Auszug aus dem Roman der Schriftstellerin, Kapitänin und Aktivistin Pia Klemp

Die Schrecklichen

Gorgo ist eine erfolglose Schriftstellerin, die dem Sexismus den Kampf angesagt hat. Mit ihren Freundinnen Louisa, Elma, Merve und Tine diskutiert sie unermüdlich, wie sich das internalisierte Patriarchat im Privaten auswirkt. Gemeinsam planen sie eine öffentliche Aktion, um die Alltäglichkeit von Sexismus und Rassismus in der Welt anzuprangern. Zur Einstimmung lassen sie sich von Torben nach Hannover bringen, um einen Vortrag über den Umgang mit Männergewalt zu hören. Auf der Rückfahrt stellt sich heraus, dass Torben noch immer nicht kapiert hat, was Intersektionalismus ist.
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Schweigen und Sprechen nach sexualisierter Gewalt lädt der Flyer des Vortrags mit Großbuchstaben ein. Wir sind mit Torbens Auto unterwegs, obwohl Merve lieber selbst fahren würde, aber sie rast immer so, und darauf haben wir keinen Bock. »Wehe, wir kommen zu spät!«

Mir schwant, was das für eine Veranstaltung wird – eintönig und verkopft. Dafür fahren wir extra nach scheiß Hannover. Merve hat das bestimmt, weil Frau Zarmina eingeladen ist, die ein Buch über ihre Zeit in einem Frauenhaus geschrieben hat. Wenn es schon mal etwas zu dem Thema gibt, sollen wir auch hin und uns solidarisch zeigen, noch etwas lernen und so weiter. Leider geht es aber gar nicht so sehr um Frau Zarminas Buch oder ihre Person. Stattdessen sind Schlaustudierte da, und man muss auf unbequemen Stühlen wie aus Schulzeiten sitzen, weil sonst die akademische Atmosphäre nicht komplett ist. Abendländische Selbstgeißelung, nach der sich alle besser und rein fühlen sollen, weil sie das Leid mitgetragen haben. Ich weiß schon jetzt, dass es ein kleines Buffet mit Schnittchen (nicht vegan) geben wird. Und eine Garderobe. Immer gibt es eine Garderobe, und das Licht ist zu hell, und alle reden mit einer Stimme wie im Theaterfoyer. Ich würde lieber zu Hause weiter mit meinen Silberfischchen abhängen.

Louisa war geschickt und hat sich mit Julie und Aynur zu einer langen Star-Wars-Nacht inklusive Sheitans Schnarchen und Popcorn verabredet. Die lümmeln jetzt bequem auf der Couch, krümeln alles voll, und Louisa macht Laserschwertgeräusche. Warum habe ich bloß so übereifrig zugesagt? Schaut mich an, schaut mich an! Ich bin kulturell interessiert und kann kaum erwarten, zu hören, was andere zu sagen haben! Stimmt gar nicht. Ich will Mollis werfen, und ­dabei dürfen alle mal schön die Schnauze halten, so sieht’s aus.

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