Freitag, 14.07.2017 / 18:35 Uhr

Emiratischer Außenminister klagt über Antisemitismus

Von
Thomas von der Osten-Sacken

„Nirgendwo ist seit dem Untergang Nazideutschlands so viel antisemitische Literatur veröffentlicht worden wie in der arabischen Welt. Das eigentlich beunruhigende an dieser Tatsache ist aber, dass dieses Schrifttum von offiziösen oder staatlichen Verlagen herausgebracht wurde – nicht von Randgruppen der arabischen Gesellschaft, sondern von Kräften aus ihrer Mitte.“

 

Das schrieb der israelische Wissenschaftler Yehoshafat Harkabi schon Mitte der 1970er Jahre, und leider ist die Situation seitdem alles andere als besser geworden. Ob in Schulbüchern, Medien, Freitagspredigten oder politischen Reden, der Antisemitismus ist in der arabischen Welt und dem Iran allgegenwärtig. Sicher, manche Ländern, wie Jordanien oder Ägypten, pflegen zugleich diplomatische Beziehungen zu Israel. In anderen, wie den meisten Golfstaaten, pflegen die Regierungen gewisse militärische und geheimdienstliche Kontakte. Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) sind so ein Land, auch wenn offiziell Israelis nicht einreisen dürfen, man auf der dortigen Dependance des Campus der New York University Wert darauf legt, dass „Schwule und Israelis ihn nicht betreten“, und man sorgsam darauf achtet, diese Regeln auch umzusetzen – selbst auf die Gefahr hin, ganze Sportsmannschaften dafür ausladen zu müssen.

 

Warfen sich verfeindete nahöstliche Herrscher und Politiker früher vor allem gegenseitig vor, jeweils im Dienste der Zionisten zu stehen, ist es durchaus neu, wenn sie sich nun des Antisemitismus bezichtigen

Kurzum, innerhalb der arabischen Welt könnte man die Emirate, wollte man solche Begriffe benutzen, sogar als „moderat antisemitisch“ bezeichnen; auf der Skala der zehn antisemitischsten Länder der Welt nehmen sie – zusammen mit Marokko und Katar – „nur“ den letzten Platz ein.

Trotzdem hätte man wohl kaum erwartet, dass ausgerechnet der emiratische Außenminister jemals wegen „Verbreitung von Antisemitismus“ hart mit einem arabischen Fernsehsender ins Gericht gehen würde. Der kalte Krieg am Golf macht es möglich: Denn bei dem Sender handelt es sich um Al Jazeera, dessen Schließung im Gefolge Saudi Arabiens auch die Emirate fordern. Seit der Konflikt mit Katar eskaliert ist, werden die anderen Golfstaaten nicht müde, Al Jazeera anzugreifen, weil es „Terrorismus“ fördere und ein Sprachrohr der Muslimbrüder sei.

Und so kommt diese erstaunliche Stellungnahme wohl zustande:

„Von der UNO des Angriffs auf die Meinungsfreiheit beschuldigt, hat ein hochrangiger Regierungsvertreter der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) den katarischen Großsender Al-Jazeera des Antisemitismus, der Diskriminierung und der religiösen Verhetzung beschuldigt.

Die Vereinten Nationen hatten gewarnt, die Forderung nach der Schließung Al-Jazeeras, die von dem vom Rivalen Saudi-Arabien angeführten Bündnis, zu dem auch die VAE gehören, erhoben wurde, verstoße gegen elementare Freiheitsrechte.

Der Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate, Anwar Gargash, wies die Kritik in einem Brief an den UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Zeid Ra’ad Al Hussein, scharf zurück.

Darin schrieb Garash, ‚Al Jazeera habe für antisemitische Gewalt geworben, indem es Predigten des geistlichen Anführers der Muslimbruderschaft, Jusuf al-Qaradawi, ausstrahlte.’

Qaradawi, fügte er hinzu, habe ‚Hitler gelobt, den Holocaust als ‚göttliche Strafe‘ bezeichnet, und Allah angerufen, er möge ‚die jüdisch-zionistische Bande der Unterdrücker nehmen … und jeden einzelnen von ihnen töten.‘“

Immerhin hat man es nun aus wirklich berufenem Munde, schwarz auf weiß. Und warfen sich verfeindete nahöstliche Herrscher und Politiker früher vor allem gegenseitig vor, jeweils im Dienste der Zionisten zu stehen, ist es durchaus neu, wenn sie sich nun des Antisemitismus bezichtigen. Ob die Kritik von Herzen oder aus Einsicht kommt, sei dahingestellt; die Äußerungen Anwar Gargashs zeigen auf jeden Fall, dass die Emirate (und gleiches gilt auch für Saudi Arabien) gerade ganz andere Probleme haben, als gegen den Zionismus anzukämpfen.

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch