Mittwoch, 08.09.2021 / 13:06 Uhr

Chaotische Evakuierung aus Kabul

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Aus dem Netz

Flughafen Kabul, Bildquelle: Wikimedia Commons

Enno Lenze hat eine sehr lesenswerte Reportage über die letzten Tage in Kabul geschrieben und in welchem Ausmaß deutsche Behörden dort versagt haben. Ein Auszug:

Der Ablauf am Flughafen für Nicht-US-Nationen war wohlorganisiert: Man machte mit den Amerikanern aus, wann etwa die eigenen Maschinen landen sollten. Der improvisierte Tower unter einem Gartenpavillion wusste Bescheid und ließ das Flugzeug landen. Zuvor erhielt man ein Gate, über welches man seine Passagiere rein bringen sollte. Hier musste ein Mitarbeiter der jeweiligen Nation mit einer Liste stehen, die Fahrzeug, Kennzeichen, Fahrer und Gäste beinhaltete. Die Identitäten wurden geprüft, die Leute kamen auf ihren Platz und warteten. Teilweise mehr als 24h, da es immer wieder Probleme im Ablauf gab. Nach Angaben der Amerikaner fehlten zu Beginn die deutschen Mitarbeiter. Einer soll aufgrund der Verkehrslage zu spät gekommen sein, weswegen Bundesbürger nicht mit ins Flugzeug kamen. Der erste Flug der Luftwaffe landete und hatte dreißig Minuten, um seine Passagiere aufzunehmen.

Wir sprechen bei fast allen Evakuierungsfliegern von Frachtmaschinen, welche über eine meterbreite Laderampe verfügen und bei denen bereits vorher geprüft wurde, wer berechtigt ist mitzufliegen. Man kann ein Flugzeug in so einer Situation binnen Minuten mit Menschen befüllen, welche sich noch sortieren können, während das Flugzeug schon zur Startbahn rollt. Angeschnallt ist eh kaum jemand, man sitzt hintereinander auf dem Boden, Rücken an Knie.

Die Maschine der Luftwaffe verließ Kabul mit sieben Passagieren – die der Amerikaner mit mehr als 700. Die Amerikaner waren außer sich. Sich nicht an die Absprache halten, weder die Liste noch die Passagiere vor Ort haben und sich dann weigern, den Flieger mit weiteren Fliehenden zu füllen. Ein in Doha arbeitender und an der Luftbrücke beteiligter Amerikaner kommentierte es mit den Worten: „Wir hätten 45 eine Atombombe auf Berlin werfen sollen, dann wäre uns die Scheiße erspart geblieben“.

Bei einem Treffen mit einem Mitarbeiter aus dem Kanzleramt heißt es, es sei weder Inkompetenz noch irgendein Abspracheproblem. Es sei genau so gewollt. Einige Parteien hätten Sorge, kurz vor der Wahl zu viele Afghanen auszufliegen und so die Rassisten in Deutschland als Wähler zu verlieren. Offiziell wollte diese Aussage niemand bestätigen – doch es wurde hartnäckig gefragt, wer genau sich wann und wo mit mir getroffen habe.