Montag, 02.01.2023 / 10:27 Uhr

Die Projektionen der Migranten von Dubai

Von
Gastbeitrag von Philipp Thiée

Bildquelle: Maxipel

Mit Expats, Andrew Tate, Greta Thunberg und Bushido zum Tee im neuen Zion.

 

Wellness ist eine gute Sache – gerade zum Jahresende. Und auch als international agierender Anwalt kann man da mal in sich gehen und über die sozialen Medien und per email einem ganz privaten Gruß an Freunde und Wegbegleiter des letzten Jahres senden. Am besten von der Winterwahlheimat Dubai aus, mit einem frisch gebrauten Kaffee in der Hand und einem Blick über die Dünen auf den persischen oder arabischen oder wie auch immer der heißt Golf – politische Namensgebungen sind ja irgendwie von Gestern und lenken vom Entscheidenden ab. Wenn man so gedankenvolle Freunde hat, dann findet man in etwa sowas Schönes zu Weihnachten in der Post:

Mit einem Gefühl der Dankbarkeit für ein unglaubliches Jahr 2022, indem sowohl im Business als auch im Privaten sämtliche Ziele erreicht worden sind, blicke ich voller Freude und Erwartung auf das Neue Jahr 2023: möge es Euch, meinen lieben Freunden und mir und meiner Familie weiterhin so geneigt sein.

Dubai, das ist für mich: eine von der königlichen Familie klug geplante Welt mit einem Lebensort, der von Service, höchster Qualität, Sicherheit, Lebensfreude und multikulturellem Zusammenleben vieler Nationalitäten geprägt ist, eine Oase des Glücks nach dem Motto ´panem et circenses´ gestaltet (– Latein hört sich gut an und ist als Jurist auch standesgemäß –), in der das ganze Jahr über Sommer ist und die Menschen in Harmonie zusammenleben!“

Dubai! Das zur Stadt gewordene Wellnesresort! …oder war es umgekehrt? Egal!

Ein Leben ohne Ideologie, ohne Rassismus unter den Einwohnern und in Wohlstand. Die Arme Dubais sind für alle geöffnet: Schwarze, Weiße, Gelbe, Ukrainer, Russen, Expats aller Firmen, Anna-Maria Ferchichi mit ihrem Mann, Andrew Tate und seinem Circus… für jeden, der gerne bei dem lustigen Koch Nusret essen geht und keinem einen Vorwurf macht und sich keinen Vorwurf machen lassen muss, hat Dubai die Arme geöffnet.

 

d

 

Nicht nur Anwälte und Firmenangestellte, auch immer mehr Promis zieht es nach Dubai. Zum Beispiel den Mann von Anna Maria Ferchichi (geborene Connors): in Deutschland von kriminellen Libanesen mit einer PET-Flasche geschlagen, von der Polizei im Stich gelassen. Er hat viel Leid erfahren… in Dubai hat der Mann von Anna Maria Ferchichi endlich ganz niedliche Erlebnisse. Anna-Maria erzählt davon in der Bunten:

"Wir kamen bei unseren neuen Vermietern an und dort standen Fahrräder für alle. Sie haben uns zu einer Fahrradtour eingeladen, um uns die Umgebung zu zeigen. Das alleine war schon mega, aber als Überraschung gab es ein Picknick am Wasser." Immer noch ganz perplex über diese Gesten fährt Anna-Maria fort: "Wie niedlich ist das bitte? Wir waren völlig platt. Sowas ist uns noch nie passiert."

Und so wie der seine Freunde herzende Anwalt oder Anna-Maria Ferchichi mit ihrem Mann es mit Dubai halten, so sieht es auch der Ex-Kickboxer Andrew Tate mit knapp 4 Millionen Followern auf Twitter, der sich auch "Cobratate" nennt. Auch er dankt dem König für Dubai, das neue Zion: Nur Millionäre, keine Kriminalität, der König in der U-Bahn, weil der sich nicht verstecken muss, wie die westlichen Politiker.

Dubai: das neue Zion?

Dubai ist für Cobratate die Zukunft. Zum Video „Is Dubai the new America?“ heißt es: "You hear this. You know the Western world is collapsing.... Yet what actions are you taking to set up for the future?"

Anders als der Mann von Anna-Maria Ferchichi, der nur Fahrrad fahren und dabei nicht mit PET-Flaschen geschlagen werden will, oder dem Anwalt, der sich über das Brot und die Spiele des Königs freut, hat die Cobra also eine Vorstellung von der globalen Bedeutung Dubais.

Er meint, mit Millionären abhängen ist gut. Millionäre ziehen nach Dubai. Tate betreibt duzende Spielhallen und Webcamstudios in Rumänien und ist deshalb auch Millionär. Nun hat er eine Onlineuniversität gegründet: TheRealWorld! Für 49 USD im Monat erklärt er jungen Männern, wie sie Alphatypen und Online-Millionäre werden können… und vor allem, wie sie mit Frauen umgehen sollten. Er will die jungen Männer aufwecken und sie für den harten Konkurrenzkampf fit machen aus dem sie als Sieger hervorgehen sollen.

Im Grunde macht er es wie der Charakter, den Tom Cruise in Magnolia dargestellt hat. Ein Motivationstrainer für ungebildete oder angebildete, unsichere junge Männer, die gern Sex haben und Millionär sein wollen. Tom Cruise steht auf den Bühne und ruft „respect the cock and tame the cunt!“.

Im Dezember 2022 hat Greta Thunberg Tate zu einiger Popularität verholfen, als sie recht schlagfertig auf eine Provokation auf Twitter geantwortet hat. Sie bekam 3 Millionen likes für ihre Antwort, er nur 200.000 für seinen Angriff. Aber schon vor Greta Thunberg hat die Cobra, Top G, sich mit Hilfe mächtiger Freunde Popularität verschafft. So wurde er in Dubai von Saif Belhasa empfangen, der ein Vermögen von mehr als 1,7 Milliarden Dollar haben soll und damit auch für Dubai als sehr reich gilt. Man unterhielt sich über die Bedeutung der Familie und die Geschichte Dubais. Belhasa führte die Gebrüder Tate durch seinen privaten Zoo, wie er auch schon Boris Becker dort herumgeführt hat.

Geboren in den USA, aufgewachsen in England ist Tate als Christ großgezogen, später der rumänischen orthodoxen Kirche beigetreten und im Juli 2022 dann in Dubai zum Islam konvertiert. Seine Begründung: sogar in christlichen Ländern haben Menschen Angst vor dem Gott des Islam. Wie ein Schmetterling fliegt die Cobra von einer Blume des Glaubens zur nächsten. Kurz davor hat er sich noch mit Anti-Islamischen Rechten in Großbritannien super verstanden.

In Dubai der Matrix entkommen

Andrew Tate mag Filme; besonders den Film "Matrix". Dieser Film ist sein Manifest. Mit der roten Pille tritt man aus der Matrix aus. Das war dann aber auch die komplette Begründung seines Begriffes von Freiheit, bei dem es darum geht, wie ein Kind auf den Teppich scheissen zu können tiefgründig und sofort begreifbar. Der Film Matrix erfreut sich in der US-Rechten einiger Beliebtheit. Auch Ivanka Trump verkündete stolz, dass sie die rote Pille gegessen hat.

Tates Hauptbotschaft ist, dass er erwacht ist und aus der Matrix ausgetreten ist. Das sollten alle jungen Männer machen. Dubai ist für ihn das Zion außerhalb der Matrix. Die Matrix erzählt was von Regeln, dass man sich Ausbilden und funktionieren muss, um im Leben voran zu kommen. Aber wenn man einfach mit Millionären rumhängt, am besten mit ihm, braucht man das alles nicht. Es sind nur eine fesselnde Lügen der Matrix. Deshalb ist er  bevor es nach Dubai ging  auch nach Rumänien umgezogen, weil es da unwahrscheinlicher sei wegen Vergewaltigung bestraft zu werden. "I’m not a rapist, but I like the idea of just being able to do what I want. I like being free"

Auch das ist nicht so eine neue Überlegung und filmisch schon vorweggenommen. In dem Film Salo – Die 120 Tage von Sodom von Pasolini foltern einige aristokratische Faschisten kurz vor dem Untergang einige Jungen und Mädchen sexuell, um nochmal richtig die Sau raus zu lassen. Während die Aristokraten Brot mit Rasierklingen verfüttern, stellt einer mit Verweis auf den befreiten Willen fest:

Wir Faschisten sind die einzig wirklichen Anarchisten natürlich erst dann, wenn die Macht im Staate unser ist.

Das mit dem freien Willen und dem Sex hat man in Rumänien wohl etwas anders gesehen. Kurz nach dem Twitter-Battle mit Greta Thunberg wurde Cobratate dort wegen Vorwürfen des Menschenhandels und der Vergewaltigung in Gewahrsam genommen und presseträchtig abgeführt. Sein Kommentar bei der Festnahme: Die Matrix greift mich an!

 

f
Andrew Tate, Bildquelle: Cobratate

 

Wenige Stunden danach postet der reichste Mann der Welt, Elon Musk, auf Twitter ein Meme mit einem Design aus dem Film Matrix mit dem Spruch:

"What if I told you, the only way to escape the Matrix ist to unlearn everything that you have been taught and rebuilt your entire belief system based on critical thought and analysis."

Auf dem Account von Tate, der Cobra, wird es sofort retweeted. Tate war über Jahre wegen seiner frauenfeindlichen Statements bei Twitter gesperrt. Als Zeichen seines Kampfes für die Meinungsfreiheit hatte Musk ihn kurz zuvor entsperrt.

Tate ist ein sehr kritisch denkender Mann. Wie wohl auch in seinen Gesprächen mit Saif Belhasa denkt er zum Beispiel kritisch über Geschlechterverhältnisse und Familie nach. Dabei kommt das dann raus:

"Hot girl goes to Courchevel and posts videos of: An Urus. A 5 star hotel. Luxury dinners. Champagne lunches. Skiing. She edits into a nice little TikTok. She paid for absolutely none of it and doesn’t even post the guy who did. Clowns. I’d be in EVERY SINGLE SHOT."

So lassen sich diese Clowns, die nicht zu seiner Universität gehen, von Frauen, die sich auf Tiktok selbst statt ihren Finanziers darstellen, ausbeuten. (Was wohl der leidende Mann von Anna-Maria Ferchichi dazu sagen würde?)

Von Dubai nach Russland gegen den Satan

Wie der italienische Dichter und zu kurz gekommene Duce, Gabriele D’Annunzio, denkt Tate nicht nur über Frauen nach, sondern gerade in der besinnlichen Weihnachtszeit auch über Krieg – z. B. über den zwischen Russland und der Ukraine. Im Gegensatz zu Frauen wie Sahra Wagenknecht und Alice Weidel setzt er sich aber wirklich mit den von Russland offen ausgesprochenen Zielen des Angriffs auf die Ukraine auseinander. Dabei kommt dann das raus:

"Russian advertisement depicts Putin as Santa Claus, using magic to save a child from having gay dads, wearing pink and LGBT indoctrination. Russia believes the proxy war against NATO is necessary to preserve Christian values and fight satanism which controls the West."

Tate hat zu seiner Beruhigung also endlich auch einen Staat gefunden, der nicht nur wie Dubai das außerhalb der Matrix liegende, gelobte, paradiesische Zion, das neue Amerika ist, sondern der sogar aktiv gegen die Matrix kämpft: Russland!

Wären da nicht Leute wie Musk und Belhasa, sondern nur die 3 Millionen bescheuerten Follower von Tate, wäre das Spektakel der Cobra eigentlich lustig zum Ansehen, weil er offensichtlich ein lächerliches Persönchen ist.

Das ist einer wie Putins Tanzbär Ramazan Kadyrov aber auch. Der inszeniert gerade seine minderjährigen Söhne als Kindersoldaten, die für ihn ukrainische Soldaten zum Vorführen fangen. Tate, Musk, Kadyrov, Putin… sie haben eins gemein: Sie alle sind Vertreter eines und Sieger in einem radikalen Kapitalismus, die sich in der Pose des Rebellen zu Opfern stilisieren.

 

g
Bildquelle: Youtube

 

Sie sind Opfer der Lüge und der Heuchelei. So haben die USA doch zur Begründung des Irakkrieges mit den Massenvernichtungswaffen gelogen, um diesen als völkerrechtlich und moralisch legitim erscheinen zu lassen. Wenn die USA gelogen haben, warum muss man sich dann überhaupt noch Regeln messen lassen? Warum sollte man überhaupt Regeln außer der eigenen Stärke gelten lassen? Und die Frauen? Die lügen, wenn sie sich einladen lassen ohne den zu zeigen, der die Rechnung zahlt.

Wenn also allgemein gelogen wird, so hoffen die Marktradikalen wie Tate, Putin oder Musk, dass wenn heuchlerische Regeln und Maßstäbe für Gewalt und Macht abgeschafft sind, der Lüge das Handwerk gelegt ist. Dann wird durch die Entfaltung ihres freien Willens Frieden und Wohlstand für die einkehrt, die es verdienen – also sie selbst. So wie Russland erwacht ist und jetzt das Werk der liberalen, schwulen, Nazi-Satanisten in der Ukraine bekämpft, so hat Tate die blaue Pille geschluckt, um aus der Matrix auszubrechen. Der ungebundene freie Wille, die naturgegebene Stärke und die Gewalt sind ihre Wahrheit.

Das multikulturelle Dubai, in dem es scheinbar keine Politik und keine Lüge sondern nur guten Service gibt, und wo der König der Oberkellner ist, ist in den Träumen und Projektionen der leidenden Sieger des Systems Zion. Dieses Paradies ist getragen von einem natürlichen Reichtum, der Regeln unnötig erscheinen lässt. Denn nur wer sich bewegt (oder bewegen muss) spürt seine Ketten.

Und wo es keine Regeln gibt, an denen man anecken müßte, da treffen sich der extremistische Tate, der herzende Anwalt und der leidende Mann von Anna-Maria friedlich bei Nusred zum Tee. Wie Dubai hat auch Nusred offene Arme für jeden der die Freiheit hat seine Rechnung zu bezahlen. Die wenigen Regeln die Migranten im neutralen Dubai brauchen, hat Berthold Brecht in seinem Stück über die Zeit vor dem Faschismus Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny entdeckt. Und es sind so wenige Regeln, die Migranten wie der erwachte Tate, der herzende Anwalt und der leidende Mann von Anna-Maria brauchen – und für die nach Tate, der im Gegensatz zu dem Mann von Anna-Maria eine Vorstellung hat, heute Russland kämpft:

Erstens, vergeßt nicht, kommt das Fressen

Zweitens kommt der Liebesakt

Drittens das Boxen nicht vergessen

Viertens Saufen, laut Kontrakt.

Vor allem aber achtet scharf

Daß man hier alles dürfen darf.

(wenn man Geld hat.)