Deutsche Großunternehmen beziehen Stellung gegen die AfD

Ein Machtwort der Konzerne

Mit einer Anzeigenkampagne nehmen Großunternehmen Stellung gegen die AfD. Gerade autoritär eingestellte AfD-Anhänger könnten sich davon durchaus beeindrucken lassen.

Seit Wochen gehen Hunderttausende gegen die AfD auf die Straße – da wollen die großen Unternehmen offenbar nicht abseits stehen. Die Zeitungen Handelsblatt, Süddeutsche Zeitung, Tagesspiegel, Wirtschaftswoche, Die Zeit und das Werbeunternehmen Ströer haben jüngst eine Kampagne gegen die AfD begonnen, an der sich 600 große und kleine Unternehmen, Stiftungen und Verbände beteiligen. Von Adidas bis Zeiss fehlt kaum ein namhafter deutscher Konzern, die Verlagshäuser stellen ihren Anzeigenplatz kostenlos zur Verfügung.

Den zahlreichen Firmen-Logos ist ein bemerkenswerter Text beigefügt: »Dumpfer Populismus? Nein danke! Die sogenannte ›Remigration‹ unserer Freundinnen, Nachbarn, Kolleginnen? Ganz sicher nicht. Und Faschismus? Nie wieder!«, heißt es dort. Und weiter: »Wir haben aus der Geschichte gelernt und vergessen nicht, wie das Unmenschliche – zunächst heimlich und verhalten, dann unterdrückend und brutal – in die Gesellschaft eingedrungen ist (…). Wir stehen gemeinsam für ein offenes Land, das sich mutig den Herausforderungen stellt, anstatt sich von rechter Propaganda aufheizen und aufhetzen zu lassen. Denn wir wissen bereits, wohin das führen kann (…).«

Sätze solcher Klarheit waren von den Verantwortlichen der deutschen Unternehmen nicht unbedingt zu erwarten gewesen. Bisher haben die Unternehmer sich meistens hinter ihren Verbänden versteckt. Der Vorsitzende des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, hatte im vergangenen Dezember noch relativ zurückhaltend gesagt, die AfD sei »schädlich für die Zukunft unseres Landes«.

Die NSDAP wurde damals von den dominanten Kapitalfraktionen unterstützt, heute stehen die großen Unternehmen der extremen Rechten fast geschlossen ablehnend gegenüber.

Nun hat anscheinend ein Umdenken stattgefunden. Die Mutmaßung des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Siemens AG scheint widerlegt. Joe ­Kaeser, der schon früh die AfD attackierte, meinte vor einigen Jahren, die Vertreter der Industrie, soweit sie Konsumgüter für den deutschen Markt produzieren, würden sich nicht allzu deutlich gegen die rechte Partei positionieren. »Das kann man sich nicht leisten«, man denke schließlich kaufmännisch, sagte Kaeser damals.

Auffällig ist, wer auch heute noch der Anti-AfD-Kampagne fern und der alten Linie treu blieb: die Lebensmittel-Discounter Aldi, Lidl und Kaufland. Ein Grund sind vermutlich Sorgen um das Betriebsklima. Die Geschäftsführerin eines Kosmetikkonzerns verdeutlichte dies in einem öffentlichen Beitrag auf Linkedin: PR-Berater warnten ihr zufolge davor, »sich öffentlich gegen die politische Überzeugung von 20 Prozent der Belegschaft zu stellen.«

Aber auch die Kundschaft scheint ein Problem. Diese Erfahrung machte kürzlich ein Betreiber mehrerer Edeka-Läden in Sachsen, Bayern und Thüringen. Für einen Werbeprospekt mit der Aufschrift »Für Demokratie – gegen Nazis« erntete er das, was man heute einen Shitstorm nennt. Sein öffentlicher Rückzieher: »Durch den Austausch mit unseren Kunden habe ich gelernt, dass sich viel mehr Menschen mit dem Wort Nazi identifizieren, als ich dachte«, schrieb er auf seiner Website: »Wahrscheinlich auch deswegen, weil diese Menschen in der Vergangenheit vorschnell in die Nazi-Schublade gesteckt wurden, anstatt sich mit ihren Sorgen auseinanderzusetzen.«

Sich den Sorgen dieser Art Kundschaft nicht zu verschließen, scheint die Haltung des Herrn Schwarz (Lidl, Kaufland) und der Brüder Albrecht (Aldi) zu sein. Vielleicht will man es sich mit der aufstrebenden rechten Partei auch nicht verscherzen. Oder hat man gar Sympathie für die AfD? Bei dem Besitzer von Müllermilch braucht niemand zu spekulieren. Der Milliardär Theo Müller sieht in der AfD-Chefin Weidel »eine Freundin«, erzählte er kürzlich der NZZ, sie komme »öfters zu Besuch«.

Linke, die sich der Partei historisch informiert in den Weg stellen wollen, werden die Differenz zwischen den neuen Rechtsextremen und den alten Nazis nicht übersehen. Die NSDAP wurde damals von den dominanten Kapitalfraktionen unterstützt, heute stehen die großen Unternehmen der extremen Rechten fast geschlossen ablehnend gegenüber. Deutsche Konzerne operieren weltweit und sind exporto­rientiert. Sie brauchen geordnete Verhältnisse, einen offenen Welthandel, eine stabile EU – und ein gutes Image Deutschlands in der Welt.

Wohl spielen Kleinunternehmer eine wichtige Rolle bei der extremen Rechten , doch bislang zumindest scheint es der AfD an den hilfreichen Ruhrbaronen zu fehlen, die Hitler mit an die Macht brachten. Die Kohle- und Stahlindus­triellen waren nach der November­revolution 1918 gezwungen gewesen, die Gewerkschaften, den Achtstundentag und die Tarifverträge anzuerkennen. Zehn Jahre später finanzierten sie die nazistische »Arbeiterpartei«, um die Arbeiterbewegung auszuschalten. Nun gibt es heute aber keine starke linke Bewegung, die dem großen ­Kapital ein Bündnis mit dem Faschismus nahelegen würde.

Gegen die obere Etage ihres Unternehmens zu rebellieren, ist von anderer Qualität, als gegen Scholz und Habeck zu wettern.

Ein unwichtiger Fakt ist das nicht. Und bedeutsam ist auch, worauf die Kritische Theorie hinweist, die ein Missverständnis des hilflosen Antifaschismus korrigieren will: Wer der verhetzenden Propaganda Glauben schenkt, sei nicht von Argumenten überzeugt, sondern von seinem Unbewussten überwältigt. Die »Hassverkäufer« (Adorno) stimulierten das seelische Vegetationszentrum mit Wut und Angst. Eine auf Rationalität bauende Aufklärung sei dagegen weitgehend machtlos.

Gegen die Strategie der Angstverstärkung helfe mitunter nur, mit Angstverstärkung zu antworten. Den für die rechte Propaganda Ansprechbaren sei die existentielle Kata­strophe vor Augen zu führen, welche die faschistische Politik zeitigen würde. An das Interesse an Selbsterhaltung zu appellieren, sei allemal hilfreicher, als auf den Moralkodex zu verweisen.

Worin besteht der Zusammenhang mit der Gegenwart und der gegen die AfD gerichteten Reklame? Sie kann dabei helfen, die Gefolgsleute von Höcke, Weidel und Chrupalla zu verunsichern. Deren Anhänger sehen sich gerne als Rebellen, aber es sind konformistische Rebellen. Die Wirtschaftsordnung würden sie niemals in Frage stellen.

Gegen die obere Etage ihres Unternehmens zu rebellieren, ist deshalb von anderer Qualität, als gegen Scholz und Habeck zu wettern. Dem Alltagsverstand zufolge sind die Unternehmer die »Arbeitgeber«: Wer die Arbeit gibt, sichert die Existenz, und wer sie zu nehmen droht, erzeugt ­Existenzangst. Der Anzeigentext der Anti-AfD-Kampagne ist mit einem Subtext unterlegt: Wer sich mit der AfD einlässt, riskiert sein Auskommen. ­Diese Botschaft könnte bei vielen wirksamer sein, als ihnen mit demokratischen Werten zu kommen.