Montag, 26.06.2023 / 10:06 Uhr

Neue Front im Sudan

Von
Gastbeitrag von Hossam Sadek

Fahne der SPLM-N, Bildquelle: Wikimedia Commons

Im aktuellen Sudan-Konflikt hat ein neuer Akteur das Schlachtfeld betreten. Das Ringen um ein Ende der Gewalt wird damit nicht leichter.

 

Seit dem 15. April kämpfen die Miliz namens »Rapid Support Forces« (RSF) und die sudanesische Armee in verschiedenen Gebieten des Landes gegeneinander, insbesondere in der Hauptstadt Khartum und in der Region Darfur im Westen. Mehrere von den USA und Saudi-Arabien vermittelte Waffenstillstände und eine Gesprächsrunde in Dschidda (Saudi-Arabien) vor einigen Wochen konnten den Machtkampf zwischen der Armee und den RSF nicht lösen.

Am vergangenen Mittwoch brachen die Kämpfe zwischen der Armee und den schnellen Eingreiftruppen erneut los, und Khartum wurde nach einem dreitägigen Waffenstillstand wieder mit Artillerie beschossen. Der Konflikt zwischen den beiden Parteien hat in den letzten Monaten Tausende Tote verursacht und rund zwei Millionen Menschen in die Flucht getrieben, 600.000 davon flohen in umliegende Nachbarländer.

Ausweitung des Konfliks

Ebenfalls am Mittwoch kam es jedoch zu einer bemerkenswerten Entwicklung, als die »Sudanesische Volksbefreiungsbewegung-Nord« (SPLM-N) unter der Führung von Abdel Aziz Al-Hilu in den Konflikt eintrat und die sudanesische Armee in Südkordofan, einem Bundesstaat im Süden des Landes, angriff.

Die sudanesische Armee beschuldigte die SPLM-N, gegen ein langjähriges Waffenstillstandsabkommen zwischen den beiden Parteien verstoßen und eine Armeeeinheit in Kadugli in Südkordofan angegriffen zu haben. Einer offiziellen Erklärung zufolge habe die Armee den Angriff abgewehrt, doch seien mehrere Soldaten verwundet bzw. getötet wurden. In Südkordofan, das an Darfur und den Südsudan grenzt, liegen die wichtigsten Ölfelder des Landes.

Die SPLM-N ist ursprünglich aus der »Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung« hervorgegangen, die einen militärischen und politischen Kampf zur Erlangung der Unabhängigkeit des Südsudan im Jahr 2011 führte. Danach setzte die SPLM-N ihren Kampf gegen die sudanesische Regierung in den Bundesstaaten Südkordofan und Blauer Nil fort. Ihr Ziel waren eine säkulare Verfassung im Sudan und das Recht auf Selbstbestimmung der beiden Gebiete.

Im Jahr 2017 spaltete sich die SPLM-N in zwei Untergruppen auf. Während eine von ihnen, angeführt von Malik Agar, bereits vor Jahren ein Friedensabkommen mit der sudanesischen Regierung unterzeichnet hat, hat sich die andere, angeführt von Abdel Aziz Al-Hilu, einem solchen Friedensabkommen mit Khartum verweigert. Dieser zweite Flügel ist jedoch der militärisch stärkere – und sein Eintritt in den laufenden Konflikt im Sudan zwischen der Armee und den RSF erschwert die Verhandlungen um eine Überwindung des Konflikts.

Die Schwächung der Armee ausnutzen

Der Politikexperte Abdul Muttalib Siddiq Makki sagt, der Kampf zwischen der sudanesischen Armee und der SPLM-N sei gleichermaßen alt und gefährlich. Durch ihn werde der derzeitige Konflikt um die Macht im Sudan noch komplizierter. Der sudanesische Schriftsteller und politische Analyst Amir Babiker erklärt, dass die Kräfte von Abdulaziz Al-Hilu offenbar die Gelegenheit sehen, sich die Kämpfe zwischen der sudanesischen Armee und den RSF zunutze zu machen nutzen, um ihre Gebiete in Südkordofan auszuweiten und ihre Verhandlungsposition für die Zukunft zu stärken. Der Schriftsteller und politische Analyst Muhammad al-Asbat fügt hinzu, dass die Involvierung der SLPM-N die Position der Armee schwächen würden.

»Die Angriffe werden die Kapazitäten der Armee belasten und den Konflikt direkt in den Bundesstaat Südkordofan verlagern, ein Gebiet, das in den letzten vier Jahren aufgrund des Waffenstillstandsabkommens zwischen der sudanesischen Regierung und einem Teil der SLPM-N relativ ruhig war«, so al-Asbat.

Der Vorsitzende der neuen sudanesischen »Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit«, Mansour Arbab, mahnt demgegenüber zu einer vorsichtigere Einschätzung: »Die Zusammenstöße zwischen der SLPM-N und der Armee mögen auf die Absicht der Rebellen zurückzuführen sein, die von ihr kontrollierten Gebiete in Südkordofan zu sichern und auszuweiten.« Es sei aber unwahrscheinlich, »dass Abdulaziz Al-Hilu unter den derzeitigen Umständen im Sudan wirklich einen Krieg gegen die Armee führen und damit eine Neuauflage der Massaker aus dem Darfur-Konflikt riskieren will«.

Auch wenn momentan unklar ist, wie es nach den Zusammenstößen zwischen der SPLM-N und der Armee weitergehen wird, so zeigen die Vorfälle doch eines: Solange keine politische Lösung für den Konflikt zwischen der Armee und den RSF gefunden wird, drohen sich neue Fronten der Gewalt aufzutun, angefeuert beispielsweise durch einen verstärkten Ruf nach Separatismus in Gebieten wie Südkordofan und Darfur.

 

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch