Im internationalen Sport gibt es Solidarität mit Israel, aber auch reichlich Judenhass

Solidarität und Judenhass

Nach dem Hamas-Massaker bekundeten westliche Vereine und Sportverbände klar ihre Solidarität mit Israel. Viele Fans und manche Sportler äußerten sich allerdings ganz anders.

Europäische und US-amerikanische Vereine und Sportverbände haben den Hamas-Terrors gegen Israel verurteilt. Doch so eindeutig und geschlossen, wie diese Stellungnahmen suggerieren, geht es derzeit auch im Sport nicht zu. Das musste beispielsweise der jüdische Journalist Hugo Rifkind erleben. Der Brite hatte sich kurz nach den Anschlägen auf X (vormals Twitter) sehr nachdenklich geäußert. »Ich führe kein jüdisches Leben. Ich esse nicht koscher, gehe nicht in die Synagoge, nehme nicht an Schabbat-Essen teil«, schrieb er. »Aber sogar von meinem Standpunkt aus hat sich für die britischen Juden in den letzten beiden Wochen etwas dramatisch geändert, und ich bin nicht sicher, wie wir zumindest anfangen könnten, das in Ordnung zu bringen.«

Eine der ersten Antworten kam von Oliver Brett, einem ehemaligen BBC-Sportreporter, der, ohne inhaltlich auf Rifkinds Posting einzugehen, schrieb: »Ich nehme an, blindlings ein Regime zu unterstützen, das Frauen und Kinder flächenbombardiert, hilft nicht.« Damit meinte er selbstredend nicht das Terrorregime der Hamas im Gaza-Streifen. Gleichzeitig beschuldigten andere User – viele aufgrund ihrer Profilbildchen als Fans irgendeines britischen Fußballvereins erkennbar – Rifkind, dass er als Anhänger des Multikulturalismus den Hamas-Terror indirekt begünstigt habe.

Dieser Streit um einen Tweet ist exemplarisch, und er ist nicht auf Europa begrenzt. Schon am Tag nach dem Hamas-Massaker in Israel hatten in den USA sowohl die National Basketball Association (NBA) als auch die zugehörige Spielergewerkschaft NBPA bekundet, für Frieden »in der gesamten Region« zu beten. Am Montag gab die National Football League (NFL) eine Stellungnahme heraus, in der es hieß, dass sie um den Verlust unschuldiger Leben in Israel trauere und »alle Formen von Terrorismus« verurteile: »Die Verkommenheit dieser Taten übersteigt jedes Vorstellungsvermögen und wir trauern mit den Familien derjenigen, die ermordet oder verletzt worden oder immer noch vermisst sind.« Der Text endet mit den Worten: »Wir beten für Frieden und werden immer gegen das Übel des Hasses aufstehen.«

»Die Verkommenheit dieser Taten übersteigt jedes Vorstellungsvermögen und wir trauern mit den Familien derjenigen, die ermordet oder verletzt wurden oder immer noch vermisst sind.« Stellungnahme der National Football League (NFL)

In den sozialen Medien kam diese Botschaft der NFL nicht sehr gut an. Unter den meistgelikten Antworten waren die üblichen israelfeindlichen Memes und Aussagen sowie typische Klagen über »western bias«, angeblichen israelischen Kolonialismus und Ähnliches. Die meisten NFL-Vereine veröffentlichten ähnliche Mitteilungen wie ihre Liga – und beließen es nicht immer nur bei Worten. Arthur Blank, der Eigentümer der Atlanta Falcons, kündigte beispielsweise an, dass er in einer ersten Tranche 750.000 US-Dollar an drei verschiedene medizinische Einrichtungen in Israel spenden werde.

Der klaren NFL-Stellungnahme folgten fast alle anderen großen US-Sportverbände, von der National Hockey League (NHL) bis hin zur zur Major League Soccer (MLS). Die Women’s National Basketball Association (WNBA) verurteilte den Terror scharf und teilte darüber hinaus mit, dass sich »die wenigen WNBA-Spielerinnen«, die sich zum Zeitpunkt der Terroranschläge in Israel befunden hatten, in Sicherheit seien und bald in die USA zurückkehren würden.

Auch diese Stellungnahme wurde nicht sehr wohlwollend aufgenommen. Ein recht großer Sportblog kommentierte auf X, es sei »unprofessionell, sich auf eine Seite zu stellen«, während Basketball-Fans unkten, der Verband sei bestimmt von jüdischen Vereinsbesitzern zu dieser Positionierung gezwungen worden. Andere schrieben, dass es sich bei dem Massaker um einen rechtmäßigen Akt der Dekolonisierung gehandelt habe oder dass »die Juden« ja bekanntlich die Medien kontrollierten und die WNBA zu ihrem Gehilfen machen.

Allerdings ist kaum festzustellen, welche der antisemitischen und antiisraelischen Kommentare wirklich ernst gemeint und welche pure Trollerei sind. Experten zufolge arbeiten seit dem 9. Oktober nämlich auch staatliche Akteure, also zum Beispiel die bekannten russischen Trollfabriken, vehement daran, durch möglichst bösartige Kommentare pro Israel oder pro Hamas Hass und Misstrauen zu sähen.

Robert Kraft, Eigentümer der New England Patriots und ein bekannter Großspender, ist wie Blank Jude; er hatte bereits in der Vergangenheit unter anderem diverse soziale Projekte in Israel gesponsert. Am 30. Oktober 2022 gründete er in den USA die Foundation to Combat Antisemitism, die unter anderem während NFL-Spielen fordert: »Stand up to Jewish hate«. Nachdem die NFL den Hamas-Terror verurteilt hatte, zeigte sich der 82jährige in einem Interview mit dem Fernsehsender CNBC entsetzt von den Reaktionen darauf: »Für mich ist es furchtbar, dass eine Gruppe wie die Hamas respektiert werden kann und Menschen in den USA ihre Fahnen tragen und sie unterstützen, während sie in Wirklichkeit nur Hass und die Vernichtung predigt.« Der Hass müsse bekämpft werden, sagte Kraft weiter. »Dazu gehört Erziehung – wissen diese Leute, dass es das Ziel der Hamas ist, dass alle Juden ausgerottet werden?«

Im Oktober 2022 war während eines American-Football-Spiels zwischen den Universitäten von Florida und Georgia eine von außen auf das Spielfeld projizierte antisemitische Botschaft in einer Endzone aufgetaucht.

Während prominente Sportler und ehemalige Athleten wie LeBron James, Amar’e Stoudemire und Tom Brady eindeutig ihre Solidarität mit den israelischen Terroropfern und deren Familien erklärten, sieht die Situation im College-Sport anders aus. Und das nicht erst seit diesem Wochenende, als zur Auflösung eines vor dem Spiel stattfindendes Sportquizzes im Spartan Stadium in East Lansing (Michigan) ein Bild von Adolf Hitler auf der Anzeigentafel prangte (gefragt worden war nach Hitlers Geburtsort). Der Vertrag mit dem dafür verantwortlichen Drittanbieter wurde umgehend gekündigt, dazu erklärte die Universität, dass sich »alle dort willkommen und sicher fühlen« sollen.

Es ist nicht der erste Vorfall dieser Art. Im Oktober 2022 beispielsweise war während eines American-Football-Spiels zwischen den Universitäten von Florida und Georgia eine von außen auf das Spielfeld projizierte antisemitische Botschaft in einer Endzone aufgetaucht. Zuvor hatte Kanye West mit diversen judenfeindlichen Sprüchen Aufsehen erregt (und deshalb seinen Ausrüstervertrag mit Adidas verloren). »Kanye hat recht mit den Juden«, lautete der damals projizierte Spruch. Ungefähr gleichzeitig bewarb der zuvor schon mehrmals als Anhänger von Verschwörungslügen aufgefallene Basketballer Kyrie Irving den antisemitischen Film »Hebrews to Ne­groes: Wake up Black America«. Damals zeigten sich US-Sportfunktionäre stets entsprechend sensibilisiert für das Thema.

Das reichte allerdings nicht: Einer Anfang September, also vor dem jüngsten Hamas-Terror, veröffentlichten Ipsos-Umfrage zufolge erlebten 57 Prozent der jüdischen College-Studenten entweder auf dem Campus oder generell in der Öffentlichkeit Antisemitismus. 33 Prozent waren auf dem Campus der eigenen Bildungseinrichtung entweder selbst oder als Zeugen Judenhass ausgesetzt. Wie die Situation für Juden und Jüdinnen derzeit aussieht, wurde noch nicht in Umfragen erfasst.