Auszug aus der Autobiographie „Tranny“

Tranny

Mit den Barbies der Nachbarmädchen spielen, aussehen wollen wie Madonna und immer wieder »Smells Like Teen Spirit«. Es ist eine fast normale Jugend in den neunziger Jahren, wäre da nicht die Dysphorie, die sich auch mit Alkohol und Drogen nicht betäuben lässt. Auszug aus dem ersten Kapitel von »Tranny«.
Imprint Von

Es war 1985 und ich war fünf Jahre alt, noch jung genug, um zu glauben, dass der Text von Madonnas Song »Material Girl« »I am a cheerio girl« lautete. Ich stand im Wohnzimmer meiner Eltern im Schein des Fernsehers und beobachtete in fassungsloser, stiller Ehrfurcht ihre Bewegungen.

Meine Eltern waren nicht gerade musikverrückt, aber mein Vater moch­te Countrymusik, insbesondere Willie Nelson, und die Lieblingsband meiner Mutter war Diana Ross and The Supremes. Aber irgendetwas an diesem Popstar sprach mich an. Ich war völlig hypnotisiert, als ich sah, was für eine Ausstrahlung Madonna in dem Video hatte.

Madonna war ein Mädchen, ein selbstbewusstes Symbol der Weiblichkeit, die auf der Bühne in einem kurzen Rock und auf hohen Absätzen sang und tanzte. Ich war nur ein kleiner Junge, der in einem Ranchhaus auf einem Armeestützpunkt in Fort Hood, Texas, lebte.

Ihr straßenköterblondes Haar war perfekt frisiert und gewellt. Die neonfarbenen und schwarzen Kleider waren so geschnitten, dass sie ihre Kurven betonten. Die dicken Armbänder und Halsketten funkelten und klimperten an ihren Armen und ihrem Hals, als sie sich im Takt der Musik bewegte. Ich streckte meine Hand aus und berührte sie auf dem Bildschirm. Das bin ich, wurde mir in diesem Augenblick bewusst. Das wollte ich auch machen. Ich wollte sie sein.

Dieses Gefühl der Bewunderung wurde durch Verwirrung unterbrochen. Plötzlich wurde mir klar, dass ich niemals sie sein würde, dass ich niemals sie sein könnte. Madonna war ein Mädchen, ein selbstbewusstes Symbol der Weiblichkeit, die auf der Bühne in einem kurzen Rock und auf hohen Absätzen sang und tanzte. Ich war nur ein kleiner Junge, der in einem Ranchhaus auf einem Armeestützpunkt in Fort Hood, Texas, lebte.

Noch kein Abonnement?

Um diesen Inhalt zu lesen, wird ein Online-Abo benötigt::