Montag, 13.06.2022 / 13:59 Uhr

Systematische Pushbacks in Griechenland von UN bestätigt

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Das alte Moria Camp auf Lesbos, Bild: Thomas v. der Osten-Sacken

 

Laut UN sind alleine 2021 14.000 Flüchtlinge an der Einreise nach Griechenland gewaltsam gehindert worden

 

Seit Jahren werden Menschenrechtsorganisationen der griechischen Regierung vor, systematisch Asylsuchende an ihren Grenzen mit Gewalt am Übertritt zu hindern oder sie sogar illegal wieder abzuschieben, bevor sie einen Antrag auf Asyl stellen können.

Längst bekannt ist auch, dass sich die europäische Grenzschutzagentur Frontex seit Jahren an diesen Rückführungen beteiligt.

Fast täglich lassen sich inzwischen solche Pushback auf den Seiten des Aegean Boat Report in Echtzeit verfolgen und auch die türkische Küstenwache dokumentiert sie minutiös.

Diese Praxis verstößt, wie das Magazin We are Solomon erst jüngst in einem Artikel über diese Pushbacks feststellt, gegen die UN-Flüchtlingskonvention, die EU-Menschenrechtserklärung und auch griechisches Recht:

„Once you are on Greek soil, you have the right to apply for asylum and, until you receive a definitive response to your asylum request, you cannot be deported to another country.

According to the European Convention on Human Rights (Article 19.1), Greece is obliged to examine separately each case of a person who is within its territory and wishes to seek international protection.

However, despite the prohibition of such deportations by international law, the relevant allegations of illegal deportations in recent years are numerous, and have been published by the media and organizations both in Greece and abroad, reaching even the highest European institutions.“

De-Facto Politik

Nun hat sich auch die UN zu Wort gemeldet und offiziell bestätigt, was an den europäischen Außengrenzen in Griechenland tägliche Praxis ist:

In Griechenland sind Pushbacks an Land- und Seegrenzen eine de-facto-Politik geworden. Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen hat im Zeitraum 2020-2021 540 separate Vorfälle registriert, bei denen 17.000 Menschen, die inoffiziell in die Türkei zurückgekehrt sind, Berichten zufolge gewaltsam zurückgeschickt wurden.

 

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(In solchen Dinghis finden die Pushbacks statt, Bildquelle: Türkische Küstenwache)

Felipe González Morales stellt fest, dass es in Griechenland ein sehr großes Problem mit gewaltsamen Rückführungen gibt.

Der UN-Sonderberichterstatter ist auch besorgt über den deutlichen Anstieg der Zahl der Menschen, die daran gehindert werden, griechisches Territorium zu betreten. Griechenland soll zwischen April und November 2021 mehr als 140.000 Menschen an der Einreise gehindert haben.

In der Ägäis haben NGOs mindestens 147 Vorfälle von Push-Backs dokumentiert, an denen 7.000 Menschen beteiligt waren, darunter viele Kinder. Bei den Vorfällen wird behauptet, dass die Küstenwache nicht das richtige Verfahren befolgt hat.

Neue Flüchtlinge erwartet

 

Nur: Außer „besorgt zu sein“ und „Betroffenheit zum Ausdruck“ zu bringen wird das UNHCR, dessen Mandat doch eigentlich darin bestehen sollte, für die Einhaltung der Konvention zu sorgen, wohl wenig tun. In Europa besteht keinerlei Interesse, dass sich griechische Politik ändert. Ganz im Gegenteil: Angesichts der sich verschärfenden Lebensmittelkrise im Nahen Osten, dürfte eher ein Interesse darin bestehen, Grenzen so hermetisch wie möglich abgeriegelt zu halten. Millionen von Menschen droht dort akuter Hunger und schon jetzt gehen Expertinnen und Experten davon aus, dass es in naher Zukunft zu neuen größeren Fluchtbewegungen kommen wird.

Dies wiederum passt einmal mehr in das Kalkül des Kremls, dem es seit Jahren um eine Destabilisierung Europas geht: „Putins Kalkül besteht darin, dass nach dem Zusammenbruch der Getreidelieferungen die hungernden Menschen aus diesen Regionen fliehen werden und versuchen, nach Europa zu kommen – wie damals die Millionen Syrer, die vor den Schrecken des Krieges flohen.“