Mittwoch, 19.10.2022 / 22:31 Uhr

Alternative zur antisemitischen Ordnung in Teheran: Ein Bild und sein Kontext

Von
Andreas Benl

Bildquelle: privat

Bemerkenswert aber nicht unbedingt überraschend sind die sich verstetigenden politischen Konstellationen rund um die Umsturzbewegung im Iran, die in diesem Bild zum Ausdruck kommen. Es war auch schon vor zehn Jahren wesentlich ungefährlicher, auf einer Demo mit Exiliranern eine Israelfahne zu tragen, als etwa unter deutschen oder intersektionellen Linken. Und dass sich nun aus der Ukraine Geflüchtete auf Demos der iranischen Opposition begeben, auf denen Deutsche nach wie vor weitgehend absent sind, ist nur logisch - spätestens seitdem Kiew und andere Städte mit Kamikazedrohnen aus iranischer Produktion terrorisiert werden.

Auch die kurdische und iranische Flagge nebeneinander spiegeln eine hoffentlich langfristige Tendenz zur Relativierung spektakulärer Trennungen, die das Regime und seine Lobby meisterhaft pflegen. Daraus folgt keine konfliktfreie Harmonie, aber im besten Fall auch unter den verschiedenen politischen Fraktionen von Iranerinnen und Iranern Diskussion und Streit, die sich auf das gemeinsame Ziel des Endes der Islamischen Republik fokussieren.

Dieser noch prekären neuen internationalen Konstellation steht ein narzistisches deutsches Spektakel von Antizionismus und Postkolonialismus gegenüber: so der Aufklärungsverrat via nicht enden wollender antisemitischer Skandale auf der Documenta oder die in deutschen Medien vorgetragene Hetze gegen vom Regimeterror bedrohte Kritikerinnen des Kopftuchzwangs wie Masih Alinejad. Artikel wie „Das bisschen Wind im Haar“ lesen sich heute angesichts der dramatischen Ereignisse im Iran, als kämen sie direkt aus Khameneis Schreibstube. Vorgetragen werden sie jedoch von selbsternannten deutschen Stimmen des ‚Global South'.

Wer sich die Nichtigkeit solcher z.T. staatlich approbierter und finanzierter Nahost- und Iran-‚Expertise‘ vor Augen führen will, kann sich z.B. die gähnende Leere beim ins Gerede gekommenen Experten Adnan Tabatabei ansehen: der hat seinen Twitter-Account in den letzten Tagen nach lauter werdender Kritik gelöscht.

Bei vielen hiesigen Interpreten der Islamischen Republik, denen es noch nicht die Tweets und die Sprache verschlagen hat, macht sich Weltuntergangsstimmung breit. Eine Gefühlslage, die sich in fast identischen Sätzen ausdrückt - bei der bürgerlichen FAZ als ordnungsliebende Mahnung („Anders als 1979 gibt es weder im Ausland und noch weniger im Inland eine organisierte Opposition, die das Vakuum füllen könnte“), in der taz als spätantiimperialistischer Reflex gegen „Planspiele der CIA“: „Weder im Inland noch im Ausland ist eine demokratische Kraft erkennbar, die in Teheran Verantwortung übernehmen könnte, wenn das jetzige System implodiert.“

Eine Alternative zur antisemitischen Ordnung in Teheran kann und mag man sich nicht vorstellen – die Malaise ist strömungsübergreifend.