Die Taliban haben Schönheits­salons als »unislamisch« verboten

Taliban verbieten weitere Frauenräume

Afghanische Frauen haben gegen ein Verbot von Schönheitssalons durch die Taliban protestiert, das ihre Rechte und Erwerbs­möglich­keiten weiter einschränkt. In Afghanistan wird die islamische Theokratie reetabliert.

In Afghanistan sind Straßenproteste von Frauen rar geworden. Mitte voriger Woche gingen Inhaberinnen und Angestellte von Schönheitssalons sowie Familienangehörige gegen das Verbot, ihre Geschäfte weiterzubetreiben, auf die Straße. Im Zentrum der Hauptstadt Kabul beteiligten sich nach Angaben von Teilnehmerinnen daran etwa 50 bis 60 Frauen. Auf handgeschriebenen Plakaten forderten sie »Arbeit«, »Brot«, »Freiheit« und »Gerechtigkeit«.

Die Salons – nach Angaben der afghanischen Handelskammer landesweit 12.000 – gehörten zu den wenigen öffentlichen Orten, die Afghaninnen noch aufsuchen konnten. »Die meisten Mitarbeiterinnen sind die Ernährerinnen ihrer Familien«, sagte ein Mitglied des Verbands der Schönheitssalons der Provinz Herat der von afghanischen Frauen aus dem Exil betriebenen Nachrichtenplattform Rukhshana. Der Kammer zufolge kostet das Verbot 60.000 Frauen die Arbeitsplätze.

Eine Teilnehmerin des Protests namens Farzana sagte der Nachrichtenagentur AP: »Der Anlass unserer Demonstration war, dass die Taliban ihre Entscheidung zurücknehmen, weil das unsere Lebensgrundlage betrifft.« Eine andere Teilnehmerin sagte der Agentur AFP: »Wir haben diesen Protest heute organisiert, um zu reden und zu verhandeln. Aber niemand kam, um mit uns zu sprechen und zu verhandeln.«

Taliban-Ordnungskräfte unterbanden den Protest nach nur wenigen Minuten, sie gaben Schüsse in die Luft ab und setzten Feuerwehrschläuche als Wasserwerfer ein. Das zeigen Handy-Videos von Teilnehmerinnen, die sie über soziale Medien verbreiteten und an Jour­na­list:in­nen sendeten. »Die Taliban warfen Tränengas auf uns. Sie setzen einen elektrischen Schlagstock gegen mich ein und schlugen mir in die Rippen«, sagte eine Teilnehmerin gegenüber Rukhshana. Nach Aussage anderer Teilnehmerinnen wurden »zwei oder drei« festgenommen. Über ihre Identität und ihren Verbleib gibt es bisher keine Informationen.

Das Verbot von Schönheitssalons reiht sich in eine lange Folge von Erlassen ein, die Frauen und Mädchen weitgehend von Bildung, beruflicher Tätigkeit und aus dem öffentlichen Raum ausschließen.

Die Taliban hatten Ende Juni angeordnet, dass die Salons innerhalb eines Monats schließen sollten. Gleichzeitig erklärten sie alle Mietverträge solcher Einrichtungen für ungültig. In dem entsprechenden Schreiben des Ministeriums für die »Förderung von Tugenden und Verhinderung von Lastern« (kurz als Sittenpolizei bezeichnet), das sich auf eine mündliche Anordnung der »Höchsten Stelle der Führung des Islamischen Emirats Afghanistan« ­bezieht – also von Taliban-Anführer und Oberhaupt des Islamischen Emirats Afghanistan, Hibatullah Akhundzada –, wird keine Begründung genannt.

Nachrichtenagenturen berichteten jedoch, die Taliban betrachteten die hohen Ausgaben für Make-up in den Salons etwa vor Hochzeiten als Verschwendung, die arme Familien zusätzlich belasteten. Zudem seien Praktiken wie Augenbrauenzupfen, Wimpern- oder Haarverlängerungen und das Tragen von Perücken unislamisch. Dies geht offenbar auf Äußerungen von Mitgliedern der Sittenpolizei zurück, die bereits vor dem Verbot verschiedene Salons aufgesucht und die Einhaltung bestimmter Regeln verlangt hatten.

Rukhshanai hörte von einer Salonbesitzerin, dass die Taliban auch Tattoos und Nagelimplantate verboten hätten: »Wir haben das akzeptiert. Auch dass wir keine Fotos machen und die Bräutigame nicht in die Salons lassen. Aber jetzt sagen sie uns, dass wir gar nicht mehr arbeiten sollen.« Unmittelbar nach der erneuten Machtübernahme durch die Taliban 2021 hatten viele ­Salons Fotos mit zuvor unverhüllten Frauengesichtern in ihren Schau­fenstern unkenntlich gemacht.

Das Verbot der Schönheitssalons reiht sich in eine lange Folge von Erlassen ein, die Frauen und Mädchen weitgehend von Bildung, beruflicher Tätigkeit und aus dem öffentlichen Raum ausschließen. Im Hochschulbereich ordnete das zustän­dige Ministerium ebenfalls vergangene Woche an, junge Frauen nunmehr vollständig von Aufnahmeprüfungen für die Universitäten auszuschließen. Im vergangen Jahr waren sie bereits zu vielen Fachrichtungen nicht mehr zugelassen worden.

Expert:innen wie Richard Bennett, UN-Sonderberichterstatter zur Lage der Menschenrechte in Afghanistan, und die UN-Arbeitsgruppe gegen Frauendiskriminierung haben deshalb der Weltorganisation nahegelegt, die »schwere, systematische und institutionalisierte Diskriminierung von Frauen und Mädchen« durch die Taliban offiziell als »Gender-Apartheid« einzustufen.

Muska Dastageer, nun ebenfalls im Exil lebende Universitätsdozentin, hält diesen Begriff sogar für zu eng. »Das ist nicht nur eine Frauenangelegenheit, nicht nur eine Menschenrechtsangelegenheit«, schrieb sie am 4. Juli bei Twitter: »Es genügt nicht, nur ›Gender-Apartheid‹ zu sagen.« Die Taliban-Verbote repräsentierten deren »Theorie der Veränderung«, des Umbaus der afghanischen Gesellschaft.

Ziel dieses Umbaus ist eine islamische Theokratie. Diese wollen die Taliban vor allem von der moralischen Korruption säubern, die ihrer Auffassung nach Ergebnis der 20 Jahre währenden westlichen Intervention ist. Frauenrechte »westlichen Musters« als »unislamisch« darzustellen, ist Kern dieses Konzepts. Das zeigt auch eine Aussage des Anführers Hibatullah ­Akhundzada in seiner Grußbotschaft zum islamischen Opferfest Eid al-Adha, das Anfang Juli zu Ende ging. Darin sagte er, dass das Emirat Schritte unternehme, Afghanistans Frauen ein »angenehmes und gedeihliches Leben entsprechend der Sharia« zu bieten. Hibatullah machte mehrfach klar, dass die Umsetzung des islamischen Rechts politische Priorität genieße. Dabei lehnt er jeglichen Kompromiss ab. Alle nicht auf der Sharia beruhenden Gesetze sollen abgeschafft werden.