Montag, 19.11.2018 / 09:52 Uhr

Nach dem Waffenstillstand

Von
Oliver Vrankovic

Über 450 Raketen schoss die Hamas vergangene Woche auf den Süden Israels ab. Was denken die Menschen im Grenzgebiet zu Gaza über die Hamas und die israelische Politik? 

Als Reaktion auf eine aufgedeckte IDF-Mission im südlichen Gazastreifen feuerten palästinensische Terroristen zu Beginn der letzten Woche nicht weniger als 460 Raketen auf die israelischen Gemeinden im Süden Israels ab und schossen dabei u.a. einen Bus in Brand, töteten einen Menschen in Ashkelon und verletzten mehrere andere zum Teil schwer. Ron Ben Yishai schrieb in der Yedioth Achronot, dass die israelische Zustimmung zum Waffenstillstand in dem Moment, in dem Hamas diesen angeboten hat, alles zerstört hat, was von der israelischen Abschreckung übrig geblieben ist und die Tür für weitere und intensivere Runden der Gewalt in nicht allzu ferner Zukunft geöffnet hat.

'Hauptstadt der Bunker'

Dov Trachtman aus Sderot ist wütend. Der 27 Jahre alte Aktivist vom Sderot Media Center ist in der „Hauptstadt der Bunker“ geboren und erlebt den Raketenterror gegen die Stadt und seine Bewohner seit bald 18 Jahren. Als die jüngste Eskalation begann, war er an der Ben-Gurion-Universität in Beer Sheva. Während des Unterrichts erhielt er Benachrichtigungen über den Raketenbeschuss und Telefonanrufe von Familie und Freunden, die ihn warnten, dass die Straßen gesperrt sein würden. Irgendwann schaltete er das Telefon aus. Zu der Zeit wurden in Sderot Gebäude getroffen und Menschen verletzt. Das ausgeschaltete Telefon versetzte Familie und Bekannte von Dov, die versuchten, ihn zu erreichen, in Panik. Entsprechend musste er nach dem Unterricht viele Leute anrufen, um sie zu beruhigen. Indes waren Züge und Busse gestrichen, und die Taxis weigerten sich, nach Sderot zu fahren. Schließlich fand Dov doch einen Taxifahrer, der sich bereit erklärte, ihn nach Hause zu bringen. „Es war eine unheimliche Fahrt“, so Dov, dem zu Hause angekommen von den Einschlägen und vom Brand in einer Bäckerei berichtet wurde. Der Beschuss hielt in einer seit „Zuk Eitan“ nicht erlebten Heftigkeit an. Es ist wie in einem russischen Roulette zu leben, schreibt Dov noch in der gleichen Nacht auf Facebook, um der Welt mitzuteilen, wie untragbar die Situation in der „Hauptstadt der Bunker“ ist. Lebensgefahr ist anstrengend, versucht Dov das Leben in Sderot zu erklären. Alle Sinne sind geschärft, und man reagiert empfindlich auf jedes Geräusch und muss ständig überall den kürzesten Weg zum nächsten Bunker im Kopf haben. Und sich dazu um Familie und Freunde sorgen.

Dov ist der Ansicht, dass Gaza nicht nur von der Hamas, sondern von jeder islamistischen Gruppe und darüber hinaus von der dort herrschenden Ideologie befreit werden muss.

Als der am Montag eskalierte Raketenbeschuss sich die ganze Nacht und den nächsten Morgen fortsetzte, wurde von der Heimatfront befohlen, dass die Schulen und Geschäfte geschlossen und die Hauptstraße gesperrt bleiben und Versammlungen verboten sind. Als die israelische Regierung am Dienstagabend völlig überraschend einem von Ägypten vermittelten Waffenstillstand mit der Hamas zustimmte, wurden die Menschen in Sderot entgegen der zuvor erlassenen Befehle aufgefordert, aus ihren Bunkern zu kommen und zum Alltag zurückzukehren.  Dov kam aus dem Bunker und setzte sich an eine Arbeit für die Uni, mit der er aufgrund des Raketenfeuers in Verzug gekommen war. Als er die Situation am nächsten Tag im Café der Cinemathek in Sderot rekapituliert, wundert er sich über sich selbst und befindet es für im Grunde nicht normal, so tun zu müssen, als sei nichts passiert. Und er meint damit nicht nur sich, sondern die ganze Stadt, in der nur wenige Stunden nach dem vereinbarten Waffenstillstand  vordergründig Alltag herrscht und den Bewohnern auf den ersten Blick nicht anzumerken ist, dass sie zwei Tage lang in die Schutzräume gezwungen waren und eine Explosion nach der Anderen zu erleiden hatten. Auf den zweiten Blick sieht man, dass nicht wenige Menschen das in diesem Jahr bereits mehrfach geforderte Umschalten zwischen Überlebensmodus und Alltag nicht wegstecken können. Viele Kinder in Sderot sind traumatisiert. Aber auch viele Erwachsene fragen heute – 17 Jahre nach Beginn des Raketenterrors –, wie viel Unverwüstlichkeit ihnen abverlangt werden  kann. 

Die Frage, ob ein weiterer Krieg verhindert werden sollte oder nicht, bringt Dov in Rage. Er erklärt, dass es seit 17 Jahren Krieg gibt und er seit 17 Jahren auf einem Kriegsschauplatz lebt. Er erinnert daran, dass seit 2001 Tausende von Raketen auf Sderot gefeuert wurden, die unzählige Gebäude getroffen und mehr als ein Dutzend Menschen getötet haben.

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(Bild: Raketeneinschlag in Sderot 2014, © Nathan Flayer)


'Vierhundert Mordanschläge'

Nach der Verkündung des Waffenstillstands sahen Sderot und Ashkelon wütende Demonstrationen, bei denen Straßen verbarrikadiert und Reifen verbrannt wurden. In den israelischen Medien erklärten bitter enttäuschte Bewohner, dass sie der rechten Regierung vertraut haben, der Hamas mit eiserner Faust zu begegnen. Auf den Schildern der aufgebrachten Demonstranten in Sderot stand: "Bibi, wir haben es satt – wir wollen Sicherheit". Es geht den meisten Bewohnern von Sderot nicht in den Kopf, warum der Raketenterror nicht mehr als symbolische Luftschläge auf leere Gebäude nach sich gezogen hat. "Über 400 Raketen bedeutet über 400 Mordanschläge", erklärt Dov. Grund genug für ihn und die Mehrheit der Bewohner von Sderot, Angriffe auf die Hamas-Führung und Hamas-Truppen zu fordern. Israels renommierter Kolumnist Nachum Barnea erinnert daran, dass jedes Mitglied des Kabinetts vorgab, Rambo zu sein, aber niemand bereit war, die Verantwortung für einen Militärschlag zu übernehmen. Barnea schreibt, dass Netanjahu in seinen neun Jahren als Premierminister verantwortlich ist für das Scheitern der israelischen Politik in Gaza. Seine einzige Strategie habe immer nur darin bestanden, die gegenwärtige Situation zu verewigen – Ja zur Hamas zu sagen und Nein zur Rehabilitation Gazas. Die wiederkehrenden Runden der Gewalt sind nach Barnea Teil dieser gegenwärtigen Situation.

'Free Gaza from Hamas'

Dov ist der Ansicht, dass Gaza nicht nur von der Hamas, sondern von jeder islamistischen Gruppe und darüber hinaus von der dort herrschenden Ideologie befreit werden muss. Dov erklärt, dass die Juden den Menschen jenseits der Grenze als Übel der Welt präsentiert werden, die zur eigenen Erlösung zerstört werden müssen. Der religiöse Fundamentalismus, auf dem dieser Wahn gründet, ist in Gaza unheilvoll vermischt mit einem palästinensischen Nationalismus, der laut Dov so nicht existierte, als die Israelis in den 70ern und frühen 80ern die Märkte und Strände von Gaza besuchten und ein täglicher Egged Bus von Beer Sheva nach Gaza Stadt fuhr. Wenn die palästinensische Seite heute zum Waffenstillstand aufruft, erklärt Dov, sei dies nichts als Mittel zum Zweck. Waffenstillstand bedeute in der arabischen Welt auch schon terminologisch Reorganisation und Wiederbewaffnung. Es sei eine Illusion zu glauben, dass aus einem Waffenstillstand eine Nachkriegsordnung entstehen könne. Für Dov braucht es für ein friedliches Nebeneinander eine grundlegende Veränderung in der palästinensischen Gesellschaft in Gaza. Und Dov hat keine Illusionen, dass dies allein durch Kennenlernprojekte möglich ist, wenngleich er diese als Teil der Lösung akzeptiert. Wichtiger erscheint ihm, alle Organisationen, die die Menschen mit Judenhass indoktrinieren, auszuschalten. Gleichzeitig spricht er sich entschieden gegen Flächenbombardements und ziellosen Beschuss des Gaza-Streifens aus.

'Netanjahu möchte, dass die Hamas die Kontrolle behält'

Barnea führt in seiner Kolumne aus, dass es an der Zeit sei zu verstehen, was jedes Kind in Gaza bereits wisse: Premierminister Benjamin Netanjahu möchte, dass die Hamas die Kontrolle behält. Was die Bewohner in Gaza wissen, ist nicht schwer in Erfahrung zu bringen. Schließlich haben sehr sehr viele Israelis, die im Umland von Gaza leben, Kontakt zu Palästinensern im Küstenstreifen. Bei einem Videochat mit drei jungen Männern aus Beit Hanoun, zwei Muslimen und einem Christen, wird klar, dass der Frust auch jenseits der Grenze tief sitzt.

Die drei Menschen aus Gaza gehören zu eben jenen Aktivisten, die die Menschen in Gaza mit Israelis und Europäern in Kontakt setzen wollen, um ihnen aufzuzeigen, dass die Welt anders ist als sie von Hamas und anderen Endzeit Djihadisten präsentiert wird. Sie gehören einem Netzwerk an, dass sich zum Ziel gesetzt hat, eine neue Generation von Führungskräften hervorzubringen. Nach ihren Aussagen herrscht im Gazastreifen eine große Unzufriedenheit mit der Hamas, die sich auf verschiedene Arten artikuliert und nicht gänzlich unterdrückt werden kann.

Kundgebung für Gewaltverzicht

Sie selbst hatten unlängst eine Kundgebung für Gewaltverzicht abgehalten. Die Aktivisten sehen keinen unlösbaren Konflikt zwischen den Bevölkerungen beider Seiten der Grenze, sondern zwischen den Menschen beider Seiten und der Politik. Sie sehen die Menschen als Opfer politischer Interessen, bekräftigen, dass Israel nicht wirklich gegen die Hamas vorgeht  und beklagen, dass die Restriktionen und Sanktionen gegen Gaza nur die einfachen Leute trifft. Sie beschreiben das Leben in Gaza als trostlos und frustrierend und für viele Menschen elend und hoffnungslos. Immer wenn es zum Ausbruch von Gewalt und Angriffen der israelischen Luftwaffe kommt, so erklärt einer der Aktivisten, würden die Menschen in Gaza ihre Differenzen mit ihrer Regierung zur Seite schieben und sich hinter diese stellen. Es seien die Zeiten, in denen die Hamas-Propaganda ihre größteWirkung erzielt. Dazu komme, so sagen die drei jungen Leute aus Gaza, dass mehrere katarische Organisationen im Küstenstreifen aktiv seien und Menschen für kleines, aber oft dringend benötigtes Geld für das Abschießen von Raketen oder die Teilnahme an den Ausschreitungen jeden Freitag rekrutieren. Es gibt Situationen, in denen es gefährlich ist, sich im Gazastreifen für Gewaltverzicht und Verständigung auszusprechen.  Einer der Aktivisten, der wirklich sehr gut mit Israelis und Menschen aus der ganzen Welt vernetzt ist, saß für sein Engagement bereits drei Mal im Gefängnis. Auf den Jubel auf den Straßen von Gaza angesprochen, erklärt er, dass dies eine Momentaufnahme sei. Nach ein paar Tagen, so erzählt er aus seiner Erfahrung, komme die Ernüchterung und Bestandsaufnahme. Zum Abschied sagen die drei Aktivisten Shalom.

Bisherige Militäroperationen nichts gebracht

Martin Sessler, der seit 1970 im grenznahen Kibbuz Magen lebt, akzeptiert die Waffenruhe. Er erinnert daran, dass drei Militäroperationen in Hinblick auf die Sicherheit nichts gebracht haben. Während der heftigen Raketenangriffe waren manche seiner Kinder und Enkel bei ihm, während andere ins Landesinnere geflüchtet sind. Für die Kinder sind die Explosionen schlimm, erklärt er am Tag nach der Waffenruhe, als seine Enkel bereits wieder in den Schulbänken sitzen müssen. Martin sieht seine Regierung in der Verantwortung, zu einem langfristigen Abkommen mit der anderen Seite zu gelangen. Ohne sich der Illusion hinzugeben, dass die andere Seite ein Interesse an einem gut nachbarschaftlichen Verhältnis hat. Dass es trotzdem möglich ist, lässt sich am friedlichen Nebeneinander von Arabern und Israelis in Israel aufzeigen.

Ihre simpele Forderung an die Regierung lautet, auf die Armee zu hören, die schon seit langer Zeit dafür plädiert, das Leben der Menschen in Gaza besser zu machen.

Das Gefühl, in einer Kampfzone zu leben, teilt Martin nicht, versteht aber, dass die Leute in Sderot so fühlen. Diese, so erklärt er, seien in einer Stadt, wo es ständig Einschläge gebe und schon so viele gestorben sind und es keinen wirklich stärkenden Zusammenhalt der Bewohner gibt, anders betroffen. Gelegentlich verabredet sich Martin genau deshalb in Sderot – um Solidarität zu zeigen.

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(Bild: Aus der FB Gruppe "Life on the borderwith Gaza")

Alltag von der Hamas bestimmt

Adele Raemer lebt seit 1975 im Kibbuz Nirim im westlichen Negev. Sie beschreibt ihre Gefühle und Gedanken der letzten Tage als ambivalent. Sie sagt, dass sie einen Waffenstillstand möchte, weil sie ihr Leben zurück haben möchte und weil sie möchte, dass die Kinder des westlichen Negev nach draußen gehen und sich sicher fühlen können. Auf der anderen Seite ist sie nicht bereit, einen Waffenstillstand zu akzeptieren, der kein Ende der Feuer-Ballons und -Drachen und kein Ende der gewalttätigen Ausschreitungen an der Grenze bedeutet.

Sie sagt, dass es nichts schlimmeres gibt, als dem Gefühl ausgesetzt zu sein, dass Hamas über ihr Leben bestimmt und sich ständig in der Schwebe darüber zu befinden, was passiert.

Nirim wurde seit 2001 von Dutzenden Raketen und Mörsergranaten getroffen. Oft konnte sich Adele in Bunker flüchten. Manchmal nicht. Vom Sicherheitszaun des Kibbuz sieht man die Moschee von Abasan Al-Kabira. Die Felder des Kibbuz reichen bis genau an den Grenzzaun. Die Einrichtungen für Kinder in Nirim sind von einem dicken Betonmantel eingekleidet, der sie bombensicher macht.

'Life on the border with Gaza'

Aus Frust über das mangelnde Interesse der Politik, zu einer wirklichen Lösung zu gelangen, gründete Adele 2011 die Facebook Gruppe „Life on the border with Gaza – Things people may not know (but should)". Ihr Ziel ist, über den Alltag im westlichen Negev zu berichten und so zu verhindern, dass das Thema von der Politik unter den Teppich gekehrt wird. Adele will nicht hinnehmen, dass ihre Situation zwischen den einzelnen Militäroperationen aus den Augen und aus dem Sinn ist. Ihr ist es wichtig, viele Israelis und auch Nicht-Israelis dazu zu bringen, Druck auf die Politik zu machen. Israel ist stark und kann Zugeständnisse machen, erklärt sie. Und wenn sich die Hamas der Kooperation verweigert, müsse die Terrororganisation auf verschiedenen Wegen in die Knie gezwungen werden.

Avi Gabbay von der Arbeiterpartei kommentierte: "Laut Tzachi Hanegbi darf die Hamas nicht auf die Bewohner von Tel Aviv schießen, aber es ist in Ordnung, auf die Bewohner des Südens zu schießen".


Ihre simpele Forderung an die Regierung lautet, auf die Armee zu hören, die schon seit langer Zeit dafür plädiert, das Leben der Menschen in Gaza besser zu machen.

Die Taube, zu der sie von rechten Aktivisten aus Sderot erklärt wird, ist Adele gleichwohl nicht. Wenn es die heftige militärische Auseinandersetzung, auf die sie sich im westlichen Negev schon seit Monaten mental eingestellt haben, geben müsse, dann soll diese nicht hinausgezögert werden, fordert Adele. Sie hat zuletzt auch zur Blockade des Warenübergangs nach Gaza aufgerufen und sich daran beteiligt. Adele gibt an, auch dabei gemischte Gefühle gehabt zu haben, da sie einerseits möchte, dass die Menschen in Gaza mit Nahrung und Kleidung und Medizin versorgt werden, andererseits aber sieht, dass der allergrößte Teil der Lieferungen aus Zement besteht, der mit großer Wahrscheinlichkeit für den Ausbau der Terror-Infrastruktur verwendet wird.

Den jüngst eskalierten Raketenterror empfand Adele als noch heftiger als den Beschuss während „Zuk Eitan“. Das plötzlich geforderte Umschalten auf Routine am Dienstagabend fand sie so absurd, dass sie sich der Forderung ein Stück weit verweigert hat und in ihren Englisch-Klassen am Mittwochmorgen statt des vorgesehenen Stoffs ihre Öffentlichkeitsarbeit durchgenommen hat, um ein Thema mit Bezug zu den vorangegangenen Tagen zu haben.

 

Jugend als Hoffnungstäger

Wenn es für die Menschen im westlichen Negev angesichts der seit März andauernden Ausschreitungen an der Grenze und des damit einhergehenden Feuerterrors und des immer wiederkehrenden Raketenbeschusses so etwas wie einen Hoffnungsschimmer gibt, dann ist es die Jugend, die sich zum kräftigen Sprachrohr gemacht hat. Acht Schülerinnen von Adele etwa betreiben einen Instagramm Account, auf dem sie die Verbrennungen dokumentieren, die der Feuerterror anrichtet.

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(Bild: Feuer in Südisrael, ausgelöst durch einen "Feuerdrachen" aus Gaza)

Vorletzte Woche marschierten etwa 6.000 Schülerinnen und Schüler sowie ihre Unterstützer aus dem Umland von Gaza nach Jerusalem, um zu fordern: „Lasst uns in Frieden aufwachsen.“ Die Jugendlichen sprechen offen aus, was sich ihre Eltern oft so nicht zu sagen trauen. Sie sagen, dass die Politik ihnen ihre Jugend raubt. Sie beklagen, dass sie für ihre Regierung fast unsichtbar sind und fordern, dass nicht weiter über ihr Leiden hinweggegangen wird.

Was sie meinen, demonstrierte ihnen der Minister für regionale Zusammenarbeit Tzachi Hanegbi, der nach  460 Raketen aus dem Gazastreifen von einer "kleinen" Reaktion auf die misslungene IDF-Mission sprach und ausführte, dass es einen Unterschied gebe zwischen einem Angriff auf den Süden und einem Angriff auf Tel Aviv. Avi Gabbay von der Arbeiterpartei kommentierte: "Laut Tzachi Hanegbi darf die Hamas nicht auf die Bewohner von Tel Aviv schießen, aber es ist in Ordnung, auf die Bewohner des Südens zu schießen".

Ziel 'kleiner Angriffe'

Als rechte Aktivisten aus Sderot und linke Aktivisten aus den Kibbuzim und Moshavim im Umland von Gaza am Donnerstag gemeinsam in Tel Aviv demonstrierten, trug Adele ein Schild, auf dem stand: Ich wurde zum Ziel „kleiner“ Angriffe.

In einer Antwort auf eine Wortkünstlerin aus Gaza, die auf „We are not numbers“ eine Anklage gegen Israel verfasst hat, schreibt Adele, dass es ihr für die Wortkünstlerin leid tut, dass ihre Regierung den ganzen Zement für den Bau Von Terrortunneln verwendet, statt Häuser, Schulen und Krankenhäuser zu bauen. Sie schreibt des weiteren, dass sie sich als Israelin nicht für die Tatsache entschuldigen kann, dass sich Israel in 70 Jahren trotz Angriffen der arabischen Welt und der Verweigerung der Anerkennung des Existenzrechts, blühend entwickelt hat, während auf der palästinensischen Seite in 70 Jahren nichts zum Wohl der Bewohner gemacht wurde.

Um den Gazastreifen in die Riviera des Nahen Ostens zu verwandeln, so Adele, müssten sich die Palästinenser endlich damit arrangieren, keine Flüchtlinge zu sein. Der Tag, an dem sich die Palästinenser darauf konzentrieren, ihr Leben im Hier und Jetzt – 2018 in Gaza – zu verbessern, ist der Tag, an dem man sich gut nachbarschaftlich zusammensetzen kann.

Hier eine ältere Reportage des Autors vom Leben an der Grenze.