Die Migrantengruppen zu Beginn der neunziger Jahre

Von der migrantischen Selbstorganisierung der neunziger Jahre zur antirassistischen »Opferkonkurrenz«

In ihrem Beitrag für den Sammelband »Rassismus. Von der frühen Bundesrepublik bis zur Gegenwart« erinnert Annette Seidel-Arpacı an die selbstorganisierten Migrantengruppen in Deutschland nach der Wiedervereinigung und an deren Debatten über den Nationalsozialismus. Daran anschließend führt sie aus, was sie unter dem »multidirektionalen Schlussstrich unter die Bekämpfung des Antisemitismus« versteht.

In Erinnerung an die migrantische Selbstorganisation

Ende 2019 wurde der Begriff »Baseballschlägerjahre« in die breitere ­Öffentlichkeit getragen. Seitdem wird über Erfahrungen berichtet, debattiert und in Print und TV versucht, die Jahre nach dem Mauerfall auch ­jenseits der Wiedervereinigungsgeschichte zu betrachten. Allein, der Begriff »Baseballschlägerjahre« ist verharmlosend und die enge zeit­liche Begrenzung weist eine Schieflage auf. Mit der Berliner Mauer fiel zuallererst die Nachkriegsbarriere gegen massenhafte gewalttätige Übergriffe und pogromartige Verfolgungen derjenigen, die als Migranten, »Zigeuner«, »Asylanten« und Juden nicht zu Deutschland gehören sollten. Gleichzeitig mehrten sich Angriffe auf Homosexuelle, Obdach­lose, Behinderte, Antifaschistinnen und Antifaschisten oder einfach ›nicht-rechte‹ Jugendliche.

Heute wird an bestimmte Übergriffe und Pogrome erinnert, die mit den Namen Hoyerswerda oder Rostock-Lichtenhagen verbunden sind. Das erscheint einerseits richtig angesichts der Signalwirkung der Pogrome in diesen Städten, andererseits hat dies aber einen verengten Blick auf die gesamte Lage zur Folge.

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