Der Film »Tár« mit Cate Blanchett

Begehren, Macht und Mahler

Cate Blanchett brilliert in Todd Fields erstem Spielfilm seit 16 Jahren: Das Sittenbild »Tár« dreht sich um eine Dirigentin, deren beruflicher Erfolg Spuren hinterlässt und sie immer mehr in den Wahnsinn treibt.

Lydia Tár bereitet sich vor, und zwar auf die Aufnahme von Gustav Mahlers fünfter Symphonie. Außergewöhnlich ist das, da die Hauptfigur Lydia (präzise und brillant verkörpert von Cate Blanchett) im Film »Tár« die erste Frau ist, die ein Spitzenorchester leitet, in diesem Fall eines in Berlin. Die fiktive Stardirigentin und ehemalige Schülerin Leonard Bernsteins wirkt anfangs zwar hart und streng, lässt in Podiumsgesprächen und Interviews aber auch den feinen Humor der Erfolgreichen anklingen.

Mit glatten, klaren Bildern führt der für die rundum gelungene Kameraarbeit verantwortliche Florian Hoffmeister den Zuschauer in die gehobene Sphäre ein, in der Lydia sich bewegt: Luxushotels, Maßschneider und ein Sichtbeton-Loft. Die Bilder ihrer Umgebung wirken ebenso kon­trolliert wie Lydia selbst, erst später werden sie vereinzelt mit Aufnahmen des dreckigen Berlin konterkariert. Todd Fields gefeierte Regiearbeit legt mit chirurgischer Präzision die Schichten geronnener Gewalt offen, die sich unter Lydias geradezu übermenschlich-perfekter Maske verbergen, indem er ihr diese Maske Stück für Stück entgleiten lässt. Der Sturz einer Übermütigen ist hier das Thema – nicht umsonst spricht die Kritik von einem modernen Ikarus.

Das Ideal der künstlerischen Integrität wird nicht als verlogen oder falsch denunziert, sondern vielmehr in seinem widersprüchlichen Verhältnis zu den Wirren der leiblichen Existenz gezeigt.

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