Die Hoffnungen auf einen Neuanfang der Linkspartei

Letzte Hoffnung Parlamentarismus

Wie weiter nach der Spaltung der Linkspartei? Während einige von der Rückkehr zur Ostpartei träumen, sehen manche Mitglieder linksalternativer und linksradikaler Bewegungen jetzt ihre Chance, in der Partei eine politische Heimat zu finden.
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Wenn sich am 6. Dezember die Fraktion der Linkspartei auflöst, dann ist diese Partei, die 2007 aus der Vereinigung der vorwiegend ostdeutschen PDS mit der vorwiegend westdeutschen Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) entstanden war, Geschichte. Wie es nach dem Austritt der Gruppe um Sahra Wagenknecht mit der Linkspartei weitergeht, darüber gibt es unterschiedliche Vorstellungen. Diesen ist allerdings gemeinsam, dass sie maßgeblich von Wunschdenken und der Verweigerung einer kritischen Analyse der Entwicklung der Linkspartei geprägt sind.

Die Parteiführungen der Landesverbände in Thüringen, Brandenburg und Sachsen, die im nächsten Jahr vor Landtagswahlen stehen, aber auch maßgebliche Mitglieder der Bundestagsfraktion wie Dietmar Bartsch und Gregor Gysi planen, die Partei thematisch wieder stärker auf den Osten auszurichten, um so an die Wahlerfolge der PDS als »Kümmererpartei« der östlichen Bundesländer in den neunziger und frühen nuller Jahren anzuknüpfen.

Dabei wird aber übersehen, dass die Voraussetzungen dafür weitestgehend nicht mehr bestehen. In den neunziger und frühen nuller Jahren verfügte die PDS in Ostdeutschland noch flächendeckend über aktive Basisstrukturen, die zum Beispiel Sozialberatungen und Unterstützung bei rechtlichen Problemen anbieten konnten. Aufgrund der Überalterung der Mitgliedschaft ist diese Struktur im ländlichen Raum jedoch weitgehend verschwunden.

Obwohl die Aufrufenden Wert darauf legen, dass sie aus außerparlamentarischen Bewegungen kommen, haben sie bisher offenbar von Parlamentarismus- und von Ideologiekritik nicht allzu viel gehört.

Vor allem aber konnte die PDS, die Mitte der Neunziger unter dem Slogan »Veränderung beginnt mit Opposition« zu Wahlen antrat, davon profitieren, dass es aufgrund der Probleme der Transformationsperiode nach 1990 und der Erfahrungen, von Westdeutschen diskriminiert zu werden, so etwas wie ein schichtenübergreifendes ostdeutsches Interesse gab, das diese Partei vertrat. Dieses war so stark, dass es eine politisch und sozial durchaus heterogene Wählerschaft ansprach.

Die Widersprüche zwischen dem mittelständischen Unternehmer, der sich von der zuständigen Landesregierung Unterstützung erhofft, städtischen linksliberalen Akademiker:in­nen, einer im Vergleich zu Westdeutschland schlechtbezahlten Facharbeiterschaft und vermehrt von Altersarmut und Prekarität betroffenen Menschen im Osten sind allerdings mittlerweile zu groß, als dass sie durch ein gemeinsames ostdeutsches Interesse überdeckt werden könnten.

Wenn mit Bezug auf eine ostdeutsche Identität Protest gegen die Politik der Bundesregierung artikuliert werden soll, müsste die Linkspartei heutzutage mit der AfD und Wagenknechts Parteiprojekt um Stimmen dieser Protestwähler:innen konkurrieren. Vor dem Hintergrund des jahrelangen Strebens der ostdeutschen »Reformer« nach einer Koalition mit SPD und Grünen dürfte entsprechendes Bemühen wenig glaubwürdig wirken und kaum Erfolg versprechen.

Noch größer sind die Illusionen jedoch in den Kreisen, die glauben, nach Wagenknechts Rückzug stünde der Weg offen, aus der Linkspartei eine aktivistische, oppositionelle »Partei der Arbeiter:in­nen« machen zu können. Maßgeblich steht hierfür der Aufruf »Wir//Jetzt//Hier«, mit dem Aktive aus linksalternativen und linksradikalen Bewegungen dazu aufrufen, jetzt in die Linkspartei einzutreten. Dieser triff dem Vernehmen nach in Groß- und Universitätsstädten, auch angesichts dessen, wie die Regierungspolitik der Grünen ausfällt, durchaus auf Resonanz.

Die Autor:innen des Aufrufs scheinen tatsächlich der Behauptung aufgesessen zu sein, dass alles Schlechte in der Linkspartei auf »Lady Voldemort«, wie Wagenknecht von parteiinternen Gegner:in­nen genannte wurde, zurückzuführen sei. Obwohl die Aufrufenden Wert darauf legen, dass sie aus außerparlamentarischen Bewegungen kommen, haben sie bisher offenbar von Parlamentarismus- und von Ideologiekritik nicht allzu viel gehört. Denn bei ihnen scheint es weder ein Bewusstsein für die strukturellen Zwänge und Mechanismen parlamentarisch-parteiförmiger Politik noch für die sich europaweit im Niedergang linker Parteien niederschlagenden ökonomischen und ideologischen Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte zu geben.

Das Motiv für den Aufruf, jetzt in die Linkspartei einzutreten, ist es, dass linksradikale Aktivist:innen vor dem Scheitern ihrer Bewegungen fliehen wollen; ähnlich verhält es sich mit den andernorts angestellten Überlegungen, aus der Interventionistischen Linken (IL) eine Partei zu machen. Das ist nicht neu, solche Fluchtbewegungen gab es in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert international immer mal wieder, unter anderem verdanken ihr die Grünen ihre Existenz. Der Unterschied ist, dass das Fluchtziel mittlerweile eine Ruine ist.