Bei Galeria Kaufhof Karstadt kämpfen die Angestellten um überfällige Lohnerhöhungen

Der letzte Schlussverkauf

19 Filialen von Galeria Kaufhof Karstadt wurden im Juni geschlossen, weitere werden folgen. Die Angestellten verzichten schon seit Jahren auf Lohn, nun will der Konzern sie erneut mit einer Einmalzahlung von 300 Euro abspeisen.

Zum Schluss gab es Rabatte von bis zu 80 Prozent. Die Filiale von Galeria Kaufhof in Hamburg-Wandsbek ist seit Freitag voriger Woche geschlossen. In den Tagen zuvor stand man vor fast leeren Regalen, auf eine Beratung musste man auf eigens dafür aufgestellten Stühlen warten, bis man an die Reihe kam. Vor fast 100 Jahren war die Karstadt-Filiale in Wandsbek in dem inzwischen denkmalgeschützten Bau eröffnet worden, jetzt ist sie Geschichte.

Die Kaufhausketten Galeria Kaufhof und Karstadt, die 2019 zu einem Konzern fusionierten, befinden sich seit Jahren in einer Dauerkrise. 19 Filialen hat das Unternehmen in diesem Monat geschlossen. Vielerorts ist die Angst groß, dass die Innenstädte dadurch weiter veröden. In Düsseldorf feierte die Lokalpresse, dass die Filiale an der Schwadowstraße vorerst erhalten bleibt. Dem Konzern zufolge wurde unter Vermittlung des Oberbürgermeisters eine Einigung mit dem Vermieter erzielt.

Die Galeria Karstadt Kaufhof GmbH, die meistens schlicht unter dem Namen Galeria auftritt, hat im Oktober 2022 ein sogenanntes Schutzschirmverfahren beantragt. Diese Form des Insolvenzverfahrens ist möglich, wenn ein Konzern noch zahlungsfähig ist und eine Sanierung möglich erscheint. Inzwischen ist das Verfahren abgeschlossen, doch der darin festgelegte Sanierungsplan läuft weiter. Ihm zufolge muss von den damals noch 129 Standorten rund ein Drittel geschlossen werden. Zusätzlich zu den nun geschlossenen 19 Filialen werden wohl mindestens noch mal genauso viele dichtmachen.

Die Angestellten haben die Krise des Konzerns schon lange zu spüren bekommen. Im Dezember 2019 wurde ein Tarifvertrag ausgehandelt, in dem sie große Opfer bringen mussten. Damals konnte Verdi eine Beschäftigungsgarantie und eine Standortsicherung für alle Filialen aushandeln, die eigentlich bis 2025 galt. Im Gegenzug akzeptierte die Gewerkschaft Lohneinbußen und verzichtete auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld für die Beschäftigten. Erst 2025 sollte es dann eine Rückkehr zu den Flächentarifverträgen des Einzelhandels geben. Von 2019 bis heute seien die Löhne nur um 2,3 Prozent gestiegen, sagte Verdi-Verhandlungsführer Marcel Schäuble der Jungle World: »Heute liegen die Löhne bei Galeria um bis zu 15 Prozent niedriger als in den Flächentarifverträgen.«

»Heute liegen die Löhne bei Galeria im Vergleich zu den Flächentarif­verträgen um bis zu 15 Prozent niedriger.« Verdi-Verhandlungs­führer Marcel Schäuble

Doch die Filialschließungen kamen trotzdem. Im vergangenen Oktober hat der Konzern den bis 2025 laufenden Tarifvertrag aufgekündigt. Seitdem verhandelt Verdi mit dem Konzern, Mitte Juni scheiterte die sechste Verhandlungsrunde. »Die Arbeitgeberseite ist weiterhin nicht bereit, Entgeltanpassungen vorzunehmen und eine Perspektive für die Beschäftigten hin zu einer Rückkehr zum Flächentarifvertrag aufzuzeigen«, sagte Marcel Schäuble nach den Verhandlungen.

Die Gewerkschaftsvertreter argumentieren, dass nach Ende des Insolvenzverfahrens eigentlich der richtige Zeitpunkt sei, um die Beschäftigten angesichts der hohen Inflation zu entlasten. Die Arbeitgeberseite will hingegen bis Ende 2027 bei dem Tarifvertrag von Dezember 2019 bleiben und ist nur zu einer steuerfreien Einmalzahlung von 300 Euro bereit. »Dieses Angebot ist ein Witz und befeuert die Existenznöte der Beschäftigen. Und gerade jetzt ist Bindungsarbeit notwendig, wenn der Neustart gelingen soll«, betont Schäuble gegenüber der Jungle World. Viele Angestellte sähen sich bereits nach neuen Arbeitsplätzen um.

Das Handelsblatt kritisierte die Gewerkschaft. »Statt eine sinnvolle Lösung zu suchen«, wolle »Verdi mit Macht den Tarifvertrag durchsetzen«, hieß es in einem Kommentar. Das sei nur »der verzweifelte Versuch von Verdi, den längst obsolet gewordenen Flächentarifvertrag im Einzelhandel künstlich am Leben zu erhalten – auf Kosten eines Unternehmens, das kaum mehr auf eigenen Füßen stehen, geschweige denn noch zusätzliche Lasten schultern kann«. Es stimme zwar, dass die Angestellten bereits seit Jahren auf viel Lohn verzichtet hätten, aber es habe sie ja auch niemand »gezwungen, diesem Unternehmen die Treue zu halten«.

Im Einzelhandel waren die von der Gewerkschaft ausgehandelten Tarifverträge früher allgemeinverbindlich. Doch seit über 20 Jahren gehen die Arbeitgeber gegen die Tarifbindung in der Branche vor. Von 2012 bis 2022 ist der Anteil der tarifgebundenen Einzelhandelsunternehmen von sowieso schon niedrigen 29 Prozent auf nur noch 18 Prozent gesunken. Das ging aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei hervor.

Entsprechend niedrig sind die Löhne im Einzelhandel. Der Antwort der Bundesregierung zufolge lag das mittlere Einkommen für Vollzeitbeschäftigte im Einzelhandel voriges Jahr mit 2.684 Euro um ein Viertel niedriger als im Schnitt aller übrigen Branchen. 79 Prozent der im Einzelhandel Beschäftigten seien Frauen, hieß es außerdem.
Derzeit laufen Tarifverhandlungen im Einzelhandel. Je nach Region fordert Verdi dabei Lohn- und Gehaltssteigerungen von etwa 2,50 Euro pro Stunde. Für den Großhandel verlangt die Gewerkschaft 13 Prozent Lohn- und Gehaltserhöhung, mindestens aber 400 Euro pro Monat.

Am Freitag voriger Woche kam es bundesweit zu Warnstreiks in Supermärkten und anderen Einzelhandelsunternehmen.Dem Vorwurf, Verdi stelle angesichts der schwierigen ökonomischen Lage des Galeria-Konzerns zu hohe Forderungen, hält Schäuble entgegen, dass dem Unternehmen bald das Personal ausgehen werde, sollten sich die Arbeitsbedingungen nicht verbessern. »Bei dem aktuellen Fachkräftemangel findet man schnell eine besser entlohnte Tätigkeit mit Zukunftsperspektive«, so Schäuble.

Ob der Konzern in Zukunft profitabel sein wird, steht freilich in den Sternen. Schäuble zufolge will man mit mehr Präsenz im Online-Handel, einer Konzentration auf Mode und einer Stärkung der Eigenmarken für bessere Geschäfte sorgen. Dafür soll es weniger Spielwaren geben. Marktbeobachter sähen allerdings derzeit bei Galeria Kaufhof Karstadt eine rund 30 Prozent geringere Kundenfrequenz als in anderen vergleichbaren Kaufhäusern. »Ob das Konzept, Flächen und Personal zu reduzieren, dann aufgeht, bleibt abzuwarten«, so Schäuble. Wahrscheinlich drücke es nur kurzfristig die Kosten.

Seit einiger Zeit mehren sich die Stimmen, die warnen, dass Signa in die Krise schlittere.

Das mag die Signa Holding um den österreichischen Milliardär René Benko, zu der Galeria gehört, zwar zunächst freuen – doch im schlimmsten Fall könnte sie bald einige leerstehende Immobilien in ihrem Portfolio haben. Die weitverzweigte Signa Holding besitzt neben Einzelhandelsunternehmen etliche hochklassige Immobilien, wie zum Beispiel das Chrysler Building in New York oder – seit einigen Monaten nur noch zu 50,1 Prozent – das Kadewe in Berlin. Der Holding gehören auch mehrere Dutzend Kaufhäuser, in denen sich Filialen von Galeria Kaufhof Karstadt befinden. Signa ist dort also Mieter und Vermieter gleichzeitig.

Seit einiger Zeit mehren sich die Stimmen, die warnen, dass Signa in die Krise schlittere. Der Grund dafür ist nicht nur, dass der Online-Handel dem stationären Einzelhandel Kunden abspenstig macht, sondern auch das Immobiliengeschäft. Der gestiegene Leitzins erschwert die Finanzierung der Kredite, gleichzeitig steigen seit diesem Jahr die Immobilienpreise nicht mehr.

Wie prekär die Lage der Signa Holding womöglich ist, lässt eine Episode Ende Mai erahnen, als die Gruppe die österreichischen Möbelkette Leiner & Kika verkaufte. Der sogenannte operative Teil von Leiner & Kika, also das Einzelhandelsgeschäft, wurde für einen symbolischen Betrag von drei Euro abgestoßen. Unmittelbar danach meldete die abgetrennte Firma Insolvenz an. Der Focus berichtete, dass Signa mit diesem Manöver knapp der Pleite entkommen sein könnte. Denn wenn Leiner & Kika Insolvenz angemeldet hätte, während es noch im Besitz von Signa war, hätten manche Gläubiger von Signa durch sogenannte Default-Klauseln ihre Kredite direkt zurückfordern können. Das hätte den Konzern womöglich in große Schwierigkeiten gebracht. Im Fall einer Zahlungsunfähigkeit könne die Signa-Gruppe »zum Auslöser einer Gewerbeimmobilienkrise werden, die zahlreiche Banken in Europa in Mitleidenschaft ziehen würde«, hieß es im Focus.