Im Film »Late Night with the Devil« übernimmt ein Dämon ein Fernsehstudio

Fernsehen ist des Teufels

Der Horrorfilm »Late Night with the Devil« zeigt in Found-­Footage-Manier eine okkulte Talkshow und taucht dabei in die Ästhetik der siebziger Jahre ein.

Der ehemals gefeierte Late-Night-Moderator Jack Delroy (David Dastmalchian) kämpft Ende der siebziger ­Jahre mit schwächelnden Quoten. Um die Absetzung seiner Show »Night Owls« zu verhindern, plant er eine aufsehenerregende Halloween-Sondersendung mit vermeintlich übernatürlich begabten – beziehungsweise geplagten – Gästen.

Der Horrorfilm »Late Night With the Devil« von Cameron und Colin Cairnes führt zunächst in einer etwas hektisch geratenen Chronologie in den Aufstieg und Fall des Conférenciers ein. Nach einer erfolgreichen Fernsehkarriere in den von chaotischen Massenprotesten und einem Boom okkulter Themen geprägten Siebzigern, die durch Gerüchte über Delroys Mitgliedschaft in einer sagenumwobenen Sekte für Reiche und Mächtige überschattet wurde, erleidet seine Erfolgssträhne durch die Krebserkrankung und den Tod seiner Ehefrau Madeleine (Georgina Haig) einen herben Dämpfer. Das Comeback nach einer Auszeit will nicht so recht gelingen, das Fernsehpublikum schaut lieber Johnny Carsons »Tonight Show«.

»Late Night With the Devil« besticht in erster Linie durch das originelle Setting sowie die überzeugende Aus­­stattung, die die Siebziger wiederauferstehen lässt.

Nach diesem Prolog beschränkt sich der Spielfilm in Found-Footage-Manier darauf, die Aufzeichnung der Sendung sowie exklusive Behind-the-Scenes-Aufnahmen während der Werbepausen zu zeigen. Das ist unterhaltsam anzusehen – die Sendung ist mit nostalgischem Charme inszeniert und David Dastmalchian verkörpert den so bemühten wie grellen Delroy mit einer souveränen, leicht abgründigen Raffinesse.

Der erste Gast ist Christou (Fayssal Bazzi), der sich als Medium ausgibt und nach ­einigen Fehlversuchen doch noch eine einigermaßen überzeugende Darstellung seiner angeblichen Fähigkeiten zustande bringt, indem er ­einer Frau im Publikum und ihrer Tochter Nachrichten von deren verstorbenem Sohn beziehungsweise Bruder überbringt. Zum Ende seiner Performance beunruhigt Christou das Publikum mit einem plötzlichen Anfall. Er behauptet, die Präsenz eines düsteren, mächtigen Wesens zu verspüren, und erbricht schließlich eine schwarze Flüssigkeit auf die Bühne.

Entzauberung der paranormalen Vorgänge

Um eine Entzauberung der paranormalen Vorgänge bemüht sich Delroys nächster Gast Carmichael Haig (Ian Bliss). Er tritt zwar selbst mit – recht konventionellen – Zaubertricks auf, macht aus dem Illusionscharakter seiner Täuschungen allerdings keinen Hehl und bemüht sich um die Enttarnung aller Arten von Scharlatanerie. Als überzeugter Rationalist stellt er sogar ein Preisgeld von 500.000 Dollar auf den wissenschaftlichen Beweis eines übernatürlichen Vorgangs aus (der 2020 verstorbene James Randi hat die Inspi­ration für diese Figur geliefert). Die Erklärung von Christous hellseherischen Fähigkeiten bereitet dem routinierten Skeptiker kaum Probleme – auch ein blindes Huhn finde mal ein Korn und vermutlich hätten vor der Sendung Absprachen stattgefunden.

Größere Schwierigkeiten bereiten ihm die nächsten beiden Gäste. Lilly D’Abo (Ingrid Torelli) ist die einzige Überlebende des Massenselbstmords einer satanistischen Sekte, die im Verdacht stand, Menschenopfer zu erbringen. Sie ist schwer traumatisiert und wähnt sich von einem Dämon besessen. Begleitet wird sie von June Ross-Mitchell (Laura Gordon), einer Parapsychologin, die Lilly therapeutisch behandelt. Letztere fällt zunächst durch eine geradezu verstörende Freundlichkeit und Unbeschwertheit auf. Immer wieder sucht sie lächelnd den Blick der verschiedenen Studiokameras, dem Moderator Delroy begegnet sie mit schwärmerischem Charme. Während des Interviews künden erste technische Störungen von der Anwesenheit des Dämons. Delroy wittert die Chance auf eine Fernsehsensation und überredet Ross-Mitchell gemeinsam mit der scheinbar freudig erregten Lilly, den Dämon unter kontrollierten Bedingungen dazu zu ermutigen, sich ihrer vorübergehend zu bemächtigen.

Moderator Jack Delroy (David Dastmalchian) durchlebt eine schreckliche Vision

Ein Alptraum. Moderator Jack Delroy (David Dastmalchian) durchlebt eine schreckliche Vision
 

Bild:
Capelight Pictures

Während der Werbepause versucht Delroys sympathischer Sidekick Gus McConnell (Rhys Auteri) noch, an das Gewissen des quotenhungrigen Showmasters zu appellieren; erste Mitarbeiter hätten das Studio bereits verlassen. Überdies kursiert inzwischen hinter den Kulissen die Nachricht, der Hellseher Christou sei auf dem Weg ins Krankenhaus verstorben. Doch der Moderator und der Produzent der Sendung lassen sich nicht von ihren Plänen abbringen und so nimmt der Schrecken vor den Augen des Studiopublikums und an den Empfangsgeräten seinen diabolischen Lauf – wenig überraschend scheitern alle Versuche, die Präsenz des Dämons einzuhegen und seine Mord- und Zerstörungslust unter Kontrolle zu bringen.

Originelles Setting, überzeu­gende Ausstattung

»Late Night With the Devil« besticht in erster Linie durch das originelle Setting sowie die überzeu­gende Ausstattung, die die Siebziger wiederauf­erstehen lässt. Zwar stören einige genretypische Ungereimtheiten die Kohärenz des Films – warum etwa sollte der Mitschnitt einer Sendung, die ganz Amerika schockierte, erst jetzt überraschend wieder auftauchen, wie im Prolog sug­geriert wird? Auch bleiben Elemente der Erzählung oberflächlich und ­unausgereift, beispielsweise Delroys Mitgliedschaft in der gerüch­te­umwobenen Sekte. Diese wird zwar noch einmal aufgegriffen, als der Dämon den Showmaster zu erkennen vorgibt und eine vorherige Begegnung der beiden bei einem Sektentreffen im Wald andeutet. Der Handlung fügt sie dennoch wenig hinzu und bringt den Film eher in den Verdacht, das mythische Geraune über düstere Machenschaften ­einer verborgenen Elite bedienen zu wollen.

Außerdem hätte es dieses Details gar nicht bedurft, denn das Diabolische eignet sich viel besser als Bild für die inneren Dämonen, mit denen Delroy zu kämpfen hat – die unbewältigte Trauer um seine Ehefrau sowie seine Korrumpierung durch den Konkurrenzdruck im umkämpften Showbusiness. Sie verfolgen den Moderator im Finale des Films in einer alptraumartigen Sequenz, in der der Film seinen Found-Footage-Charakter doch noch einmal ablegt und Delroy mit Hilfe von Filmschnitten durch seine Abgründe jagt. So tut sich »Late Night With the Devil« gegenüber der inflationär produzierten Stangenware des Horror-Genres doch durch eine gewisse Originalität hervor.

Hoffen durch ihr Halloween-Special auf gute Quoten: Delroy und sein Produzent Leo (Josh Quong Tart)

Hoffen durch ihr Halloween-Special auf gute Quoten: Delroy und sein Produzent Leo (Josh Quong Tart)

Bild:
Capelight Pictures

Als Herzstück des Films kann die diesem Epilog vorangestellte Klimax-Szene gelten, in der der Dämon sich vollends Kontrolle über das Mädchen und das gesamte Fernsehstudio verschafft. Erhaben steht er in Gestalt Lillys auf der Bühne, sie wird von Lichtblitzen durchströmt, schließlich spaltet sich ihr Kopf und hervor bricht ein opakes Leuchten, währenddessen flimmert ihr Leib wie alte Fernsehbildschirme – die Inszenierung ist ästhetisch eine in die Bildsprache des klassischen Fernsehens gekleidete Verbeugung vor der berühmten Prom-Szene in Brian De Palmas Klassiker »Carrie« (1976).

Neben solchen originellen und ­effektiven Einfällen macht auch der für einen Low-Budget-Horrorfilm bemerkenswert sorgfältig gewählte Cast »Late Night With the Devil« zu einem kurzweiligen Sehvergnügen. Ingrid Torelli spielt die zwischen mädchenhafter Unbedarftheit und dämonischer Besessenheit chan­gierende Lilly souverän, und David Dastmalchian dabei zuzusehen, wie er den zunächst vom Erfolgsdruck und schließlich vom dämonischen Wahnsinn getriebenen Showmaster mimt, ist schlicht gute Unterhaltung. Auch bis in die Nebenrollen wurden die richtigen Gesichter gecastet, um den Zuschauer auf charmante Weise für einen Abend in die Abgründe eines entfesselten Jahrzehnts zu entführen.

Late Night With the Devil (AUS/UAE/USA 2023). Buch und Regie: Colin und Cameron Cairnes. Darsteller: David Dastmalchian, Laura Gordon, Ian Bliss, Fayssal Bazzi, Ingrid Torelli