sich vor allem Andrej Babiš, der einen gänzlich anderen Wahlkampf als seine Konkurrenten führte, die Fairplay versprachen. Babiš ergriff jede Gelegenheit anzugreifen. Der Gründer der populistischen Partei ANO (Akce nespokojených občanů, »Aktion unzufriedener Bürger«) appelliert in seinem Wahlkampf vor allem an die Gefühle all jener, die wirtschaftlich auf der Strecke bleiben. Die tradi­tionellen Parteien bezeichnete er als korrupt, EU-Abgeordnete als Eurokraten, die Tschechien einem Klimadiktat unterwerfen wollten. Er stellte sich abwechselnd in die Nähe der Kommunistischen Partei und der rechtsextremen Partei Freiheit und direkte Demokratie (SPD), sorgte für Skandale um die ­dubiose Vergabe von EU-Subventionsgeldern an seinen Konzern Agrofert und seine Tätigkeit für die tschechoslowakische Staatssicherheit in den acht­ziger Jahren. Babiš verweigerte die Teilnahme an sämtlichen Wahldebatten, auch an der bedeutenden Diskussion im öffentlich-rechtlichen Fernsehen am Sonntag. Dieses Verhalten entspricht dem Bild eines Kämpfers gegen das ­Establishment-, das der Multimilliardär von sich zu zeichnen versucht.

Einen linken Kandidaten gibt es nicht mehr. Einige aus dem sozialdemokratischen Umfeld setzten ihre Hoffnung in Josef Středula, der seit 2014 den Gewerkschaftsdachverband ČMKOS leitet. Er ­erfreut sich in Tschechien großer Beliebtheit und konnte die Gewerkschaft aus ihrem langen Tief nach der Wende führen. Nach einem aussichtsreichen Start im Wahlkampf verlor er allerdings stetig an Unterstützung. Während der Fernsehdebatte am Sonntag erklärte er den Rücktritt von seiner Kandidatur. Er rief dazu auf, Nerudová zu unterstützen, da sie die einzige ohne eine Vorgeschichte in Geheimdiensten des Realsozialismus sei. In den Umfragen zum ersten Wahlgang liegen die drei Spitzenkandi­dat:innen gleichauf. In der Stichwahl würde Babiš nach aktu­ellen Erhebungen verlieren. Doch ein Stimmungsumschwung scheint nicht ausgeschlossen: Das Prager Stadtgericht sprach ihn am 9.Januar in einem sich seit 2015 hinziehenden Prozess von dem Vorwurf der Beihilfe zum Subventionsbetrug frei, so dass auch ehemalige Wähler des einstigen Ministerpräsidenten sich wieder für ihn entscheiden könnten.