Der Roman »Abteilung Herrenmode« porträtiert das Kaufhaustreiben in den frühen Dreißigern

Abteilung Herrenmode

Berlin, Anfang der dreißiger Jahre: Das Kaufhaus Schack hat ein Problem, denn die Herrenmoden­abteilung ist nicht lukrativ. Ändern sollen das junge Verkäuferinnen in aufreizenden Uniformen … Ihren 1933 erschienenen Debütroman »Abteilung Herrenmode« verfasste die Schriftstellerin Maria Gleit im Stil der Neuen Sachlichkeit – 1942 wurde er von den Nazis verboten.
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I.

Im Chefbüro der Schack & Co. A.-G. herrschte große Aufregung. Die Stenotypistinnen saßen, gespannt auf jedes Klingelzeichen achtend, vor den Schreibmaschinen. Die Lehrmädchen zitterten. Würden nicht gerade heute die unmöglichsten Aktenstücke ausgegraben werden müssen und würde nicht gerade, was verlangt wurde, fehlen? Der Chef kam auf die seltsamsten Einfälle. Und heute, großer Gott, kam er von seiner Überseereise zurück.
Die Direktoren boten das Bild äußerster Fassung. Sie, die nach den sechs Monaten seiner Abwesenheit verantwortlich waren für alles, was er beanstanden würde, hatten sich wochen- und monatelang auf diesen Tag vorbereitet. Besprechungsmappen bedeckten ihre Tische, lagen handfertig in den Fächern. Wo würde er beginnen? Wer würde als erster in das Heiligtum des Privatkonferenzzimmers gebeten werden?

Der Privatsekretär des Chefs sah wüst aus.

Er, der ihn in allen Dingen des persönlichen Lebens vertreten hatte – soweit das persönliche Leben des Chefs in dessen Abwesenheit eben an einen Privatsekretär herantritt –, lief mit großen, ängstlichen Schritten und wehenden Armen über die Korridore. Herr Schack müsste längst angekommen sein! Hatte man ihm sein Eintreffen am Ende verschwiegen?

Er merkte, dass die Angestellten ihn nicht ganz ernst nahmen, und es kam vor, dass er eine Angestellte bei einem ebenso offenen wie ihm unverschämt dünkenden Lächeln ertappte. Diese Respektlosigkeit brachte ihn vollends um seine Nerven. Er sah mehr, als tatsächlich zu sehen war. Und nun ängstigte er sich darum, die Telefonistin, im Komplott mit dem Anmeldebüro, könne ihm heimtückisch verschwiegen haben, dass der Chef längst in seinem Zimmer sei.

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