Whistleblower sind in Zukunft besser vor Repressionen geschützt

Drauf gepfiffen

Deutschland erließ im vergangenen Juli ein Gesetz mit dem klangvollen ­Namen Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) und setzte damit eine EU-Richtlinie um, die eine derartige Regelung bereits seit 2019 forderte. Be­hörden und Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitenden müssen seit Dezember ­interne Anlaufstellen schaffen, die Meldungen vertraulich entgegennehmen und bearbeiten. Wer gegen das Gesetz verstößt, dem droht ein Bußgeld bis zu 50.000 Euro.
Kolumne »Schicht im Schacht« Von

Unter Linken hat die Anzeige bei der Polizei einen besonders schlechten Ruf. Weil: Staat böse, während Selbstjustiz irgendwie als empowerment durchgeht. Beschäftigte, die ihren Arbeitgeber anzeigen wollen, gelten aber auch im stinknormalen Betrieb oft als Nestbeschmutzer:innen, als illoyal oder als feige Petze.

Im schlimmsten Fall werden sie für die Preisgabe von innerbetrieblichen Informationen gemobbt oder sogar juristisch belangt – ihren Arbeitsplatz verlieren sie meist auf die eine oder andere Weise. Davor waren sie bisher komplett ungeschützt. Ein Gesetz zum Schutz von sogenannten Whistleblowern fehlte hierzulande bis zum vergangenen Jahr – in den USA besteht ein solches Gesetz auf Bundesebene seit 1989.

Bei den Anzeigen der Whistleblower handelt es sich in den wenigsten Fällen um die Aufdeckung der ganz großen Affären oder wirklichen Geheimnisverrat, wie man ihn aus dem Kino kennt. Meistens geht es um Steuervergehen, Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften oder Schmiergeldzahlungen, aber auch um sexuelle Übergriffe.

Wenn dann herauskommt, wer die Whistle­blower sind, bekommen sie im Betrieb meist noch größere Probleme. Dagegen will die EU seit Jahren schon vorgehen. Die Grundlage für das Gesetz, das Arbeitnehmer:innen in solchen Fällen vor Kündigung und Mobbing schützen soll, ist die EU-Hinweisgeberrichtlinie von 2019. Diese legt fest, dass Angebote für anonyme Meldungen geschaffen und mögliche Repressalien durch den Arbeitgeber abgewehrt werden müssen.

Wer aus Angst vor Repression ­einen anonymen Hinweis geben will, sollte sich vorher gut das Kleingedruckte durchlesen.

Deutschland erließ – mit extrem viel Verspätung – im vergangenen Juli dazu ein Gesetz mit dem klangvollen ­Namen Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG). Laut Gesetz müssen Be­hörden und Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitenden seit Dezember ­interne Anlaufstellen schaffen, die Meldungen vertraulich entgegennehmen und bearbeiten. Wer gegen das Gesetz verstößt, dem droht ein Bußgeld bis zu 50.000 Euro.

Zusätzlich wurde eine externe Meldestelle beim Bundesamt für Justiz geschaffen. Man muss sich das wohl wie einen großen Kummerkasten vorstellen. Aber so richtig alles will man beim Bund dann auch nicht wissen. »Informationen über privates Fehlverhalten fallen nicht unter das Hinweisgeberschutzgesetz«, heißt es dort. Oder: »Für Hinweise auf Verstöße im Bereich Finanzdienstleistungen, Finanzprodukte und Finanzmärkte sowie die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sind wir nicht zuständig.«

Wer also aus Angst vor Repression ­einen anonymen Hinweis geben will, sollte sich vorher gut das Kleingedruckte durchlesen. Die Arbeitgeber beschweren sich trotzdem: »Die Unternehmen fühlen sich belästigt und erachten das Hinweisgeberschutzgesetz als unnötigen und den Betriebsfrieden störenden Eingriff in die Unternehmenskultur«, findet die Industrie- und Handelskammer Südthüringen (IHK). Ein guter Indikator. Denn was der IHK nicht gefällt, kann so schlecht nicht sein.