Samstag, 22.10.2022 / 22:23 Uhr

"Frau, Leben, Freiheit": 80.000 demonstrieren in Berlin gegen die Mullahs

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Am Ende waren es laut Angaben der Polizei 80.000, die sich im Tiergarten in Berlin versammelten, um gegen das Regime in Teheran zu demonstrieren. Mit so vielen hatten selbst die Veranstalter nicht gerechnet.

Es ist mir in den letzten Dekaden eigentlich nie passiert, dass Demonstrationen mit über 1000 Menschen mir besonders sympathisch waren. Die, deren Anliegen ich voll teilte waren meist wesentlich kleiner: Man stand etwa mit ein paar Dutzend Syrern oder Iranern, bestenfalls Hunderten vor der russischen oder iranischen Botschaft herum und niemand nahm groß Notiz.

 

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Alle Bilder: Thomas v. der Osten-Sacken

 

Wie anders war es heute, als aus ganz Europa  Iranerinnen und Iraner nach Berlin strömten, um hier ein deutliches Zeichen zu setzen, wie sehr sie das Regime in Teheran satt haben. Etwas erstaunt dürften Passanten und auch die doch eher wenigen Biodeutschen, die sich ebenfalls an der Veranstaltung beteiligten, gewesen seien, wie viele es am Ende waren. Denn im Alltag fallen Iraner eher doch weniger auf.

Aber 80.000! Das muss man erst einmal hinbekommen. So schallte es dann auch nachmittags wirklich überall im Tiergarten: Azadi! (Freiheit) und "Marg ba Dictator" (Tod dem Diktator).

Am Ende konnten die Veranstalter dann auch verkünden, es habe sich um die bislang größte Demonstration gegen das Regime in Teheran außerhalb des Iran gehandelt.

 

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Deutliche Botschaft,

 

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Treffpunkt Siegessäule

 

Was auffällig fehlten waren die üblichen Fahnen linker Parteien (Ausnahme, ja, man muss es sagen: die MLDP) und auch die Palästinafahnen, die sonst bei internationalistischen Demonstrationen nicht fehlen dürfen. 

 

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Sicher, es gab dann doch einige der Fahnen des Schah-Irans aber viel mehr  Sprüche und Plakate, die nicht nur revolutionär, sondern auch höchst originell und sympathisch waren. Immer wieder ging es um die Macht und rechte der Frauen im Iran, die dann auch mindestens die Hälfte der Demonstration ausmachten.

Dass so viele kamen, macht aus diesem Protest mehr als ein symbolisches Zeichen. Im Iran wurde es auf beiden der Barrikaden wahr genommen, auf der einen mit Jubel auf der anderen mit Sorge.

 

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Ni Dieu Ni Maitre 2022

 

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Gemeinsam gegen Despoten

 

Und als die Demonstranten dann am Bundespräsidialamt vorbeizogen, der Residenz von Dialog-Steinmeier dürfte die Botschaft auch dort angekommen sein: "Kein Dialog mit Terroristen" stand auf vielen Plakaten und "Schließt die iranischen Botschaften". 

 

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Forderung an die Bundesrepublik

 

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Sie skandieren: "Revolution, Revolution"

 

Fasst lächerlich erscheint da, wenn deutsche Medien ernsthaft von "systemkritischen Protesten" schreiben: Sie waren, deutlicher kann man es eigentlich nicht mehr machen, nicht "systemkritisch", sondern nichts weniger als revolutionär, Es ging und geht, man konnte es auf tausenden von Bannern lesen und in Sprechchören hören, um nichts weniger als den Sturz des Regimes. Wohl zum ersten Mal vereinte dieses Ziel auch alle Bevölkerungsgruppen aus dem Iran: Perser, Kurden, Balutschen und Aseris, die alle waren heute gekommen, um gemeinsam "Jin, Jihan, Azadi" zu skandieren.

 

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Blick von der Siegessäule, Bild: privat

 

Siehe auch in der aktuellen Jungle-World:

»Fällt das Kopftuch, fällt die Islamische Republik«

Ein Gespräch mit der aus dem Iran stammenden US-amerikanischen Journalistin Masih Alinejad über die anhaltenden Proteste gegen das Regime