Mittwoch, 21.06.2017 / 11:43 Uhr

Er starb als Muslim

Von
Leo Fischer

Abschied von Helmut Kohl. Beispiellos ist die Häme, die in den letzten Tagen über den Tod Kohls, den Kohltod, aber auch die Person des Altkanzlers, Helmut Kohl selbst also, ausgegossen wurde.

Ohne jede Zurückhaltung peitschten linke und ultralinke Medien auf den Kanzler der Einheit ein, kaum, dass sein letzter Atemzug verröchelt war. Miese Witze, uralte Titanic-Titelblätter und längst verjährte Verbrechen wurden noch einmal hervorgekramt - ganz so, als sei da nicht Deutschlands Retter gestorben, sondern ein beliebiger Apparatschik und Machtbolzen, dem die Einheit irgendwie in den Schoß gefallen war. Wir müssen uns langsam fragen, ob wir noch in einem Land leben wollen, in welchem man nicht einmal im Tode von Nachstellungen und Anfeindungen verschont bleibt. Wahrlich, Kohl hat Besseres verdient; Besseres als sein Andenken immerhin, Besseres als uns allemal.

Die Tatsache, dass sich seine Kritiker wieder nur an SS, Schwarzgeld, Kirch und Ehrenwort abarbeiten, zeigt, wie lange es schon her ist, daß Kohl überhaupt noch öffentlich in Erscheinung trat. Seit Anfang der Zehnerjahre lebte Kohl hermetisch abgeschirmt; seine Regentin Maike Kohlrichter kontrollierte akribisch seine Kontakte, ließ nur ausgewählte Verwandte zu ihm vor, und auch dies nur mit gutem Grund. Warum? Sicher war da die Gier, in die Rolle der verhassten Rivalin Hannelore zu schlüpfen, in ihre Kleider und Familienerbstücke, in ihr Heimsolarium und den Zweimann-Schlafsack. Andererseits war es ihr wichtig, die Marke Kohl zu schützen; jenen guten Ruf, den Kohl in seinen helleren Jahren erarbeitet hatte und nun durch seine oft unbedachte, tollpatschige Art selbst zu bedrohen schien. Maike mußte Kohl vor sich selber schützen, mußte ihn noch zu Lebzeiten ausstopfen, um den Helden, den sie als Teenagerin verehrt hatte, für immer zu erhalten. Wer will da verübeln, dass Kohl immer wieder kleine »Unfälle« passierten? Gerade im Alter ist Disziplin alles.

Es war noch viel zu tun in Kohls letzten Jahren. Historiker mussten verklagt, ehemalige Mitstreiter erpresst werden; wichtige Dokumente wurden verbrannt oder gar nicht erst geschrieben. Für Maike war aber auch wichtig, dass der Christdemokrat Kohl vor seinem Tod endlich den wahren Glauben annahm, und das hieß für sie natürlich: den Islam. Denn die dürren biographischen Fakten, die über Maike Kohlrichter bisher bekannt waren, haben vor allem den Grund, daß die gebürtige Tunesierin (eigentlich: Maida al-Kuhl) ihren muslimischen Glauben nicht an die große Glocke hängen wollte. So ist die schleichende Islamisierung Kohls ein weitgehend ungeschriebenes Kapitel der Nachwendezeit.

Dem Übertritt folgt ein lebhafter Briefwechsel mit dem Prediger Fetullah Gülen. Gülen betont dabei die Notwendigkeit der Einheit des Glaubens, Kohl seinen Glauben an die Einheit. Später wendet sich Kohl von dem »Verräter« Gülen ab und plant zusammen mit Erdoğan seine Auslieferung, von der aber Maike nichts hält.

Wenn wir heute von Helmut Kohl sprechen, als dem Staatsherrn Europas, dem großen Einheitsmann und Anführer der Ostgebiete, vergessen wir dabei stets den tiefreligiösen Menschen, der zweimal täglich den schnöden Mammon anbetete und sich sonntags in der Kirche an Hostien sattfraß; der auf Kirchentagen fünf Weiber an jeder Hand klarmachte und sich bei der Papstaudienz eine Jumbo-Pizza in den Petersdom liefern ließ. Es ist nur natürlich, dass der Katholik Kohl unter Einfluß seiner tunesischen Zweitfrau den Jesusglauben irgendwann als nicht mehr radikal genug empfand, dass er mit fortschreitendem Alter auf Jungfrauen und Pfirsichknaben hoffte, wie sie ihm so nur der Koran empfahl. Es brauchte nicht viel, bis Maike ihm die Schahada, das islamische Glaubensbekenntnis ablockte. Ein Blitzanruf bei Pierre Vogel regelte das Bürokratische. Und die rituell vorgeschriebene Ganzkörperreinigung wurde mit einem Besuch in der Autowaschanlage abgegolten. Neu geboren und nach Wildblumen riechend, war der gläubige Muslim Kohl bereit, sich in die heiligen Schriften zu vertiefen, sein Leben tiefer Einkehr und Buße zu widmen, dass es nur so spritzte.

Wie konnte es dazu kommen? Die islamische Theologie, mit ihrer Betonung des Einen, Unteilbaren Gottes, lag dem Kanzler der Einheit ideologisch schon immer nahe. Alles geschieht, weil Gott es will, und nichts geschieht, wenn er es nicht will - so, wie Kohl seine Kanzlerschaft erlebte, musste ihn der Gott des Korans irgendwann einfach anspringen. Dann ist da noch der Islam als Geschichtsreligion - für den promovierten Historiker Kohl (»Das Wiedererstehen der Strickjacke in der Pfalz nach 1945«) ein wahres Zuckerfest! Letztendlich musste Maike nur die richtigen Suren heraussuchen und sie Kohl dann hinter die dicke Lesebrille pinnen.

Dem Übertritt folgt ein lebhafter Briefwechsel mit dem Prediger Fetullah Gülen. Gülen betont dabei die Notwendigkeit der Einheit des Glaubens, Kohl seinen Glauben an die Einheit. Später wendet sich Kohl von dem »Verräter« Gülen ab und plant zusammen mit Erdoğan seine Auslieferung, von der aber Maike nichts hält. Viele Monate sitzt Kohl an einer Fatwah, die es ihm erlaubt, seine beiden abtrünnigen Söhne öffentlich steinigen zu lassen und das Grab Hannelores zu schänden; doch die Universität von Kairo interveniert im letzten Moment. Schließlich der Durchbruch: Nachdem es Kohl 2012 als eine der wenigen lebenden Personen auf eine Briefmarke schafft, erhält er vom saudischen König die Erlaubnis, eine eigene private Kaaba auf seinem Hof in Oggersheim zu errichten - so spart Kohl Reisekosten für die Hadsch und kann sich aussuchen, in welche Richtung er seine täglichen Gebete ableistet.

Maike ist ihm in diesen Tagen eine Stütze; eine gütige, manchmal auch strafende Hand, die geringste Verstöße gegen die heiligen Schriften unerbittlich mit »Unfällen«, Säureattentaten oder Medikamentenentzug ahndet. Innerhalb weniger Jahre ist Kohl reingläubig, schüttelt niemandem mehr die Hand außer Kai Diekmann, verhüllt seinen Leib mit sieben Schleiern, um begehrlichen Blicken zu entgehen. Nichts erinnert mehr an den lebensfrohen Nimmersatt - Kohl nimmt siebzig Kilo ab, wird gertenschlank, lebt streng asketisch aus der Magensonde. Jeder, der ihn sieht, weiß: Hier ist ein Mann auf dem Weg ins Paradies.

Kohls Tod erwischte ihn zur Unzeit: Angeblich wollte er noch überraschend auf dem nächsten CDU-Parteitag vorbeischauen, mit einem atemberaubenden Selbstmordattentat »noch ein bißchen was geraderücken«, wie er in einem Brief an den IS schmunzelnd notierte. Dazu sollte es nicht mehr kommen; die langgehegte Rache an Angela Merkel kann sich erst im Jenseits erfüllen. Der Meister des Aussitzens wird auch diese kurze Pause spielend nehmen. Wir von der Jungle World wünschen Helmut Kohl auf diesem vielleicht etwas ungewöhnlichem Wege alles Gute auf seinem weiteren Todesweg und sagen danke für die tolle Zeit!