Mittwoch, 25.05.2022 / 14:43 Uhr

Auch dieses Jahr: So viele Flüchtlinge weltweit wie nie zuvor

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Jesidinnen in einem IDP-Camp im Nordirak, Bild: Thomas v. der Osten-Sacken

Wie die Vereinten Nationen am Montag mitteilten, hat der russische Überfall auf die Ukraine die Zahl der weltweit vertriebenen Menschen zum ersten Mal auf über hundert Millionen ansteigen lassen.

 

Wie jedes Jahr ist auch heuer wieder ein Rekord zu vermelden: Noch nie waren so viele Menschen auf der Flucht. Genauer gesagt überstieg die Zahl erstmals hundert Millionen, ohne den Krieg in der Ukraine wären es, wie das UN-Flüchtlingswerk vermeldet, »nur« neunzig Millionen:

Russlands Krieg in der Ukraine hat die Zahl der weltweit vertriebenen Menschen zum ersten Mal auf über hundert Millionen ansteigen lassen, teilten die Vereinten Nationen am Montag mit. »Angetrieben durch den Krieg in der Ukraine und andere tödliche Konflikte hat die Zahl der Menschen, die gezwungen sind, vor Konflikten, Gewalt, Menschenrechtsverletzungen und Verfolgung zu fliehen, nun zum ersten Mal in der Geschichte die erschütternde Marke von hundert Millionen überschritten«, teilte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR mit.

Die »alarmierende« Zahl muss die Welt aufrütteln, damit die Konflikte beendet werden, die eine Rekordzahl von Menschen zur Flucht aus ihrer Heimat zwingen, so das UNHCR in einer Erklärung. Das UNHCR berichtete, die Zahl der Vertriebenen sei Ende 2021 auf neunzig Millionen angestiegen, angetrieben durch die Gewalt in Äthiopien, Burkina Faso, Myanmar, Nigeria, Afghanistan und der Demokratischen Republik Kongo.

 

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Cox Bazar in Bangladesh. Fast eine Million Rohingya Flüchtlinge müssen hier leben: Bild: IOM/Mashrif Abdullah

 

Ende 2020 schrieb ich an dieser Stelle, als die Meldung erschien, es gäbe inzwischen weltweit achtzig Millionen Flüchtlinge und Binnenvertriebene:

»Bis 2013, als weltweit 33,3 Millionen gezählt wurden, sprach die UN von den meisten Flüchtlingen seit dem Zweiten Weltkrieg. Seit 2014 hat man den Zweiten Weltkrieg gestrichen. Das war vor sechs Jahren.

Was allerdings soll die Meldung, wenn die Zahl der Flüchtlinge seitdem immer so hoch war wie nie zuvor, es nur jedes Jahr immer mehr werden? Wie oft in den kommenden Jahren will man diese Schlagzeile noch verwenden? Ja, auch mit 150 Millionen werden es so viele sein wie noch nie zuvor. (…)

So nimmt die dauernde Verwendung der immer gleichen Superlative dem Schrecken irgendwann auch noch den Schrecken, und es stellt sich Gewöhnung ein: Wenn schon vor einer halben Dekade mehr Menschen als je zuvor auf der Flucht waren und es immer noch sind, dann kann es ja so schlimm nicht sein.«

Ende des Jahres werden es vermutlich wieder mehrere Millionen mehr sein, denn angesichts der immer katastrophaleren Auswirkungen von Klimawandel und Wassermangel vor allem im Nahen Osten, in Ostafrika und dem indischen Subkontinent geht das UNHCR davon aus, dass die Zahl der sogenannten Klimaflüchtlinge in den nächsten Jahren exponentiell wachsen wird.

 

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Ukrainische Flüchtlinge an der polnischen Grenze im März 2022, Bildquelle: Wikimedia Commons

 

Verschlimmernd kommt die weltweite Nahrungsmittelkrise in Folge des Ukraine-Kriegs hinzu. Schon jetzt können große Teile der Bevölkerungen in der MENA-Region und dem subsaharischen Afrika kaum das Geld für Grundnahrungsmittel mehr aufbringen, und weitere Preissteigerungen und Verknappungen scheinen unabwendbar zu sein.

Werden es also in einem Jahr dann 120 oder gar 130 Millionen Menschen sein? Leider ist das die einzig realistische Frage, denn nichts deutet darauf hin, dass es irgendwelche Konzepte gäbe, die dazu beitragen würden, die Zahl der Flüchtlinge zu verkleinern statt sie weiter zu vergrößern.

 

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch