Bundesweite Razzien wegen Spendensammlungen für den »Islamischen Staat«

Jihadistische Gefangenenhilfe

Bundesweit kam es zu Razzien gegen mutmaßliche Unterstützer des »Islamischen Staats«. Die Ermittler vermuten ein Finanzierungsnetzwerk der Terrororganisation.

Bei einer bundesweiten Razzia gegen mutmaßliche Helfer der Terrormiliz »Islamischer Staat« (IS) hat die Bundesanwaltschaft am 31. Mai sieben Personen festnehmen lassen. Den drei Männern und vier Frauen wird vorgeworfen, einem internationalen Netzwerk anzugehören, das den IS in Syrien durch Geldspenden unterstützt. Vier der Festnahmen erfolgten den Angaben der Generalbundesanwaltschaft zufolge in Nordrhein-Westfalen, je eine weitere in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Bremen. Die Razzia bei den sieben Tatverdächtigen war eingebettet in eine größere bundesweite Aktion der Bundes- und Landeskriminalämter, wobei insgesamt über 100 Objekte durchsucht wurden.

Auf Anfrage der Jungle World teilte Holger Heming, Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf, mit, dass Nordrhein-Westfalen den Schwerpunkt der Maßnahmen gebildet habe, wo gegen 16 weitere Beschuldigte ermittelt werde. Dort fanden Durchsuchungen in Bonn, Dortmund, Essen, Mönchengladbach, Neuss und Siegen sowie in den Landkreisen Borken, Düren, Lippstadt und Solingen statt.

Nach Angaben von Generalstaatsanwaltschaften verschiedener Länder wurden bei den Durchsuchungen im gesamten Bundesgebiet unter anderem Datenträger, Bargeld und IS-Propagandamaterial sichergestellt. Zu weiteren Erkenntnissen aus den Durchsuchungen und Festnahmen wollten sich die Ermittlungsbehörden nicht äußern.

Den Hauptverdächtigen wird vorgeworfen, ein Spendennetzwerk für den IS aufgebaut zu haben. Der Jungle World sagte Ines Peterson, Pressesprecherin der Generalbundesanwaltschaft, dass zwei mutmaßliche IS-Anhängerinnen seit 2020 aus Syrien heraus auf Telegram-Kanälen für Geldzahlungen zugunsten des IS geworben hätten. Die Spendenkampagnen seien etwa unter dem Namen »Deine Schwester im Camp« gelaufen.

Von einem Teil der Gelder könne man sicher sagen, dass sie von Deutschland aus beim IS in Syrien gelandet seien, so Peterson. Mindestens 65 000 Euro seien an den IS überwiesen worden. Das Geld habe unter anderem dazu beigetragen, inhaftierte Kämpferinnen und Kämpfer in den nordsyrischen Gefangenenlagern zu unterstützen.
Die gespendeten Gelder seien dafür eingesetzt worden, »die Versorgungslage von inhaftierten IS-Mitgliedern in den nordsyrischen Lagern al-Hol und Roj zu verbessern«, sagte Peterson. Teilweise sei ihnen mit den Geldern die Flucht oder Schleusung aus den Camps ermöglicht worden. An wen die Gelder konkret geflossen sind, wollte die Bundesanwaltschaft mit Blick auf das laufende Ermittlungsverfahren nicht sagen.

Der »Jungle World« teilte ein Sprecher des Bundeskriminalamtes mit, dass die »Gefahr durch den islamistischen Terrorismus auch in Deutschland unverändert fortbesteht«.

In den Gefangenenlagern Roj und al-Hol sind nach wie vor Zehntausende Anhängerinnen und Anhänger des IS inhaftiert. Die humanitäre Lage in den Gefangenencamps ist Menschenrechtsorganisationen wie Unicef zufolge katastro­phal. Die Notlage wird unter anderem von islamistischen Gefangenenhilfsorganisationen für Propagandazwecke genutzt. Insbesondere Frauen sollen mit Verweis auf die Not der dort lebenden Kinder dazu gebracht werden, Gelder zu spenden. So wirbt der deutschsprachige Kanal »Free Our Sisters« seit Jahren mit selbstorganisierten Auktionen um Spenden für inhaftierte Islamistinnen und ihre Kinder. Die Betreiber des Kanals warnten nach den Razzien in Deutschland, alle, die gespendet hätten, sollten sich anwaltliche Hilfe holen. Der Bayerische Rundfunk berichtete, in einem Telegram-Kanal des IS werde dazu geraten, von »anonymen Methoden der Geldübermittlung« Gebrauch zu machen. Den Unterstützern sei längst bekannt, dass wegen Geldtransfers ermittelt werde. Selbst sähen sie hingegen im eigenen Handeln keine Straftat. Vielmehr habe man für Kinder und Schwestern gesammelt, die im Dreck leben, heiße es in den Telegram-Kanälen.

Der kurdischen Lagerleitung zufolge sind die Lager so überfüllt, dass eine wirksame Kontrolle der Gefangenen kaum möglich sei. IS-Strukturen könnten sich so festigen oder neu herausbilden. Aufgrund der zentralen Rolle, die die Camps weiterhin für den IS in der ­Region spielt, fordert die kurdisch dominierte Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien, dass die Herkunftsländer die Jihadisten und Jihadistinnen schnellstmöglich zurückholen und die Autonome Administration bei der Strafverfolgung unterstützen.
Immer wieder kommt es zu Angriffen und Befreiungsaktionen durch IS-Milizen in der Region. Dafür habe der IS in Syrien wieder bessere Möglichkeiten, wie aus einem Bericht des niederländischen Nationalen Koordinators für Terrorismusbekämpfung und Sicherheit hervorgeht. Grund sei die verringerte russische Militärpräsenz als Folge des Angriffskriegs gegen die Ukraine. Im Bericht wird außerdem davor gewarnt, dass die Bedrohung durch islamistische Anschläge in Europa wieder zunehme.

Auf Anfrage der Jungle World teilte ein Sprecher des Bundeskriminalamts mit, dass die »Gefahr durch den islamistischen Terrorismus auch in Deutschland unverändert fortbesteht«. Darum würden Polizei und Geheimdienste weiterhin einen Schwerpunkt auf die Bekämpfung des islamistischen Terrorismus setzen.

Seit Januar 2014 können gemäß Paragraph 129 b des Strafgesetzbuchs Taten von Mitgliedern oder Unterstützern des IS, die deutsche Staatsbürger sind, sich hier aufhalten oder tätig werden, strafrechtlich verfolgt werden. Hinzu kam im September desselben Jahres ein Betätigungsverbot für den IS in Deutschland. Seither ist die Unterstützung des IS, unter anderem durch das Einwerben von Geld, strafbar.