Sonntag, 21.05.2017 / 08:39 Uhr

„Wahlen“ im Iran

Von
Andreas Benl

Keine Überraschung sind die euphorischen Kommentare zur zweiten Amtszeit Rohanis in deutschen Medien. Das Erstaunlichste ist vielmehr, dass der religöse Führer und eigentliche Machthaber Khamenei seinen designierten Nachfolger Raisi ins Präsidentschaftsrennen schickte, ohne am Ende dafür zu sorgen, dass er als Sieger hervorgeht. Man wird in den nächsten Tagen und Wochen sehen, welchen Plan B Khamenei hat.

Wieviele Iraner zur Wahlfarce unter ausgesuchten Regimekandidaten gegangen sind, ist unabhängig nicht verifizierbar, auch wenn westliche Medien einfach die offiziellen Zahlen wiedergeben. Klar ist nur: dem Westen eine hohe Wahlbeteiligung zu verkaufen, ist für das Regime das Wichtigste. Wer zur Wahl ging, hat - mit welchen Motiven auch immer - das getan, was Khamenei befahl: sich qua Stimmabgabe am Referendum für die diktatorische Islamische Republik zu beteiligen.

Außenpolitisch sind von Rohani auch in seiner zweiten Amtsperiode keine Änderungen zu erwarten; man weiß ja, dass er darüber gar keine Entscheidungskompetenz hat. Auch nicht überraschend, aber doch bemerkenswert ist, wie wenig ihm und seinem Regime in Europa die Entfesselung des totalen Kriegs für Assad übelgenommen wird, dessen Folgen die EU an den Rande der Spaltung brachten. Nicht nur fiel die finale Eskalation in Syrien in die Amtszeit des „bärtigen Hoffnungsträgers mit Herz“; die Reise von Terrorchef Qassem Soleimani nach Moskau, die die russisch-iranische Feuerwalze in Syrien einleitete, fand unmittelbar nach dem als Welterlösung gefeierten Atomdeal mit dem iranischen Regime statt.

Honi soit, wer bei der unzerstörbaren alten Freundschaft von Deutschland und Europa mit der Islamischen Republik an jene Schnittstelle denkt, die Gabriel gerade eben in Jerusalem wieder demonstrierte: die Überzeugung, dass nicht die Islamische Republik, sondern Israel das größte Problem des Middle East sei.