21.03.2024
Immer mehr Parteien konkurrieren um die rechte und rechtsextreme Wählerschaft Sachsens

Die rechten Lückenfüller

Von Freie Wähler bis Bündnis Deutschland: Zahlreiche neue Parteien buhlen um die Gunst der rechten und rechtsextremen Wählerschaft. In Sachsen bereiten sie sich auf die Landtagswahl im September vor.

Wenn am 1. September die sächsische Landtagswahl stattfindet, haben rechte und rechtsextreme Wähler die Qual der Wahl. Neben der »Alternative für Deutschland« (AfD) werden voraussichtlich auch das Bündnis Deutschland, die kürzlich als Partei gegründete Werteunion, die Freien Wähler, die »Querdenken«-Partei Die Basis und die Freien Sachsen antreten.

Zwei dieser Kleinparteien, die Freien Wähler und das Bündnis Deutschland, sind bereits im Sächsischen Landtag vertreten. Dabei wurde Bündnis Deutschland erst 2022 gegründet, zur Landtagswahl 2019 trat die Partei deshalb noch nicht an. Einen Sitz erhielt sie dieses Jahr, weil der AfD-Abgeordnete Ivo Teichmann zur neuen Partei übertrat.

Die Freien Wähler erzielten 2019 mit 3,4 Prozent zwar eines ihrer besten Ergebnisse außerhalb Bayerns, für den Einzug in das Parlament reichte das freilich nicht. Sie verdanken ihren Sitz dem Übertritt des ehemaligen CDU-Mitgliedes Stephan Hösl im Februar.

Der ehemalige CDU-Abgeordnete Hösl wollte wohl mit dem Übertritt zu den Freien Wählern seine politische Karriere in die nächste Legislaturperiode retten.

Das Beispiel Hösls demonstriert, was wohl ein Großteil des Personals der neuen rechten Parteien motiviert. Er war früher Vorsitzender des CDU-Stadtverbands Reichenbach, Mylau, Heinsdorfergrund. Im Oktober 2023 unterlag er bei der Aufstellung des CDU-Direktkandidaten in seinem Wahlkreis einem Mitbewerber.

»Mindestens vier Mitglieder aus dem Stadtverband müssen gegen mich gestimmt haben«, klagte der ehemalige Bergmann damals in der Freien Presse. Auch auf der Landesliste für die Landtagswahl erhielt Hösl keinen aussichtsreichen Platz. Seine Karriere in der Landespolitik war somit vorbei – zumindest in der CDU.

Der Spitzenkandidat der Freien Wähler ist Oberbürgermeister von Grimma

Wie viele Glücksritter und partei­politische Opportunisten wollen die Landtagsabgeordneten Teichmann und Hösl mit dem Übertritt offenbar ihre politische Karriere in die nächste Legislaturperiode retten. Ob dies gelingen wird, bleibt äußerst fraglich. »Wir müssen einmal über diese Hürde springen«, beschwor der Landesvorsitzende der Freien Wähler, Thomas Weidinger, in der Sächsischen Zeitung den Mut der Verzweiflung. »Wenn wir es dieses Mal nicht schaffen, wann dann?«

Der Spitzenkandidat der Freien Wähler ist Matthias Berger, der Oberbürgermeister von Grimma. Er erklärt vollmundig: »Wir sind die Alternative zur ›Alternative‹.« In den Umfragen bleibt die Partei bisher aber unter fünf Prozent. Seine Hoffnungen setzt Weidinger deshalb auf Direktman­date: In Sachsen reichen zwei Direktmandate aus, damit eine Partei proportional zu ihrem Zweitstimmenergebnis Sitze in den Landtag erhält.

Der Bundesparteitag der Freien Wähler verhängte Mitte Februar ein Kooperationsverbot mit der AfD. Diesen Beschluss lehnt der sächsische Landesverband jedoch ab. »Die Freien Wähler in den Kommunen sind parteiunabhängig und daher vom genannten Beschluss ohnehin nicht betroffen«, sagt Weidinger dazu. Eine »Brandmauer« sei aus seiner Sicht nicht hilfreich, »wenn es um das Lösen konkreter sachlicher Probleme geht«. Er fügte hinzu: »Wir haben in Deutschland keine guten Erfahrungen mit dem Bau von Mauern gemacht.«

»Repräsentanzlücke zwischen CDU und AfD«

Die meisten der eingangs erwähnten rechten Kleinparteien vertreten den Anspruch, eine »Repräsentanzlücke zwischen CDU und AfD« zu füllen. So ­formulierte es Raoul Classen vom Bündnis Deutschland im vergangenen Sommer in der Welt. Classen ist Hamburger Landesvorsitzender und außerdem Bundesvorstandsmitglied der Partei – früher war er erfolgloser Bundestagskandidat der FDP. Seine neue Partei sieht er als Angebot für frustrierte Wähler der bürgerlichen Parteien, »damit sie nicht ins Nichtwählerlager wandern oder sich gezwungen sehen, zur AfD zu gehen«.

Man kann Bündnis Deutschland auch als Abspaltung der Freien Wähler betrachten. Bundesvorsitzender ist nämlich Steffen Große, früher der stellvertretende Chefredakteur von Antenne Sachsen – und ehemaliger Vorsitzender der sächsischen Freien Wähler. Er hatte sich über die Covid-19-Pandemie mit seiner Partei überworfen.

Im April 2020 hatte Große einen offenen Brief an den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) verfasst. Darin forderte er die sofortige Aufhebung aller Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie und sprach von einer »künstlich erzeugten Panik«; Covid-19 sei nur so gefährlich wie eine Grippe. Große erhielt viel Unterstützung in der Partei, es gab aber auch Kritik, unter anderem vom Bundesvorsitzenden, dem bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. Der Bundesvorstand der Partei enthob Große schließlich seines Amts, woraufhin er mit einem großen Teil der sächsischen Mitglieder aus der Partei austrat.

In Dresden kooperiert das Bündnis Deutschland bei der Stadtratswahl im Juni mit der Wahlliste Team Zastrow.

Mit seiner neuen Partei will auch Große die vermeintliche »Repräsentationslücke« zwischen CDU und AfD füllen. Zu den Zielen von Bündnis Deutschland gehört es, die »Klimapolitik der etablierten Parteien« sowie die Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) durch den Staat zu beenden. Der Etat der Bundeswehr soll dagegen fast verdoppelt werden. »Alle gesunden Bürger müssen aus Sicht von Bündnis Deutschland arbeiten«, heißt es auf der Website der Partei. »Wir drücken die Arbeitslosigkeit in Richtung null Prozent.« Bürgergeld sei dann »nicht mehr nötig«.

In Dresden kooperiert das Bündnis Deutschland bei der Stadtratswahl im Juni mit der Wahlliste Team Zastrow. Dabei handelt es sich um den Wahlverein des Unternehmers Holger Zastrow, der 20 Jahre lang dem FDP-Landesverband vorsaß. Nach seinem öffentlichkeitswirksamen Parteiaustritt im Januar verkündete Zastrow, mit einer eigenen Liste zur Stadtratswahl in der Landeshauptstadt anzutreten. Er habe seit zehn Jahren mit seiner alten Partei gefremdelt, unter anderem weil immer mehr »Studenten der Geisteswissenschaften« den Kurs der Partei geprägt hätten.

Der Auslöser für seinen Austritt seien die diesjährigen Bauernproteste gewesen. »Als ich die Rede von Christian Lindner am Brandenburger Tor gehört habe, gab mir sogar mein Körper das Gefühl: Ich muss aus der Partei raus«, sagte Zastrow T-Online – der Bundesfinanzminister und FDP-Vorsitzende Lindner war damals ausgebuht worden.

Befragt nach seinen neuen Bündnispartnern sagte Zastrow: »Ich hab das Programm des Bündnis Deutschland nicht gelesen.« Das sei auch nebensächlich. »Wir stehen nicht zwischen CDU und AfD: Wir sind die Mitte«, meint Zastrow. Ob seine Wahlliste auch zur Landtagswahl im September antritt, lies er offen.