Die Legenden über die jüdische mystische Figur des Golem

Vom Diener zum Beschützer

Seit dem Mittelalter sind verschiedene Sagen über den Golem, eine jüdische mystische Figur, im Umlauf. Der aus Lehm geschaffene und von einem Rabbiner zum Leben erweckte Golem (der nicht nur Geschichten von E. T. A. Hoffmann, sondern auch die Superman-Comics ­inspirierte) fungiert in der bekanntesten Sage als Beschützer der Juden – und wurde auch deswegen nach der Shoah besonders populär.
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Nur ein einziges Mal kommt das Wort in der Bibel vor. Im Psalm 139:16 heißt es: »Deine Augen sahen mich, da ich noch nicht bereitet war (…).« Was in der Lutherbibel mit »noch nicht bereitet« übersetzt wird, ist in der hebräischen Bibel das Wort »גָּלְמִ֤י« (golmi) – die erste und älteste Erwähnung des Wortes Golem. Von hier ausgehend hat sich im Lauf der Jahrtausende eine reichhaltige Legendenkultur entwickelt, deren bekannteste Ausprägung die vom Prager Rabbi Löw und seinem Golem ist und deren Wirkung sich bis zu den Superman-Comics und darüber hinaus verfolgen lässt.

Im Kern steht die Vorstellung eines von einem Rabbi aus Lehm geschaffenen Humanoiden, der mittels (Sprach-)Magie zum Leben erweckt wird. Die Variationen unterscheiden sich teils erheblich voneinander, nicht nur hinsichtlich der Details der Erschaffung des Golems, sondern auch was dessen Taten und Bedeutung angeht. In den frühesten Texten stand der Aspekt der Schöpfung im Mittelpunkt, wobei Fragen der menschlichen Kreativität und deren Gefahren, insbesondere hinsichtlich der Anmaßung, gottgleich Leben erschaffen zu können, verhandelt wurden. In den verschiedenen ab dem 19. Jahrhundert populär gewordenen Legenden über den Golem von Prag steht jedoch der Aspekt der Nützlichkeit im Vordergrund: Der Golem soll hier als Diener des Rabbi und als Beschützer der jüdischen Gemeinde fungieren; ob er selbst zur Gefahr wird, ist zweitrangig.

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